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Foto: Schulmädchen sitz am Schreibtisch und hat Kopf auf den Armen und auf einen Stapel Bücher aufgelegt.
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Legasthenie – Lese- und Rechtschreibschwäche

Neben Schwächen und Begabungen im einen oder anderen Bereich können bei manchen Kindern Störungen in einer Sparte vorliegen, die so tief greifend sind, dass auch zusätzliches Üben wenig Erfolg bringt.

Was ist Legasthenie?

Legasthenie ist eine Lese- Rechtschreibstörung.

Manche Kinder sind seit früher Kindheit sprachlich sehr geschickt, schreiben später bereits in der Grundschule wunderschöne Aufsätze und haben wenig Schwierigkeiten, alles, was mit Sprache zu tun hat wie Lesen, Formulieren und Rechtschreiben, zu erlernen.

Andere haben größere Schwierigkeiten beim Erlernen dieser Dinge, können sich nur mühsam Rechtschreibregeln merken und bringen manchmal Formulierungen zu Papier, die vermuten lassen, es handle sich um erste Versuche in einer Fremdsprache.

Solche Unterschiede sind völlig normal. Oftmals spricht man dann von einer eher mathematisch-naturwissenschaftlichen oder einer eher sprachlichen Begabung. Trotzdem sind die meisten Kinder in der Lage, entsprechende schulische Anforderungen in ausreichendem Maß zu erfüllen.

Bei manchen Kindern können Störungen so tiefgreifen sein, dass auch zusätzliches Üben wenig Erfolg bringt und das Kind seine Leistungen trotzdem nicht verbessern kann. In diesen Fällen kann eine Legasthenie oder Dyskalkulie vorliegen.

Wann spricht man von Legasthenie?

Aber nicht jedes Kind mit Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens leidet an einer Lese-Rechtschreibstörung.

Von einer Legasthenie wird immer dann gesprochen, wenn die Lese- und/oder Rechtschreibleistungen eines Kindes deutlich schlechter sind, als man es gemäß seiner allgemeinen Intelligenz und seinem Alter von ihm erwarten würde.

Zeigt Ihr Kind beispielsweise in den Fächern Mathematik und Heimat- und Sachkunde gute Leistungen, erhält aber gleichzeitig im Fach Deutsch regelmäßig sehr schlechte Beurteilungen, könnte es an einer Legasthenie leiden.

Liegen andere plausible Gründe für schwache Leistungen im Fach Deutsch vor wie etwa Seh- oder Hörstörungen, unzureichender Unterricht oder ernsthafte psychische oder hirnorganische Erkrankungen, kann man nicht vom Vorliegen einer Legasthenie ausgehen.

Das Gleiche gilt für Kinder, welche die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, weil sie aus einem anderen Kulturkreis stammen.

Machen Kinder mit Legasthenie ganz bestimmte Fehler?

Es gibt keinen typischen Rechtschreib- oder Lesefehler, an dem man einen Legastheniker zweifelsfrei erkennen kann. Allerdings gibt es eine Reihe von Fehlern, die viele Legastheniker besonders häufig machen.

Sie verwechseln oft ähnlich aussehende Buchstaben, vertauschen die Reihenfolge der Buchstaben eines Wortes oder lassen Buchstaben oder Wortteile weg. Sie können häufig ähnlich klingende Buchstaben nicht unterscheiden und können Rechtschreibregeln meist nicht umsetzen, auch wenn sie sie kennen.

Beim Lesen sind die betroffenen Kinder oft sehr langsam, verbinden die einzelnen Laute nicht miteinander, lassen Buchstaben oder Wortteile weg, verdrehen die Buchstabenfolge oder ersetzen ganze Wortteile. Oft verstehen die Kinder den selbst gelesenen Text nicht.

Ist mein Kind dumm?

Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung sind nicht dümmer als andere Kinder. Sie können in anderen Bereichen ebenso gute oder gar bessere Leistungen vollbringen wie andere Kinder auch. Ihre Intelligenz ist meist durchschnittlich.

Die Ursachen der Störungen sind noch nicht genau bekannt. Wahrscheinlich sind minimale Gehirnentwicklungsstörungen für die Schwierigkeiten der Kinder verantwortlich.

Oftmals haben die Kinder auch Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.

Bei Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung verläuft die Verarbeitung von Sprache und Bildern schwieriger und langsamer als üblich.

Was muss ich tun, wenn ich den Verdacht habe, mein Kind leidet an einer Legasthenie?

Wenn Sie glauben, Ihr Kind könnte an einer Lese-Rechtschreibstörung leiden, sollten Sie zunächst mit der Lehrkraft Ihres Kindes sprechen. Sie kann am besten beurteilen, ob die Leistungen Ihres Kindes tatsächlich stark vom Klassendurchschnitt abweichen.

In den meisten Schulen wird mittlerweile Förderunterricht für Kinder mit besonderen Schwierigkeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik angeboten. Auch darüber kann Ihnen die Lehrkraft Ihres Kindes Auskunft erteilen.

Stellen Sie gemeinsam mit der Lehrkraft Ihres Kindes fest, dass möglicherweise gravierendere Störungen bei Ihrem Kind vorliegen, sind umfangreiche Untersuchungen bei der Schulpsychologin oder beim Schulpsychologen und/oder bei einer/m Fachärztin oder Facharzt erforderlich, um zu einer eindeutigen Diagnose zu gelangen.

Im Anschluss werden Ihnen diese Fachleute auch geeignete weitere Vorgehensweisen empfehlen.

Wie wird Legasthenie diagnostiziert?

Die Diagnose ist in beiden Fällen aufwändig und wird in der Regel von einer/m Fachärztin oder Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie durchgeführt.

Sie/Er benötigt dazu auch Ihre Mithilfe, da Sie Ihr Kind am besten kennen. Neben Informationen über die Entwicklung Ihres Kindes ist es für die Ärztin oder den Arzt auch von Bedeutung, Einzelheiten über verschiedene weitere Schwierigkeiten Ihres Kindes zu erfahren.

Umfangreiche körperliche Untersuchungen sollen Auskunft darüber geben, ob physiologische Gründe für die Schwierigkeiten Ihres Kindes vorliegen.

Weiterhin werden je nach Fragestellung Lese und Rechtschreibtests und mit Ihrem Kind durchgeführt, um – zusätzlich zu den schulischen Unterlagen – vergleichbare Informationen über die Leistungsfähigkeit Ihres Kindes zu erhalten.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Untersuchung ist die Durchführung eines Intelligenztests.

Je nach Einzelfall werden möglicherweise auch weitere Untersuchungen notwendig, die beispielsweise Aufmerksamkeit oder Sprachentwicklung Ihres Kindes überprüfen.

Ist Legasthenie heilbar?

Legasthenie ist nicht heilbar im eigentlichen Sinn. Die Betroffenen werden wahrscheinlich immer mehr Schwierigkeiten mit den jeweiligen Aufgaben haben als andere.

Allerdings können die Kinder durch geeignete schulische Förderung und gegebenenfalls durch therapeutische Maßnahmen große Fortschritte erzielen.

Erscheint eine Therapie notwendig, werden die Eltern in die Planung, Organisation und Durchführung der Therapie mit einbezogen.

Außerdem sollte eine Abstimmung mit der Lehrkraft des Kindes erfolgen.

Qualifizierte Therapeutinnen und Therapeuten werden zu Beginn immer eine genaue Fehleranalyse durchführen, damit gezielt auf die individuellen Schwierigkeiten Ihres Kindes eingegangen werden kann.

Im Anschluss werden geeignete Übungen eingesetzt, um die Fähigkeiten Ihres Kindes zu erweitern.

Neben dem Einüben bestimmter Fertigkeiten soll Ihr Kind in einer Therapie auch lernen, sich selbst positiver zu sehen, Versagensängste zu reduzieren und Verhaltensschwierigkeiten, die sich aufgrund der bestehenden Störungen entwickelt haben, abzubauen.

Gibt es schulische Erleichterungen für mein Kind?

Besondere schulische Erleichterungen gibt es in erster Linie für Kinder mit Lese-Rechtschreibstörungen, da hier Nachteile für nahezu alle Fächer entstehen.

Um die Nachteile einer fachärztlich diagnostizierten Legasthenie auszugleichen, wurde in Bayern im Jahr 1999 ein neuer Erlass des Kultusministeriums herausgegeben.

Legastheniker werden demnach von Leistungserhebungen, die nur der Überprüfung der Rechtschreibkenntnisse dienen, befreit. Das heißt Diktate und Nachschriften werden nicht benotet.

Bei anderen Prüfungen im Fach Deutsch, etwa bei Aufsätzen, darf die Rechtschreibung bei den betroffenen Schülerinnen und Schülern nicht mit in die Bewertung einfließen. Das Gleiche gilt für die Benotung in anderen Fächern.

Die Erarbeitung neuer Lerninhalte soll stärker mündlich und nicht nur schriftlich erfolgen.

Auch in Fremdsprachen dürfen Rechtschreibfehler nicht bewertet werden.

Darüber hinaus sollen Legastheniker mehr Zeit für die Bearbeitung von Prüfungsaufgaben erhalten und – wenn notwendig – weitere Unterstützung beispielsweise durch das Vorlesen der Aufgabenstellung erhalten.

Alle angesprochenen Förder- und Hilfsmaßnahmen gelten über die gesamte Schulzeit hinweg.

Wie kann ich meinem Kind helfen?

Leidet Ihr Kind an einer Legasthenie, braucht es Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung in besonderem Maße.

Da die Kinder meist sehr unter ihren schwachen schulischen Leistungen leiden, ist es besonders wichtig, dass Ihr Kind Erfolgserlebnisse in anderen Bereichen hat. Dies kann andere Schulfächer, Hobbys oder sonstige Freizeitbeschäftigungen betreffen.

Natürlich bemerkt Ihr Kind selbst, wenn es in einem Fach nicht mit Mitschülerinnen und Mitschüler mithalten kann. Möglicherweise wird es von Gleichaltrigen deshalb auch ausgelacht oder beschimpft. Sie können Ihrem Kind helfen, diese Erfahrungen zu verarbeiten, wenn Sie mit ihm darüber sprechen und Verständnis für seine Schamgefühle und Trauer zeigen.

Auch wenn es für Ihr Kind notwendig ist, mehr zu üben als andere Kinder, sollten Sie ihm auch genügend Zeit für andere Dinge, die ihm Spaß machen, einräumen.

Hausaufgaben sind bei Legasthenie eine besondere Herausforderung

Hausaufgaben stellen für die betroffenen Kinder und ihre Eltern oft eine besondere Herausforderung dar. Wahrscheinlich haben auch Sie es schon häufig erlebt, dass Ihr Kind alles Mögliche versucht, um Hausaufgaben zu umgehen, oder es sich in wütenden Ausbrüchen weigert, fehlerhafte Aufgaben noch mal zu machen. Kommt so etwas öfter vor, sind die meisten Eltern verständlicherweise bald am Ende ihrer Geduld.

Tägliche Streitereien wegen der Hausaufgaben können die gesamte Beziehung zu Ihrem Kind stark belasten. Wenn dies bei Ihnen bereits der Fall ist, sollten Sie nach Entlastungsmöglichkeiten für sich suchen. Vielleicht finden Sie jemanden aus Ihrer Familie oder Ihrem Freundeskreis, der die Hausaufgabenbetreuung bei Ihrem Kind übernehmen kann.

Da Ihr Kind länger als andere braucht, um Lernfortschritte zu erzielen, müssen Sie Ihr Tempo an das Ihres Kindes anpassen. Dazu gehört auch, bereits kleinste Lernfortschritte zu erkennen und Ihr Kind dafür zu loben.

Wenn Sie erst dann zufrieden sind, wenn Ihr Kind ein ganzes Arbeitsblatt fehlerfrei bearbeiten kann, hat Ihr Kind wenig Chancen, dies jemals zu schaffen. Es wird auf dem Weg dorthin immer wieder entmutigt, da das Ziel unerreichbar erscheint.

Wenn Ihr Kind bereits beim Abschreiben häufig Fehler macht, ist es doch schon eine gute Leistung, wenn es beispielsweise drei Wörter richtig abschreibt. Wird Ihr Kind auch dafür gelobt, wird es mit mehr Selbstvertrauen an die Bearbeitung der nächsten Aufgabe herangehen.

Die Aufgabenschwierigkeit sollte erst dann gesteigert werden, wenn Ihr Kind den vorhergehenden Schritt sicher beherrscht.