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Foto: Die Hände einer Mutter und die Hände ihres Kindes halten zusammen ein Herz.
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Autismus

Autistische Kinder und Erwachsene leben in ihrer eigenen Welt mit ihren ganz eigenen Regeln. Für Nicht-Autistinnen und Nicht-Autisten ist diese Welt meistens nicht wirklich zugänglich. Zudem sind die Regeln und Denkweisen der Autistinnen und Autisten nicht immer logisch und nachvollziehbar.

Was ist Autismus?

Autismus ist eine tief greifende Entwicklungsstörung im Gehirn. Die Ausprägungen können dabei unterschiedlich stark sein, weshalb man statt von Autismus auch oft von "Autismus-Spektrum-Störungen" spricht. "Spektrum" (Erscheinung) bezieht sich dabei auf die unterschiedlich starken Ausprägungen der Anzeichen und das Niveau der Beeinträchtigungen.

Von einer "Autismus-Spektrum-Störung" wird allerdings erst dann gesprochen, wenn genügend der charakteristischen Eigenschaften vorhanden sind. Denn natürlich ist nicht jeder Mensch, der gerne Dinge alleine oder immer in derselben Reihenfolge erledigt, automatisch eine Autistin oder ein Autist.

Manche Autistinnen oder Autisten sind nur leicht beeinträchtigt, andere sind hingegen schwer- oder mehrfachbehindert. Aus autistischen Kindern werden autistische Erwachsene, weshalb viele autistische Menschen auf lebenslange Hilfe angewiesen sind. Wird der Autismus frühzeitig erkannt, ist es jedoch für die Betroffenen mit therapeutischer Hilfe möglich, sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden und ein eigenständiges Leben zu führen.

Jeder Mensch im Autismus-Spektrum ist individuell!

Zwar teilen viele von ihnen bestimmte Merkmale, trotzdem ist keine Autistin und kein Autist wie die oder der andere. Charakteristisch für fast alle Menschen im Autismus-Spektrum ist, dass sie Schwierigkeiten haben, mit anderen zu sprechen und auf andere einzugehen. Sie nehmen Eindrücke aus ihrer Umwelt anders und ungefiltert wahr. Autistinnen und Autisten haben oft ungewöhnliche Denkweisen und Problemlösungsstrategien, gehen sehr intensiv ihren oft speziellen Interessen nach und verfallen dabei manchmal in sich wiederholende Bewegungen. Zudem haben sie ein enormes Bedürfnis nach Beständigkeit.

Wie viele Menschen sind ungefähr Autistinnen und Autisten?

Werden alle Autismus-Spektrum-Störungen zusammengenommen, so zählen etwa sechs bis sieben von 1.000 Menschen dazu. Ein bis zwei von 1.000 Menschen gehören zu den frühkindlichen Autistinnen und Autisten und ein bis drei Menschen von 1.000 sind Asperger-Autistinnen und Asperger-Autisten.
Jungen bzw. Männer sind häufiger autistisch als Mädchen bzw. Frauen.
Autismus kommt in allen sozialen Schichten und Ethnien vor.

Welche Anzeichen können darauf hindeuten, dass mein Kind autistisch ist?

Die ersten Hinweise auf autistisches Verhalten zeigen sich meist vor dem dritten Lebensjahr und treten in drei Bereichen besonders deutlich auf: im Verhalten des Kindes gegenüber anderen Menschen, in der Kommunikation des Kindes mit anderen und darin, dass das Kind bestimmte Verhaltensweisen ständig wiederholt.

Besonderheiten im Umgang mit anderen Menschen: Autistinnen und Autisten

  • achten und reagieren eher wenig auf Mitmenschen,
  • haben Probleme damit, ein Gespräch zu beginnen,
  • verwenden wiederholt bestimmte Wörter,
  • tun sich schwer damit, Blickkontakt zu halten und ihre eigene Körpersprache richtig einzusetzen,
  • tun sich schwer damit, eine Beziehung zu Gleichaltrigen aufzubauen (teilen kein Spielzeug etc.),
  • reagieren ungewöhnlich und oft nicht einschätzbar auf Ärger oder Zuneigung von anderen.

Besonderheiten im eigenen Verhalten: Autistinnen und Autisten

  • sind oft sehr stark auf eine bestimmte Sache oder einen Gegenstand konzentriert,
  • haben oft Schwierigkeiten in der Wahrnehmung und bei der Verarbeitung von, Sinneseindrücken, was zu einer Überforderung führen kann (Licht ist zu hell, Geräusche kommen ungefiltert an und sind zu laut),
  • wiederholen oft eintönige Handlungen,
  • haben oftmals großes Interesse an Ordnungssystemen wie Zahlen oder Symbolen,
  • haben oft ein leidenschaftliches Interesse für ein bestimmtes Thema, das ein Leben lang anhalten oder sich verändern kann,
  • haben Angst vor Veränderungen (z. B. neue Vorhänge, anderer Weg zur Schule, unangekündigter Besuch) und können damit nur schwer umgehen – einfacher wird es, wenn sie vorher auf Veränderungen vorbereitet werden,
  • halten deshalb recht unflexibel an bestimmten Gewohnheiten fest,
  • haben teilweise Angst vor Berührungen und empfinden dabei Schmerzen,
  • haben oft Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen,
  • neigen zu unvorhergesehenen und unkontrollierbaren Handlungen oder zu Selbstverletzungen.

Warum ist eine frühe Diagnose über eine Autismus-Spektrum-Störung wichtig und wer stellt sie?

Erste Anzeichen einer Autismus-Spektrum-Störung bei Kindern können von Eltern heruntergespielt werden nach dem Motto "Das holt er oder sie doch noch auf!". Zudem mag die Angst vor einer lebensverändernden Diagnose bei vielen Eltern groß sein. Trotzdem ist eine eindeutige Feststellung über eine autistische Ausprägung extrem wichtig, damit das Kind mithilfe von Therapie und Förderung seine individuellen Fähigkeiten verbessern kann.
Sind sich die Eltern oder Bezugspersonen nicht im Klaren darüber, dass ein Kind autistisch ist, dann wird das besondere, von der Norm abweichende Verhalten des Kindes unter Umständen mit falschen Konsequenzen bestraft und das Kind nicht genügend unterstützt und bestmöglich gefördert. Oder die Eltern und Bezugspersonen plagen sich mit Selbstvorwürfen, weil sie das Gefühl haben, ihr Kind "nicht im Griff" zu haben.

Wer stellt die Diagnose über eine Autismus-Spektrum-Störung?

Bei Verdacht einer frühen Autismus-Spektrum-Störung ist die erste Anlaufstelle die Kinderärztin oder der Kinderarzt, die bzw. der allerdings nur einen Verdacht aussprechen kann und Ihr Kind im gegebenen Fall weiter an eine Kinderpsychologin oder einen Kinderpsychologen verweisen wird, die oder der eine genaue Diagnose erstellen kann.

Nach der offiziellen Diagnose mag sich bei vielen Eltern neben einer berechtigten Angst vor dem, was denn nun alles auf sie zukommt, auch eine Erleichterung einstellen: Nun ist klar, dass Ihr Kind etwas Besonderes ist und Sie nicht als Eltern mit der Erziehung versagt haben.

Warum ist gerade mein Kind autistisch?

Autismus gilt nach dem heutigen Stand der Forschung als angeboren und ist nicht heilbar. Bislang haben Forschende nicht eindeutig herausfinden können, was die Ursachen für autistische Störungen sind.
Fehlverhalten, also eine falsche Erziehung durch die Eltern oder andere Bezugspersonen, kann jedoch nicht zu Autismus führen. Die Theorie der "Kühlschrankmutter", die mit ihrem herzlosen Verhalten ihr Kind zur Autistin oder zum Autisten heranzieht, ist schon lange widerlegt.
Genauso wenig führen Impfungen von Kindern zu Autismus.

Welche Formen von Autismus-Spektrum-Störungen gibt es?

Es gibt verschiedene Ausprägungen des Autismus, die sich in unterschiedlichen Lebensphasen, meist aber im Kleinkindalter herausbilden.

Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom, infantiler Autismus)

Erste Besonderheiten treten vor dem 3. Lebensjahr auf; Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion, Kommunikation und im Verständnis; verzögerte Sprachentwicklung, teilweise keine Lautsprache; atypische, manchmal repetitive Bewegungen; niedrige bis normal hohe (gemessene) Intelligenz

Frühe Anzeichen

Wenn Kleinkinder eines oder mehrere der folgenden Merkmale aufweisen, sollte der Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung von einer Ärztin oder einem Arzt überprüft werden.

  • Mangelnder oder fehlender Blickkontakt,
  • fehlendes oder verringertes Verfolgen der Blickrichtung einer anderen Person,
  • fehlendes Zeigen mit dem Finger,
  • fehlende Reaktion auf das beim eigenen Namen Gerufen-werden,
  • fehlende Empathie (z. B. bei Schmerzäußerungen von anderen),
  • Rückschritt oder Verlust von bereits erworbenen sprachlichen oder interaktiven Fähigkeiten,
  • geringes oder fehlendes Rollenspiel ("So tun als ob").

Asperger-Autismus

Erste Besonderheiten treten vor dem 3. Lebensjahr auf; Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion, Kommunikation und im Verständnis; frühe Sprachentwicklung, hohes Sprachniveau; Spezialinteressen, manchmal motorische Schwierigkeiten, normal bis hohe (gemessene) Intelligenz

Frühe Anzeichen

Asperger-Autismus wird oft erst nach dem Kleinkindalter diagnostiziert, weswegen es wenige aussagekräftige Erkenntnisse über frühe Anzeichen gibt, trotzdem gibt es auffällige Besonderheiten:

  • Einförmige Verhaltensweisen,
  • einförmiger Sprachgebrauch: spricht wenig oder besonders viel; versteht Gesagtes oft wortwörtlich,
  • wenig Einfühlungsvermögen: versteht Gefühle anderer Leute nicht,
  • ritualisierte Verhaltensweisen,
  • Angst vor Veränderungen,
  • eingeschränktes Fantasiespiel,
  • fehlender Wunsch und Fähigkeit, eine Beziehung zu Gleichaltrigen herzustellen,
  • Schwierigkeiten mit der Zusammenarbeit.

Atypischer Autismus

Dieser Begriff wird verwendet, wenn das Verhalten einer Person ins Autismus-Spektrum passt, aber nicht alle Kriterien für beispielsweise den Frühkindlichen Autismus oder den Asperger-Autismus erfüllt sind.

Besonderheiten können auch im späten Kleinkindalter auftreten; eventuelle Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion, Kommunikation und im Verständnis; eventuell verzögerte, beeinträchtigte oder ausbleibende Sprachentwicklung; eventuell atypische, manchmal repetitive Bewegungen; niedrige bis hohe (gemessene) Intelligenz.

Wie kann ich meinem autistischen Kind helfen?

Das Leben mit einem autistischen Kind stellt die Eltern, Geschwister und alle Bezugspersonen vor eine große Herausforderung. Zum einen bringt es viel Erfüllung, da das eigene Leben komplett neu überdacht und strukturiert wird, man sich dabei selbst neu kennenlernt, zum anderen ist es ohne Frage extrem fordernd und anstrengend. Viel Kraft, Geduld und Optimismus sind nötig, die Unterstützung aus dem sozialen Umfeld ist unabdingbar.

Wichtig ist, dass Sie sich die nötige Unterstützung holen, um Ihre eigenen Batterien wieder aufzuladen!

Elterntreffs für Eltern mit einem autistischen Kind sind ein guter Ort, um sich gegenseitig auszutauschen und zu motivieren.

Spielen Sie viel gemeinsam!

Generell ist natürlich das tägliche und regelmäßige Spiel mit Ihrem Kind für dessen Entwicklung enorm wichtig. Dafür eignet sich ein fester Platz, an dem alle Spielsachen bereitliegen. Eventuell können Sie ein Spielprotokoll anlegen, um Fortschritte und Auffälligkeiten festzuhalten. Lassen Sie die Spielzeit mit Ihrem Kind immer für Ihr Kind positiv enden!

Ihnen sollte immer bewusst sein, dass autistische Kinder in kleinen Schritten lernen!

Einige zusätzliche Tipps:

  • Loben Sie Ihr Kind viel! Dies kann über Sprache, aber auch in Form von kleinen Belohnungen erfolgen.
  • Schaffen Sie feste Strukturen (Tagesablauf, Regeln im Alltag, klare Absprachen) für Ihr Kind. Das gibt ihr oder ihm Sicherheit und Überschaubarkeit und nimmt auch die Angst.
  • Kündigen Sie Änderungen der festen Pläne frühzeitig an (z. B. kurzer Umweg vor der Schule).
  • Lassen Sie sich nicht entmutigen! Reduzieren Sie eventuell Ihre eigenen Ansprüche.
  • Seien Sie jedoch immer geduldig und gleichzeitig beharrlich.
  • Versuchen Sie trotz eventueller Frustrationen sich nicht stressen zu lassen. Ihr Stress überträgt sich sonst auf Ihr Kind.

Wer kann uns mit unserem autistischen Kind helfen?

Wichtig ist, dass Sie sich Hilfe holen! Ihnen sollte klar sein, dass Sie nicht alleine sind, sondern dass es eine breite Palette an unterschiedlichen Förder- und Beratungsstellen gibt, die Ihnen mit Ihrem Kind zur Seite stehen.

Professionelle Unterstützung finden Eltern und Bezugspersonen in Autismus-Therapiezentren, bei Frühförderstellen und bei Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten.

Ziel der Autismus-Therapie ist die Eingliederung von Menschen im Autismus-Spektrum in die Gesellschaft, dem Abbau von übermäßig einförmigem oder (auto-)aggressivem Verhalten.

Die Finanzierung erfolgt dabei über die Eingliederungshilfe (Träger der Sozial- oder Jugendhilfe). Ausschlaggebend hierfür ist § 35a SGB VIII, die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.

Eine von vielen Möglichkeiten, Ihrem autistischen Kind die Schullaufbahn zu erleichtern ist, zum einen der mobile sonderpädagogische Dienst, zum anderen eine Schulbegleitung, welche Ihr Kind die komplette Schulzeit über begleitet und während des Unterrichts als Kontaktperson zwischen dem Kind, den anderen Schülern und den Lehrern auftritt.

Wie gehe ich mit den Geschwisterkindern von autistischen Kindern um?

Geschwisterkinder von autistischen Kindern wachsen unter besonderen Bedingungen auf. Ihnen wird oft eine Mitverantwortung für das autistische Geschwisterkind übertragen. Sie müssen vor ihm oder ihr bei den Eltern zurückstecken, weil diese mehr Fürsorge und Aufmerksamkeit für das autistische Geschwisterkind aufwenden müssen.
Zudem ist bei den gesunden Geschwisterkindern ebenso wie bei den Eltern Geduld, Nachsicht, Gelassenheit und Stresswiderstandsfähigkeit gefragt, denn sie müssen sich viel gefallen lassen, wenn ihre autistische Schwester oder ihr autistischer Bruder unkontrollierbar schreit, bestimmte (unlogisch erscheinende) Regeln und Ordnungen einfordert oder etwas kaputt macht.

Eltern sollten mit ihren Kindern deshalb offen über die speziellen Bedürfnisse des autistischen Geschwisterchens sprechen, aber auch Zeit ohne das autistische Geschwisterkind einplanen und mal mit ihr oder ihm etwas alleine unternehmen. Wichtig ist, dass die Familie gemeinsame Regeln für den besonderen Familienalltag aufstellt, die für alle verständlich sind und eingehalten werden.