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LIVE-Web-Coaching vom 28.10.21:

"Ich bin so fett und hässlich!". Verstärken Medien Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen?

 

Wir sprachen mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Liane Hammer und Medienwissenschaftlerin Dr. Maya Götz.

Studio-Expertin: Liane Hammer  

Porträtfoto: Liane Hammer.
anad.de

Liane Hammer ist Diplom-Pädagogin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Seit 2012 arbeitet sie als Therapeutische Leitung von ANAD e. V., einem Versorgungszentrum für Essstörungen in München. Hier arbeitet sie direkt mit Patientinnen, Patienten und Angehörigen und begleitet Wohngruppen für Betroffene.

ANAD e. V. ist ein gemeinnütziger Verein. Menschen mit Essstörungen und ihre Angehörigen finden hier professionelle Beratung und Therapieangebote von Fachkräften aus verschiedenen Bereichen (Psychotherapie, Pädagogik, Ernährungsberatung), intensiv betreute Wohngruppen sowie eine kostenlose und anonyme Online-Beratung.  

Studio-Expertin: Dr. Maya Götz

Porträtfoto: Dr. Maya Götz.
izi.de

Dr. phil. Maya Götz ist Medienwissenschaftlerin und Medienpädagogin. Sie leitet das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk. Das IZI führt wissenschaftliche Forschungsprojekte durch, um die Medienangebote für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Außerdem leitet Dr. Maya Götz das Festival Prix Jeunesse International für Produzentinnen und Produzenten von Kinder- und Jugendfernsehen aus aller Welt.

Die Pädagogin forscht vor allem im Bereich „Kinder/Jugendliche und Fernsehen“, mit Schwerpunkt Geschlechtsunterschiede. Sie leitete mehr als 180 Studien u. a. zu Daily Soaps, Castingshows und Identitätsentwicklung. Außerdem ist sie pädagogische Leiterin der Medienkompetenzplattform „So geht Medien“ von ARD und ZDF.

Moderator: Tobias Krell (auch bekannt als Checker Tobi)

Porträtfoto: Tobias Krell (auch bekannt als Checker Tobi)
Hans-Florian Hopfner

Tobias „Tobi“ Krell ist Fernsehmoderator, -reporter und -redakteur. Er ist bekannt als „Checker Tobi“ : Beim Kinder-TV-Kanal KiKa moderiert er die gleichnamige Sendung und geht darin als Reporter verschiedenen „Checkerfragen“ nach, die Kinder beschäftigen. Zum Beispiel: Wie funktioniert eine Seilbahn? Aus was bestehen eigentlich Gewürze? Wie fühlt sich Schwerelosigkeit im Weltraum an?  Tobias Krell hat Medienwissenschaft studiert und lebt in München.

Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen: mehr zum Thema

Hintergründe und Fakten

Fachleute unterscheiden zwischen

  • Anorexie (Magersucht)
  • Bulimie (Essattacken mit anschließendem selbst herbeigeführtem Übergeben) und
  • Binge-Eating-Störung (unkontrollierte Essanfälle ohne anschließendes Übergeben)

Das wichtigste Merkmal einer Essstörung: Die Betroffenen beschäftigen sich ständig mit dem Thema Essen und dem eigenen Körper. Essstörungen sind schwere Erkrankungen. Sie können ernsthafte körperliche und psychische Schäden nach sich ziehen und sogar tödlich enden. Deshalb gilt: unbedingt ernst nehmen!  

Noch sind Mädchen und Frauen häufiger betroffen als Jungen und Männer. Doch die Zahl der männlichen Betroffenen in therapeutischen Einrichtungen nimmt zu. Außerdem werden die Betroffenen immer jünger: Auch Kinder im Grundschulalter sind schon wegen Essstörungen in therapeutischer Behandlung.

Ursachen: Sind die Medien schuld?  

Grundsätzlich gilt: Es gibt nicht „die eine Ursache“. Meist entsteht eine Essstörung aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren: der Persönlichkeit, familiären Konflikten, dem Einfluss von Gleichaltrigen – und dem Einfluss der Medien. Wenn Kinder sich mit vermeintlichen Vorbildern im Fernsehen und den sozialen Medien vergleichen, kann das Essstörungen auslösen oder verstärken. Denn hier sehen und erleben Kinder und Jugendliche von klein auf, welche Körperbilder und Charaktereigenschaften je nach Geschlecht gesellschaftlich als „schön“, „erfolgreich“ und „erstrebenswert“ eingestuft werden. Und wer mit welcher Selbstdarstellung in Social-Media-Kanälen die meisten Likes einsammelt. Wie können Eltern diesem Einfluss entgegenwirken? Diese und viele weitere Fragen beantworten unsere Expertinnen im Web-Coaching und in unserem Live-Chat.

Nützliche Links

Links zum Thema Essstörungen

Links zum Einfluss von Medien auf Schönheitsideale und Essstörungen 

FAQs rund um Medien und Essstörungen

Erste Fragen, Hintergrundinfos und Anlaufstellen

Bei der Bulimie werden typischerweise sehr, sehr große Mengen an Nahrung in kurzer Zeit aufgenommen (Essanfall) und danach werden dann Maßnahmen ergriffen, um die aufgenommenen Kalorien wieder loszuwerden. Das passiert ganz häufig mittels Erbrechen, kann aber auch mit übermäßigem Sport oder Diätmitteln erreicht werden. Bei der Binge-Eating-Störung hingegen werden keine gegenregulierenden Maßnahmen ergriffen. Betroffene nehmen hohe Mengen an Kalorien auf und nehmen dementsprechend oft auch stark an Gewicht zu.

Die Online-Beratung Essstörungen von ANAD e. V. steht Ihnen kostenlos und anonym zur Seite.

Die Krankheitsschwere ist ausschlaggebend dafür, ob ich Ihnen eine ambulante, teilstationäre oder stationäre Behandlung empfehlen würde. Lassen Sie sich dafür am besten ausführlich beraten. Die Online-Beratung Essstörungen von ANAD e. V. steht Ihnen kostenlos und anonym zur Seite: www.anad-dialog.de

Krankheitseinsicht ist etwas Schwieriges im Bereich Essstörung. Als erster Schritt ist es Ihnen jedoch immer möglich, die AAngehörigenberatung bei Anad e. V. in Anspruch zu nehmen. Ja, eine Essstörung zählt zu den psychischen Erkrankungen. Oft gehen Essstörungen sogar mit Depressionen einher. Es ist gut, darüber mit jemandem zu sprechen, dem man vertraut: Was belastet mich? Was möchte ich gerne ändern? Wo brauche ich Hilfe?

Das kann ich pauschal nicht beantworten, da "Abnehmen" an sich nicht pauschal gut oder schlecht ist. Die Beweggründe sind hier entscheidend. Sicherlich gibt es sehr viele Abnehm-Apps, die als riskant einzuschätzen sind.

Unterstützen und Begleiten

Es ist wichtig, mit einer Essstörung nicht allein zu sein. Daher ist es gut, sich Menschen anzuvertrauen, denen man vertraut. Sei es Familie oder Freundeskreis. Wichtig ist dabei, aufs Gefühl zu hören: Tut mir das Gespräch gut? Fühle ich mich verstanden?

In der Rolles des besten Freundes für sie da sein, zuhören, aber auch die eigenen Grenzen wahren. Und sie auf Hilfsangebote hinweisen und ggf. anbieten, sie z.B. auch dabei zu unterstützen oder begleiten.

Die Online-Beratung Essstörungen von ANAD e. V. steht Ihnen kostenlos und anonym zur Seite.

Menschen über 18 dürfen selbst entscheiden, ob sie Hilfe annehmen möchten - außer es besteht unmittelbare Gefahr für das Leben. Grundsätzlich ist es ratsam, betroffene Personen sensibel und mit Ich-Botschaften anzusprechen und Sorgen zu äußern. Bei Kindern ist es sinnvoll, Eltern oder andere Vertrauenspersonen anzusprechen. Ärztliche Abklärung ist hier der erste Schritt.

Fragen von Betroffenen

Es ist gut, sich Unterstützung zu suchen. Mit 18 ist es möglich, das auch ohne das Einverständnis der Eltern zu tun. Mögliche Ansprechpartner von z. B. ambulanten Beratungs- und Therapieeinrichtungenfinden Sie auf der Webseite Bundesfachverband Essstörungen e.V.

Das klingt nach einem Teufelskreis, den viele Menschen, die unter Essstörungen leiden, kennen. Sie sind nicht allein! Holen Sie sich Hilfe und ja, Psychotherapie wäre wichtig, ebenso aber auch Ernährungsberatung. Die Online-Beratung Essstörungen von ANAD e. V. steht Ihnen kostenlos und anonym zur Seite.

Grundsätzlich kann/darf jeder eine Beziehung eingehen, auch wenn man sich psychisch nicht stabil fühlt. Ihre Frage lässt aber vermuten, dass Sie selbst gerade Zweifel daran haben, ob Sie sich einer Beziehung gewachsen fühlen. Am wichtigsten ist hier die Erkenntnis, dass eine Beziehung Sie natürlich nicht heilen kann und dass dies nicht die Aufgabe Ihres Partners oder Ihrer Partnerin sein darf. Fühlen Sie sich aber in der Gegenwart der Person wohl, unterstützt, und können sich ihr anvertrauen, kann eine Beziehung wertvoll sein!

Fragen von Eltern

Der Körpervergleich kann schon sehr früh starten. Insbesondere wenn in der Schule darüber gesprochen wird o. Ä. Es ist immer gut ins Gespräch zu gehen und nach den Hintergründen fragen und dabei auch die Wichtigkeit des Äußeren zu diskutieren.

Wenn Sie sich Sorgen um das Gewicht Ihrer Tochter machen, sprechen Sie diese aus. Ich-Botschaften ("ich sorge mich um dich") können helfen, etwaige Widerstände zu verringern. Je nach Alter wäre ein Kinderarztbesuch zu empfehlen. Wenn Sport zur Regulation des Körpergewichts in exzessivem Maße genutzt wird, kann das ein Hinweis auf eine Essstörung sein. Ich empfehle Ihnen eine professionelle Beratung zur genauen Einschätzung.

Wenn Ihr Sohn ausreichend isst und dennoch dünn ist, kann dies verschiedene Gründe haben. Haben Sie sein Gewicht medizinisch abklären lassen? Eine Essstörung ist erst dann gegeben, wenn das Essverhalten an sich auffällig ist. Kompensiert er die Nahrungsaufnahme durch viel Sport? Oder wendet er andere Methoden an, um Gewicht zu verlieren? Wenn dies nicht der Fall ist, ist wahrscheinlich von keiner Essstörung auszugehen. Sprechen Sie mit Ihrem Sohn ganz offen darüber, das ist das Beste.

Natürlich darf man sich mit Kindern über Essen unterhalten, es sollte aber vermieden werden, bestimmte Diäten als Norm oder Regel anzusprechen. Kohlenhydrate sind gerade für Kinder, die noch wachsen, wichtig. Gegebenenfalls können Sie sich bei der Kinderärztin oder beim Kinderarzt über ausgewogene Ernährung beraten lassen.

Gute Frage! Ich denke es ist wichtig, dass Sie Ihr elterliches Modellverhalten reflektieren. Ich würde Ihnen empfehlen, sich bei einer Profi-Ernährungsberatung über ein gesundes Gewichtreduktionsprogramm zu informieren.

Fragen Sie Ihre Tochter nach ihren eigenen Beweggründen. Möchte sie, dass ihre Tochter sich ausgewogen ernährt? Oder geht es ihr um deren Aussehen? "Dick sein" als etwas Negatives zu beschreiben, kann natürlich bei der Enkelin Stress auslösen. Wenn Sie einen guten Zugang zu Ihrer Enkelin haben, können Sie auch versuchen, ihr selbst ein gutes Vorbild zu sein und mit ihr darüber ins Gespräch zu gehen.

Wichtige Beobachtung! Abgrenzung ist wichtig, genauso wie eine transparente Kommunikation. Schauen Sie sich doch mal das Angehörigenangebot von Anad e.V. an.

Ziel des eintägigen Elternworkshop für Angehörige ist die Erlangung von mehr Sicherheit im Umgang mit Betroffenen, sowie die Vermeidung einer ungewollten Verstärkung der Symptomatik durch die Eltern.

Wenn ihr gar keine regulären Hosen mehr passen, gehe ich von einem starken Übergewicht aus. Es sollten körperliche und psychische Ursachen abgeklärt werden. Ich empfehle Kinderärztin/Kinderarzt und Beratungsstelle für Essstörungen, die vermitteln Sie dann auch an eine passende Ernährungsberatung.

Die Online-Beratung Essstörungen von ANAD e. V. steht Ihnen kostenlos und anonym zur Seite.

Gut, dass Sie das Gespräch mit ihm suchen. Fressen und fett sind allerdings sehr abwertende Worte, es wäre aus meiner Sicht wichtig, dass Sie wertschätzend mit ihm über Ihre Beobachtungen sprechen. Eine Psychotherapie könnte helfen. Lassen Sie sich am besten als Angehörige dazu beraten: Die Online-Beratung Essstörungen von ANAD e. V. steht Ihnen kostenlos und anonym zur Seite.

Versuchen Sie in einer entspannten Situation Ihre Beobachtungen mitzuteilen und Ihre Vermutung offen anzusprechen. Vermeiden Sie dabei Vorwürfe.

Das ist sicherlich sehr schwierig für Sie! Holen Sie sich Hilfe bei einer spezialisierten Angehörigenberatung, wo viel Zeit und Raum für Ihre Sorgen und Fragen ist.

 

 

Es ist möglich, dass sie das Gefühl hat, etwas falsch zu machen oder sich schämt. Hilfreich kann sein, in einem ruhigen Moment anzusprechen, was Sie beobachten (in der Ich-Perspektive), Ihre Sorge ausdrücken und versuchen herauszufinden, was die Gründe sind.

Dabei ist sicherlich ganz entscheidend, woher das Übergewicht kommt. Wenn das Kind aus Traurigkeit oder Einsamkeit isst, ist es wichtig, sich mit genau diesen Auslösern zu beschäftigen, und nicht nur das "Symptom", also das Übergewicht zu behandeln. Eine Diät sollte im Kindes- und Jugendalter am besten vom Kinder- oder Hausarzt/-ärztin begleitet werden. Diese/r kann am besten einschätzen, wie vorgegangen werden kann.

Fragen über den Einfluss der Mediennutzung

Wichtige Beobachtung. Wichtig wäre, Ihre Sorgen offen und wertschätzend anzusprechen. Die Mediennutzung kritisch mit ihr zu diskutieren, einen Rahmen für Kommunikation über Schönheitsideale zu schaffen.

Wichtige Beobachtung! Sprechen Sie mit ihr darüber, versuchen Sie zu verstehen, warum sie das macht und diskutieren Sie das mit ihr kritisch. Wenn sie weitermacht, würde ich mit ihr die Mediennutzung kritisch diskutieren und über Nutzungslimits nachdenken. Wichtig ist, sie aufzuklären. Das ist ein gefährliches Unterfangen!

Das hängt etwas vom Alter Ihres Kindes ab. Bei (Klein-)Kindern gibt es eine ganze Reihe unterstützender Kinderbücher, die man gemeinsam lesen und besprechen kann. Diese gehen auch bis ins Teenager-Alter (z. B. good night stories for rebel girls). Ein weiterer Ansatzpunkt könnten Ihre eigenen Vorbilder sein oder sich gemeinsam aktiv auf die Suche nach anderen Vorbildern zu machen. Allgemein kann man sagen, je älter und reflektierter die Kinder sind, desto weniger Effekte haben mediale Vorbilder. Ein anderer Ansatz wäre, die Sendung gemeinsam zu sehen und dann darüber ins Gespräch zu kommen und das Gesehene zu reflektieren.

Am besten ist es, dass sie darüber ganz offen mit Ihrem Kind sprechen. Sie könnten auch gemeinsam Dokus ansehen oder über entsprechenden Artikel mit ihr/ihm sprechen.