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Foto: Teenager-Junge sitzt in einem Tunnel auf Holzplanken.
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Suizidgefährdung

Das Jugendalter ist eine schwierige Zeit. Auf dem Weg vom Kindsein zum Erwachsenwerden erlebt der junge Mensch Konflikte, Erschütterungen seines Selbstwertgefühls und allgemeine Verunsicherung, die nicht leicht zu bewältigen sind.

Warum gerade bei Jugendlichen Suizidgefährdung besteht?

Fragen wie "Wer bin ich?“, „Was ist der Sinn des Lebens?", "Wo ist mein Platz in dieser Gesellschaft?", die Heranwachsende beschäftigen, sind von heftigen Gefühlen begleitet. Mit der aufkeimenden Sexualität erwachen Wünsche und Sehnsüchte, begleitet von Angst, Peinlichkeit und Scham. Die plötzlichen, in dieser Lebensphase meist hormonell bedingten Stimmungsumschwünge, beunruhigen den jungen Menschen. Insgesamt können die körperlichen Veränderungen sein Gefühl von sich selbst bis auf den Grund ins Wanken bringen.

Manche Jugendliche fühlen sich häufig nicht verstanden und allein gelassen mit ihren Problemen. Während sie einerseits Zuwendung, Nachsicht und Unterstützung suchen, stoßen sie andereseits diejenigen zurück, die ihnen helfen wollen. Dabei bewältigen sie die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens auf komplett unterschidliche Art und Weise.

Nicht alle überwinden die dabei auftauchenden Hindernisse, um schließlich gestärkt daraus hervorzugehen. Manche fühlen sich in tiefer innerer Not, aus der sie nicht mehr herauszufinden glauben. Sie empfinden ihre Lage als aussichtslos und sehen als einzige Möglichkeit, sich daraus zu erlösen, sich das Leben zu nehmen.

Was tun im Notfall?

Wenn Ihr Sohn oder Ihre Tochter so verzweifelt ist, dass Sie ihn oder sie nicht mehr guten Gewissens alleine lassen können, sollten Sie sie oder ihn zum eigenen Schutz in psychiatrische Obhut geben. Bezirkskliniken haben in aller Regel Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das dortige Personal ist auf die speziellen Probleme von Kindern und Jugendlichen eingestellt und geschult, diesen zu helfen.

In den sogenannten geschlossenen Abteilungen ist Ihr Kind rund um die Uhr unter Aufsicht, so dass es keine Möglichkeit hat, sich etwas anzutun. Mithilfe von Gesprächen und Medikamenten gelingt es in der Regel, die jungen Patientinnen und Patienten aus der "Gefahrenzone" zu bringen, um sie für eine spätere Therapie überhaupt empfänglich zu machen.

Viele Eltern haben Angst, ihre Kinder in die Psychiatrie zu bringen. Sie fürchten den Vertrauensverlust, haben Angst, dass der Sohn oder die Tochter dadurch vielleicht Schaden nimmt.

Doch bedenken Sie: Vieles kann wieder in Ordnung gebracht und rückgängig gemacht werden, nicht aber ein Suizid.

Folgende Kriterien können Ihnen bei einer Entscheidung hilfreich sein: Wenn

  • Ihr Kind einen Selbsttötungsversuch unternommen hat, der aber gescheitert ist,
  • es nicht ansprechbar ist (hier besteht die Gefahr, dass es Tabletten eingenommen hat),
  • Ihr Kind eindeutige Vorbereitungen für den Suizid getroffen hat (Tabletten gesammelt, eine Waffe organisiert, einen Abschiedsbrief geschrieben hat),
  • Ihr Kind nach einer langen Phase der Depression plötzlich nahezu heiter und gelöst wirkt,
  • wenn weder Sie noch andere Personen noch Zugang zu Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn finden, dann sollten Sie handeln.

Eine Einweisung kann die behandelnde Hausärztin oder der behandelnde Hausarzt vornehmen oder eine Psychiaterin oder Psychiater. Es ist wünschenswert, dass der junge Mensch sich freiwillig in die Klinik begibt. Manchmal ist es jedoch so schwierig und die Gegenwehr so groß, dass polizeiliche Unterstützung in Anspruch genommen werden muss.

Wenn Sie einen begonnenen Suizidversuch entdecken, rufen Sie sofort den Rettungsdienst (112).

Denken Sie daran: Am wichtigsten ist, dass Ihr Kind überlebt und wieder gesund wird.

Was können Eltern tun?

Wenn Sie sich Sorgen um Ihr Kind machen, weil es oft traurig ist, weil es die altersgemäßen Aufgaben des Lebens nicht bewältigen kann, weil es Alkohol und andere Drogen konsumiert, weil es auffällige Ess- und Schlafgewohnheiten zeigt oder weil es schlecht mit Familie, Freundinnen und Freunden und in der Schule zurechtkommt, dann suchen Sie Hilfe.

Das kann zunächst die Hausärztin oder der Hausarzt sein oder eine andere Person, der Sie sich anvertrauen. 

Vielleicht verweist Sie die jeweilige Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner an eine Kinder- und Jugendpsychiaterin oder Kinder- und Jugendpsychiater. Gehen Sie hin. Sie werden dort nicht – wie Sie vielleicht fürchten – mit Schuldgefühlen überhäuft, sondern hier wird Ihnen geholfen, mit der Situation so umgehen zu können, wie es Ihrem Kind und damit auch der Familie guttut.

Selbsttötungsversuch – ein Hilferuf?

Wenn eine Jugendliche oder ein Jugendlicher einen Selbsttötungsversuch unternimmt, heißt das nicht, dass sie oder er tatsächlich sterben möchte.

Sie oder er will ihr/sein derzeitiges Leben verändern, weil sie/er es so, wie es ist, nicht mehr leben kann.

Ein Selbstmordversuch – ebenso wie bereits seine Ankündigung (!) – ist in den meisten Fällen der Versuch, sich anderen verständlich zu machen.

Sie oder er drückt den Wunsch aus nach einem Ende aller Ängste, Nöte, Verzweiflung und Schwierigkeiten, nicht aber den nach einem Ende des Lebens.

Beides muss als dringender Hilferuf an Außenstehende, Eltern, Lehrkräfte, Freundinnen oder Freunde, verstanden werden, durch den sich die Jugendliche oder der Jugendliche aus ihrer oder seiner vermeintlich aussichtslosen Lage befreien will.

Welche Warnzeichen und Risikofaktoren gibt es?

Eine Reihe von Hinweisen, die auf eine lebensbedrohende Verzweiflung eines Jugendlichen deuten können, werden häufig falsch interpretiert oder nicht ernst genommen. Das kann daran liegen, dass sie tatsächlich auch eine zeitweilige Störung sein können, die sich von allein wieder gibt.

So erklären Eltern sich die seit einiger Zeit auffällige Schlankheit der Tochter oder des Sohns vielleicht mit einem Wachstumsschub oder sie führen sie auf eine Appetitlosigkeit zurück, die noch mit der erst kürzlich überstandenen Grippe zusammenhängt. Beides wäre möglich. Dass das Kind so schmal geworden ist, könnte aber ebenso Ausdruck einer Essstörung sein.

Die Schlafprobleme des Sohnes oder der Tochter, die schließlich auch zur Antriebslosigkeit bei ihm oder ihr führen, werden als Ergebnis von Schulproblemen gedeutet. Auch das könnte so sein. Dennoch sind sie auch eine Begleiterscheinung einer Depression.

Essstörung tritt, ebenso wie die Schlafstörung, häufig gemeinsam mit Depression auf. Beide gelten als Warnzeichen und Risikofaktoren für eine Selbsttötung. Weiter gehören dazu:

  • Mangel an Vertrauen, Liebe, Freundschaften, Sicherheitsgefühl;
  • Konsum von Alkohol und anderen Drogen;
  • Medikamentenabhängigkeit;
  • Antriebslosigkeit, – bestimmte Äußerungen wie "Ich weiß nicht mehr weiter", "Ich bringe mich um", "Ich werfe mich aus dem Fenster", "Ich habe Angst", "Ich möchte nicht mehr leben", "Alles egal, ich werde niemandem zur Last fallen";
  • häufige Gedanken an den Tod, Beschäftigung mit Selbsttötungsvorstellungen;
  • frühere Selbsttötungsversuche;
  • nahe zurückliegende Verlusterlebnisse (zum Beispiel durch den Tod eines Elternteils, eines guten Freundes/einer guten Freundin, eines Vorbilds);
  • Selbsttötung einer nahestehenden oder vorbildhaften Person (Beispielcharakter);
  • Verschenken von persönlichen Gegenständen, plötzliche Stimmungsaufhellung ohne ersichtlichen Grund.

Jugendliche sind im Allgemeinen sehr empfindsam und leicht verletzbar. Sie reagieren schnell abweisend, obwohl sie meist nichts mehr suchen als Zuwendung und Aufmerksamkeit. Sie wollen sich in der Gemeinschaft aufgehoben fühlen – auch jemand, der sich in der Schule herausfordernd verhält, der heftig mit anderen streitet, sich angriffslustig und trotzig verhält. Wie auch immer sich eine Jugendliche oder ein Jugendlicher ausdrückt, sie möchten verstanden werden. Sie wollen, dass man sie ernst nimmt in ihren Gefühlen und ihrem Denken, in ihrem Glück ebenso wie in ihren Ängsten und Nöten.