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Foto: Mädchen mit verschränkten Armen schaut trotzig in die Kamera
Anatoliy Karlyuk / Shutterstock.com

Grenzüberschreitungen

Als Eltern müssen Sie Ihrem Kind nach und nach mehr Freiräume lassen, damit es sich entwickeln kann. Aber auch Grenzen, ganz unterschiedlicher Art, sind notwendig.

Grenzen als Entwicklungsmöglichkeiten!

In einer Familie zum Beispiel müssen klare, für jedes ihrer Mitglieder erkennbare und zu respektierende Grenzen gesetzt sein - zwischen den einzelnen Mitgliedern, den Eltern und Kindern. Grenzen, die schließlich dafür sorgen, dass das Zusammenleben funktionieren kann. Daher ist der Spagat zwischen Freiräumen und Grenzen sowohl für Eltern als auch für Kinder schwierig.

Wo es Grenzen gibt, gibt es auch Grenzüberschreitungen. Das gilt für Kinder und Erwachsene. Grenzüberschreitungen kommen in jeder Familie vor, auch in der gut funktionierenden. Sie führen manchmal zu Krisen in der Familie, die sie aber auch bereichern können - dann, wenn sie als positive Entwicklungsmöglichkeit wahrgenommen werden.

Grenzen - warum erkennt sie mein Kind nicht mehr an?

Sie fühlen sich am Ende. Regeln, die von Ihrem Kind einmal weitgehend anerkannt wurden, hält es nicht mehr ein. Gegen alle und alles rebelliert es, denn alle und alles begrenzen angeblich seine Freiheit.

Grundsätzlich reiben sich alle Kinder, egal welchen Alters, an Regeln, Ge- und Verboten. Das ist normal. Schließlich wollen sie genau das entdecken, was sie hinter den Regeln, Ge- und Verboten vermuten.

Dass bestimmte Verhaltensweisen verlangt oder auch verboten werden, dass Grenzen gesetzt werden, dient einerseits dazu, das Kind vor Gefahren zu schützen. Andererseits werden damit Normen und Werte weitergegeben. Dagegen lehnt sich der pubertierende Jugendliche auf. Kaum einer ist bereit, vorgegebene Regeln hinzunehmen und sich danach zu richten, ohne sie zu hinterfragen.

Und das ist gut so, wenn auch anstrengend für die Familie. Erst in der Auseinandersetzung mit ihnen lernt der junge Mensch, einerseits die Regeln und Grenzen zu bejahen, die ihm für ein funktionierendes Zusammenleben notwendig erscheinen. Andererseits die in Frage zu stellen und schließlich zu verneinen, die ihm die Freiheit unnötig zu beschränken scheinen. Ihr Kind muss überprüfen können, ob die von den Erwachsenen vermittelten Normen und Werte zu seiner eigenen Haltung und den entsprechenden Verhaltensweisen passen.

Um das zu erfahren, sind Grenzüberschreitungen nötig. Für die Persönlichkeitsentwicklung, für die Identitätsfindung sind sie also außerordentlich wichtig. In bestimmten Phasen ihrer Entwicklung, dem Trotzalter und der Pubertät probieren Kinder und Jugendliche besonders intensiv aus, wie weit sie gehen können. Sie wollen wissen, was geschieht, wenn sie Grenzen überschreiten. Nur so können sie einerseits die Beweglichkeit von Grenzen erfahren. Andererseits lernen sie erkennen, dass manche unverrückbar, unmissverständlich für alle Menschen gelten - und gelten müssen -, damit der Privatraum eines jeden erhalten bleibt.

Auch wenn es für Sie sehr anstrengend werden kann, in der Pubertät sind sie nicht zu vermeiden.

Grenzen setzen - ist das noch nötig?

Für die Entwicklung eines Kindes ist ein wohlwollender, liebevoller erzieherischer Spagat zwischen Grenzsetzung und Freiraum außerordentlich notwendig. Dabei muss die Grenzsetzung immer wieder Veränderungen unterworfen sein.

Auch wenn Ihr Kind sich gegen jede Form der Begrenzung wehrt, heißt das keinesfalls, dass es auf alle Regeln verzichten will. Möglicherweise ist es ihm eine gewisse Zeit angenehm, wenn Sie es leben lassen, wie es will. Sehr schnell wird es aber nicht nur das Gefühl haben, dass Ihnen egal ist, was es treibt, oder dass Sie desinteressiert sind an seiner Person, daran, wie es ihm geht. Es wird Ihr „Nicht-Eingreifen“ auch als Mangel erleben. Schließlich kann es manchmal eine Erleichterung sein, wenn man gesagt bekommt, wo es langgeht.

Es geht nicht darum, dass Eltern in der Pubertät keine Grenzen mehr setzen. Ihre Aufgabe ist vielmehr, sie immer wieder - altersgemäß - neu abzustecken. Dass ein Fünfzehnjähriger abends früher nach Hause kommen muss als ein Achtzehnjähriger, das kann und muss der Jüngere verstehen und akzeptieren. Dass Sie einschreiten, wenn die Partys vergessen lassen, dass man auch noch etwas für die Schule tun muss, ist selbstverständlich.

Sprechen Sie immer wieder mit Ihrem Kind, hören Sie ihm gut zu. Sie werden dann schließlich gemeinsam mit ihm herausfinden, welche Grenzen in welcher Entwicklungsphase nötig sind - und die es schließlich auch einhalten muss. Das kann es umso leichter, wenn seine eigenen Vorstellungen bei der „Besprechung“ ernst genommen werden.

Grenzüberschreitung - wie sollen Eltern reagieren?

Grundsätzlich sollten Sie jede Grenzüberschreitung ernst nehmen. Dazu gehören natürlich alterstypische Delikte, Mutproben oder wenn es sich Ihr Kind anderweitig selbst gefährdet. Dazu gehört aber auch, wenn Ihr Kind später nach Hause kommt, als besprochen. Auch wenn die Grenzen von Eltern und Geschwistern verletzt wurden, sollten Sie als Eltern auf jeden Fall einschreiten.

Sprechen Sie mit ihm darüber. Finden Sie heraus, warum das eine oder das andere passiert ist. Überlegen Sie gemeinsam, was getan werden kann, damit sich Ihr Kind an die Regeln hält. Das bedeutet noch nicht, dass es das in Zukunft auch tut. Sie müssen ihm immer wieder, zeigen, dass es für sein Verhalten verantwortlich ist und dass bestimmte Verhaltensweisen bestimmte Konsequenzen nach sich ziehen. Nur so kann es lernen, Verantwortung für sich und sein Handeln zu übernehmen.

Im Übrigen genügt manchmal ein Stirnrunzeln, ein knapper Hinweis, warum die Beachtung der Regel wichtig ist. Vielleicht sind manchmal auch ausführliche Erklärungen nötig, die die Folgen einer Grenzüberschreitung noch einmal verdeutlichen und begründen.

Kommt Ihr Kind aufgrund einer Grenzüberschreitung mit der Polizei in Berührung, kann dies durchaus eine heilsame“ Konsequenz sein. Wahrscheinlich wird es daraufhin nie wieder Zigaretten stehlen oder ein unbezahltes Buch mitnehmen.

Auf keinen Fall sollten Sie den Vorfall verharmlosen. Machen Sie daraus keine nette Sache, die doch jeder einmal tut. Reden Sie mit Ihrem Kind darüber, dass es für seine Handlung geradestehen muss. Überlegen Sie mit ihm, wie es den entstandenen Schaden wiedergutmachen kann. Und bestehen Sie darauf, dass das dann auch geschieht.

Stehen Sie Grenzüberschreitungen Ihres Kindes bewusst durch, finden Sie schließlich gemeinsam Lösungen. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran, indem Sie die Grenzen Ihres Kindes nicht überschreiten, zum Beispiel indem sie nicht seine Briefe öffnen und seine Telefongespräche belauschen. Auf diese Weise sind sie ein Vorbild für Ihr Kind, es kann von Ihnen lernen, dass es die Grenzen anderer respektieren muss. Wenn Sie jedoch mit dieser Problematik nicht alleine zurechtkommen, brauchen Sie Unterstützung von außen. Holen Sie sich Rat und Hilfe, zum Beispiel bei einer Erziehungsberatungsstelle oder dem Jugendamt.