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Geistige Behinderung
Die Geburt eines geistig behinderten Kindes stellt für alle betroffenen Eltern eine enorme psychische Belastung dar.
Diagnose: geistige Behinderung
Die Geburt eines geistig behinderten Kindes stellt für alle betroffenen Eltern eine enorme psychische Belastung dar. Zeitlich verzögert - aber genauso erschreckend - trifft eine solche Diagnose die Eltern, wenn sie sich erst im Verlauf der Entwicklung eines Kindes abzeichnet. Sie müssen sich erst an die Vorstellung gewöhnen, Vater oder Mutter eines Kindes zu sein, welches nicht wie die meisten anderen ist.
Viele Eltern berichten, dass sie ihr Kind zuerst sogar zeitweise ablehnten oder die Tatsache der Behinderung verdrängten. Negative Gefühle, Wut und Trauer sowie Schuld- oder Schamgefühle sind in einer solchen Situation zunächst völlig normal.
Meist kommt erschwerend hinzu, dass in den meisten Fällen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch nicht genau vorhergesagt werden kann, welche Fähigkeiten ihr Kind tatsächlich entwickeln wird.
Trotz dieser schwierigen Bedingungen gelingt es den meisten Eltern aber mit der Zeit, ihr Kind mit all seinen positiven wie negativen Eigenschaften zu akzeptieren und ihr Leben, ihre Lebensplanung und ihre Lebenserwartungen auf die besondere Situation einzustellen.
Was ist eine geistige Behinderung?
Der Begriff geistige Behinderung bezeichnet kein eng umschriebenes Krankheitsbild, sondern dient vielmehr als eine Art Sammelbezeichnung für vielfältige Erscheinungsformen und Ausprägungsgrade intellektueller Einschränkungen.
Als geistig behindert werden Kinder bezeichnet, deren messbare Intelligenz unterhalb eines bestimmten Grenzwerts liegt und die in ihrer Fähigkeit, Anforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen, deutlich eingeschränkt sind. Fachleute unterscheiden vier Schweregrade der intellektuellen Beeinträchtigung: leichte, mittelschwere, schwere und schwerste geistige Behinderung.
Die Gruppe mit leichter geistiger Behinderung stellt mit etwa 85 % die größte Untergruppe dar. Durch entsprechende Unterstützung und Förderung können diese Kinder schulische und berufliche Fähigkeiten erwerben und erfolgreich am sozialen Leben teilnehmen.
Welche Auswirkungen hat eine geistige Behinderung?
Geistige Behinderung hat eine erhebliche Lernbeeinträchtigung zur Folge.
Sie zeigt sich im frühkindlichen Alter als deutliche Entwicklungsverzögerung, die alle Bereiche betrifft, die erlernt werden müssen.
Vor allem Wahrnehmung und Sprachentwicklung sind besonders betroffen. Geistig behinderte Kinder beginnen, wenn überhaupt, meist erst spät zu sprechen und erlernen nur sehr langsam Wortbedeutungen und grammatikalische Regeln. Insgesamt sind nahezu alle Lernprozesse deutlich verlangsamt.
Auf der Basis der intellektuellen Minderbegabung entwickeln viele betroffene Kinder zusätzlich Verhaltensauffälligkeiten oder andere Begleitstörungen wie etwa eine Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung, Ticstörungen oder Zwangsstörungen.
Warum ist mein Kind geistig behindert?
Die Gründe für eine geistige Behinderung können sehr unterschiedlich sein. In etwa einem Drittel der Fälle lässt sich nicht genau sagen, wodurch die Behinderung entstanden ist.
Häufigste Ursachen geistiger Behinderung sind frühe Störungen in der Zellteilung des Fötus (wie beispielsweise beim Down-Syndrom) und Schädigungen durch Infektionen oder Belastung der Mutter mit schädlichen Substanzen (Alkohol, Medikamente) während der Schwangerschaft.
Daneben können erbliche Stoffwechselstörungen, Geburtsschäden, Infektionen im Kindesalter oder schwere Mangelversorgung während der frühen Kindheit geistige Behinderung verursachen.
Lesen Sie hier auch unseren Beitrag zu Komplikationen während der Geburt.
Wo wird mein Kind am besten gefördert?
Leider gibt es keine Therapiemaßnahmen, die eine geistige Behinderung rückgängig machen könnten.
Allerdings können die Folgen durch früh beginnende und geeignete Fördermaßnahmen gemildert werden. Und jedes Kind kann im Rahmen seiner Möglichkeiten Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen, die ihm so weit als möglich eine Teilnahme am sozialen Leben ermöglicht.
Neben notwendigen medizinischen Therapien sollten Sie sich frühzeitig um Unterstützung durch eine Frühfördereinrichtung bemühen. Neben ambulanten Diensten stehen Betreuungseinrichtungen mit geeigneten Förderangeboten zur Verfügung. Sowohl für das Vorschul- als auch für das Schulalter bieten einige Einrichtungen auch integrative Gruppen an, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
In der Regel werden geistig behinderte Kinder jedoch in speziellen Kindertagesstätten und Förderschulen unterrichtet, die in kleinen Gruppen auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder eingehen. Schulen für geistig behinderte Kinder sind meist als Ganztageseinrichtungen konzipiert und berücksichtigen die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Kinder.
Welche Einrichtung für Ihr Kind am besten geeignet ist, kann nur unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Bedürfnisse Ihres Kindes und den entsprechenden Angeboten vor Ort entschieden werden.
Behandelnde Ärztinnen und Ärzte und Therapeuten und Therapeutinnen sowie Mitarbeitende von Frühfördereinrichtungen können Ihnen dabei sicher wertvolle Informationen und Empfehlungen geben.
Wie kann ich meinem Kind helfen?
Sie können Ihrem Kind erst dann wirklich helfen und die notwendigen Fördermaßnahmen in angemessener Form unterstützen, wenn Sie selbst Ihre außergewöhnliche Situation weitgehend akzeptiert haben.
Da es eine schwer zu verkraftende Tatsache ist, Vater oder Mutter eines geistig behinderten Kindes zu sein, wird dieser Verarbeitungsprozess einige Zeit in Anspruch nehmen.
Durch die emotionale Unterstützung Ihrer Angehörigen und Freunde kann die Verarbeitung erleichtert werden.
Meist sind aber auch die Menschen aus Ihrem sozialen Umfeld durch die ungewöhnliche Situation verunsichert. Sprechen Sie deshalb offen mit ihnen darüber, welche Art der Unterstützung Ihnen wirklich helfen würde.
Als besonders hilfreich schildern viele Betroffene Kontakte zu Selbsthilfegruppen von Eltern behinderter Kinder, da sie sich hier mit Menschen unterhalten können, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.
Damit Sie genügend Kraft und Geduld für die Versorgung und Förderung Ihres Kindes aufbringen können, ist es wichtig, dass Sie sich selbst nicht zu viel zumuten. Sprechen Sie deshalb mit Angehörigen und Freunden oder den Fachleuten einer Beratungsstelle über Entlastungsmöglichkeiten für sich und Ihre Familie.
Da die Entwicklungsfähigkeit geistig behinderter Kinder oft schwer einzuschätzen ist, kann es im täglichen Umgang mit ihnen leicht zur Über- oder Unterforderungen kommen. Effektives Lernen kann aber nur dann stattfinden, wenn angemessene, an der individuellen Leistungsfähigkeit orientierte Angebote und Forderungen an das Kind herangetragen werden.
Oft neigen Eltern dazu, ihr geistig behindertes Kind zu schonen und eher zu wenig von ihm zu fordern. Sprechen Sie deshalb mit Therapeuten, Ärzten und Lehrkräften, die Ihr Kind gut kennen, über deren Einschätzung. Sie können Ihnen oft wertvolle Ratschläge für den täglichen Umgang mit Ihrem Kind vermitteln.
Hilfe für den Alltag mit einem behinderten Kind und Kontakt zu anderen betroffenen Eltern finden Sie auf der Interseite.