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Foto: Kleines Mädchen streckt ihre Hand mit gespreizten Fingern in die Kamera
Marija Stepanovic / Shutterstock.com

Gewalt gegen Kinder

Kinder und Jugendliche können Opfer oder Zeuginnen und Zeugen von Gewalt werden. Es gibt verschiedene Formen von Gewalt, die Täter und Täterinnen kommen oft, aber nicht immer aus dem engeren Umfeld. Jedes Kind und jeder Jugendliche hat ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Welche Erscheinungsformen der Gewalt gegen Kinder gibt es?

Die verschiedenen Erscheinungsformen der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche lassen sich grundsätzlich unterscheiden in

  • körperliche und seelische Vernachlässigung,
  • körperliche und seelische Misshandlung und
  • sexuellen Missbrauch.

Bei diesen extremen Formen der Gewaltanwendung ist das Kind auf besonderen Schutz, professionelle Hilfe und Begleitung angewiesen.

Jedes Kind hat einen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung!

Welche Grundhaltung ist für eine gewaltfreie Erziehung notwendig?

Grundlage für eine gewaltfreie Erziehung ist die Anerkennung und Achtung des Kindes als einzigartige und eigenständige Persönlichkeit.

Kinder brauchen die Chance, sich selbst zu erleben, selbst zu erfahren, selbst zu erkennen und somit den Weg aus der ursprünglich elterlichen Abhängigkeit hin zu einem eigenen Leben zu finden. Auf diesem Weg sind die Kinder auf Schutz, Unterstützung, Hilfe und Begleitung verantwortungsbewusster Eltern angewiesen.

Mit dieser Erziehungseinstellung und dem Ausgangspunkt, dass es immer eine Alternative zur Gewaltanwendung gibt, können Kinder gewaltfrei erzogen werden.

Was ist unter gewaltfreier Erziehung zu verstehen?

Das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung bedeutet, dass körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig sind.

Jede Form von Gewalt gegen Kinder ist unzulässig. Dies gilt auch für früher noch weit verbreitete Formen der körperlichen Bestrafung, wie eine Ohrfeige, oder einen „Klaps“ auf den Po. Was bereits diese Formen von Gewalt bei Kindern auslösen können, kann nachvollzogen werden, wenn sich der Erwachsene selbst in die Situation hineinversetzt. Zu den körperlichen Schmerzen kommt das Gefühl dass ein – zumindest bis dahin – geschätzter und als liebenswert empfundener Mitmensch für diese Schmerzen verantwortlich ist. Hieraus kann sich auch Angst vor diesem Menschen entwickeln.

Auch um nachvollziehen zu können, was seelische Verletzungen bei Kindern auslösen können, hilft es, sich vorzustellen, wie es einem selbst gehen würde, wenn man selbst kränkenden, herabsetzenden Verhaltensweisen ausgesetzt ist. Beispielsweise wenn man ständig oder wiederholt hören muss „du bist zu dumm“, „das kannst du nicht“, wenn das Gefühl überhandnimmt, nichts oder kaum etwas richtig zu können, für sein Tun oder Nichttun angebrüllt, erniedrigt oder überhaupt nicht beachtet zu werden.

Die eigene Antwort beispielsweise auf die Frage „Wie würde ich empfinden, wenn ich ständig auf der Treppe sitzen, oder in mein Zimmer eingesperrt werden würde?“ kann helfen, Verständnis dafür zu entwickeln, wie das Kind andere entwürdigende Maßnahmen erleben könnte.

Ist eine gewaltfreie Erziehung realistisch?

Kinder und Jugendliche wollen, sollen und müssen ihre Grenzen kennenlernen. Sie können Meisterstücke bieten, diese Grenzen immer wieder neu auszuloten und ihre Eltern auf immer neue Geduldsproben stellen.

Bereits der Säugling kann selbst seine Eltern durch häufiges Weinen und Schreien und sich nicht trösten lassen bis an oder über die Grenze der Belastbarkeit führen. Ist die Säuglingszeit überstanden, trotzt das Kleinkind, fordert oder streikt das Schulkind, rebelliert der/die Jugendliche.

In Situationen, in denen die gegenseitigen Erwartungen und Forderungen unerfüllbar scheinen und die Enttäuschungen zunehmen, kann ein Kampf beginnen, der, um letztendlich Grenzen aufzuzeigen, mit Gewalt ausgetragen wird. Beispielsweise wird der schreiende Säugling angebrüllt, in einen anderen Raum gelegt und nicht beachtet. Insbesondere das wütende Schütteln des Säuglings kann von einem Schütteltrauma bis hin zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen. Dem trotzenden Kleinkind wird Angst gemacht. Schließlich folgen die schallende Ohrfeige oder Schläge. Gleiches erlebt das unmotivierte, enttäuschte, streikende Schulkind. Der/die rebellierende Jugendliche erfährt Unverständnis, Demütigung, Nichtbeachtung.

Inmitten dieser Konfliktsituationen scheint es kaum vorstellbar, gewaltfreie Lösungen zu finden. Dass es sie gibt, beweisen die vielen Eltern und Erzieherinnen und Erzieher, die ohne Gewalt auskommen. Eltern können es auch lernen, mit sanften Methoden den erzieherischen Alltag zu bewältigen.

Wo können sich Eltern Hilfe holen?

Die Grenzen eigener Belastbarkeit erkennen, Entlastung durch die Lebenspartnerin, den Lebenspartner, Freundeskreis, Verwandte oder Nachbarinnen und Nachbarn zu finden – das können erste Schritte zur gewaltfreien Erziehung sein.

In ruhigen Momenten sollte sich jede und jeder die Frage stellen, in welchen Situationen sie oder er sein Kind anbrüllt, ohrfeigt, schlägt, demütigt.

Gespräche und Erfahrungsaustausch mit Eltern, in Familien- und Kindergruppen und mit Erziehenden, denen wir unser Kind anvertrauen, können weiterhelfen. Individuelle Beratung und Hilfe werden von Fachkräften einer Kinderschutzeinrichtung, Erziehungsberatungsstellen oder des Jugendamts angeboten. Sie sind verpflichtet, den Eltern Wege aufzuzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gelöst werden können. Elternkurse werden zum Beispiel vom Deutschen Kinderschutzbund angeboten unter dem Motto: „Starke Eltern – Starke Kinder“. Ziel dieser Elternkurse ist die Festigung der erzieherischen Kompetenz der Eltern, die Stärkung des Selbstvertrauens als Erziehende und die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit innerhalb der Familie, sodass auch in Stress- und Konfliktsituationen gute Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden können.

Lesen Sie auch dazu hilfreiche Tipps über die Initiative Stark durch Erziehung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.

Eltern, Kinder oder Jugendliche, die sich nicht persönlich an eine Beratungsstelle wenden wollen, können sich vertrauensvoll und anonym über das Elterntelefon beraten lassen. Das ist gebührenfrei montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 11:00 Uhr und dienstags und donnerstags von 17:00 Uhr bis 19:00 Uhr erreichbar unter 0800 1110550.

Wichtige Anschriften von Beratungsstellen in Bayern können dem Internet unter www.gewaltschutz.bayern.de sowie der Broschüre „Handeln statt Schweigen“ entnommen werden. Diese Broschüre kann kostenlos beim Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, Winzererstraße 9, 80797 München angefordert werden.

Können sich Kinder und Jugendliche selbst Hilfe holen?

Säuglinge und Kleinkinder sind besonders auf das Wahrnehmen und auf die Mithilfe ihrer Umwelt angewiesen. Nachbarinnen, Nachbarn, Freundeskreis oder Verwandte können den Eltern in belastenden Situationen selbst Unterstützung anbieten, Rat und Hilfe in einem Familienzentrum, in einer Erziehungsberatungsstelle, Kinderschutzeinrichtung oder beim Jugendamt einholen bzw. den betroffenen Familien vermitteln.

Kinder und Jugendliche, die keine geeignete Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner finden, können sich telefonisch – auch anonym – unter der gebührenfreien „Nummer gegen Kummer“ beraten lassen: 0800 1110333

Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich direkt an das Jugendamt zu wenden.

Auf der Webseite des Kinder-Ministeriums, kurz KiMi, finden Kinder verständliche Informationen über die Kinderrechte

Was versteht man unter dem Gewaltschutzgesetz?

Kinder und Jugendliche können Opfer oder Zeugen von häuslicher Gewalt durch einen Elternteil oder durch eine mit im Haushalt lebende oder in die Wohnung eindringende Person sein.

Wird häusliche Gewalt durch einen Elternteil oder durch einen Dritten ausgeübt und sind weitere Vorfälle zu befürchten, so kann die verletzte oder bedrohte Person einen Antrag beim Familiengericht auf notwendige Schutzmaßnahmen stellen.

Nach vorsätzlichen widerrechtlichen Körperverletzungen oder entsprechenden Drohungen kann der Täterin oder dem Täter durch das Familiengericht verboten werden,

  • die Wohnung der antragstellenden Person zu betreten;
  • sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten;
  • zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält;
  • Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen (zum Beispiel bei Telefonterror) und
  • ein Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen.

Durch dieses am 01.01.2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz wird die Täterin oder der Täter aus der Wohnung und dem zu bestimmenden Umkreis verwiesen. Das Opfer kann mit dem Kind bzw. das von Gewalt bedrohte Kind mit dem nicht gewalttätigen Elternteil in der bisher vertrauten Umgebung bleiben.

Im Vorfeld dieser gerichtlichen Entscheidungen kann die bei häuslicher Gewalt gerufene Polizei der Täterin oder dem Täter einen Platzverweis erteilen und ihn mit einem befristeten Kontaktverbot belegen. Bei Zuwiderhandlung soll sofort die Polizei informiert werden. Bei freiwilliger Wiederaufnahme der Täterin oder des Täters in der Wohnung werden diese polizeilichen Maßnahmen beendet. Nachdem der Platzverweis und das Kontaktverbot durch die Polizei grundsätzlich nur von vorübergehender Dauer sein können, bietet nur die unverzügliche Antragstellung auf gerichtliche Schutzanordnungen einen andauernden Schutz.

Um sicherzustellen, dass dieses Gewaltschutzgesetz auch dann angewandt werden kann, wenn ein Elternteil oder Dritter ausschließlich dem Kind gegenüber gewalttätig ist, erfolgt eine Klarstellung durch das Kinderrechteverbesserungsgesetz. Somit kann eine unbillige Härte auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist. Vor einer ablehnenden Entscheidung soll das Familiengericht das Jugendamt anhören. In jedem Fall teilt die Richterin oder der Richter dem Jugendamt die Entscheidung über die Zuweisung der Wohnung mit, sofern ein Kind mit in der Wohnung lebt.