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Religiöse/weltanschauliche Erziehung
Viele Eltern fühlen sich unsicher, wenn sie mit ihrem Kind über religiöse Fragen reden und entscheiden sollen, ob sie ihm eine christliche Orientierung bieten wollen oder wie diese aussehen soll.
Wie soll ich mein Kind religiös erziehen?
Da es heute weitgehend den Eltern überlassen ist, für die religiöse Erziehung Verantwortung zu tragen, trägt auch das zu ihrer Verunsicherung bei.
Zwar erleben wir heute einen weitgehenden Rückgang des kirchlichen Einflusses auf unser Alltagsleben. Dies hängt aber weniger mit der Verbreitung von Atheismus in der Bevölkerung zusammen, sondern eher mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber kirchlichen und religiösen Belangen.
Auch (junge) Eltern stehen den traditionellen Formen christlicher Religiosität häufig ablehnend gegenüber. Dabei spielen zum Teil sicher auch Erinnerungen an die eigene, möglicherweise negativ erlebte religiöse Erziehung mit. In anderen Fällen hatten vielleicht bereits die eigenen Eltern wenig Bezug zu religiösen Fragen beziehungsweise zur Kirche.
Andererseits ermöglicht religiöse Erziehung, an unserer in wesentlichen Teilen christlich geprägten Kultur teilzuhaben und sie verstehen zu lernen. Werte-Erziehung wird ohne Auseinandersetzung mit religiösen Fragen nicht auskommen.
Religiöse Kindererziehung
Wie und in welchem Umfang religiöse Kindererziehung stattfinden soll, das zu entscheiden, ist das Recht der Eltern. Andererseits tragen sie dafür aber auch die Verantwortung im Rahmen ihrer gesetzlich festgelegten Erziehungspflicht.
Vor allem soll die religiöse Kindererziehung im Einvernehmen mit dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes geschehen. Wie das Gesetz hinsichtlich der Erziehung allgemein betont, sollen die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigt werden.
Dieses besondere Selbstbestimmungsrecht kommt darin zum Ausdruck, dass Minderjährige nach Vollendung ihres zwölften Lebensjahres nicht mehr gegen ihren Willen zum Wechsel ihres religiösen Bekenntnisses und ihrer Konfession veranlasst werden dürfen. Mit vollendetem 14. Lebensjahr können sie ihr Bekenntnis oder sogar ihren Kirchenaustritt frei wählen.
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses gelten nach unserem Grundgesetz als unverletzliches Grundrecht.
"Große" Kinderfragen!
Nicht nur Kindern stellen sich brennende Fragen, wenn sie die Erfahrung von schockierender Gewalt, (plötzlichem) Tod und sinnlosem Leid machen. Andererseits merken bereits Kinder, dass man etwas dafür tun kann, dass es anderen und einem selbst gut geht. Manchmal ist man auch einfach "grundlos" glücklich und wünscht sich, dass dies immer so bleibt.
Solche gegensätzlichen Erfahrungen machen schon dem kleinen Kind klar, dass die menschlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten begrenzt sind und es fragt nach Gründen, nach dem Sinn und Zweck.
Im Mittelpunkt der Erziehung steht Ihr Kind und seine Fragen wollen beantwortet werden. Das gilt gerade auch für so grundsätzliche und besonders schwer zu beantwortende Fragen wie:
- Wer bin ich? Woher komme ich? Was soll ich mal werden?
- Warum müssen Menschen sterben? Muss ich auch mal sterben?
- Wo und wie finde ich Schutz und Geborgenheit, wenn ich mich allein gelassen fühle?
- Warum behandeln Menschen einander so schlimm?
- Warum soll ich gut handeln und fair sein?
- Warum glauben Menschen an Gott - oder gerade nicht?
- Warum glauben manche Menschen an andere Götter oder gehen in besondere Kirchen?
Auch wenn Kinder diese Fragen nicht direkt stellen, sind sie doch bei jedem Kind in irgendeiner Form vorhanden. Fragen Sie doch mal nach!
Was können Sie tun, wenn Sie von Ihrem Kind mit solchen Fragen konfrontiert werden? Solche zum Teil sicher unangenehmen Fragen zu unterdrücken und beiseite zu schieben, ist vielleicht im Augenblick die einfachste Umgangsweise damit, auf Dauer aber keine Lösung. Zuerst gilt es, die Fragen geduldig anzuhören und ernst zu nehmen. Wie könnte im Weiteren eine religiöse Antwort auf solche Fragen in der Erziehung praktisch aussehen?
Religiöse Antworten
Wenn es um die "großen" Fragen, wenn es um Orientierung für den Mensch in der heutigen Zeit geht, gelten die christlichen Kirchen immer noch als "zuständig", auch wenn Kirchgang, Gebet, Feiern von Festen des Kirchenjahres oder von besonderen Ereignissen wie Taufe, Kommunion, Firmung, Konfirmation usw. für viele Eltern eine gewandelte Bedeutung bekommen haben.
Kinder und Jugendliche kommen auch heute noch regelmäßig mit der christlichen Glaubenslehre, kirchlichen Institutionen, christlichen Traditionen, Symbolen und Ritualen in Kontakt. Die verstärkte Berührung mit anderen Religionen, die das Leben von zugewanderten Familien und Kindern prägen, trägt auch dazu bei, dass Religion in unserer Kultur und damit für die Erziehung unserer Kinder ein wichtiges Thema ist.
Religiöse Impulse bilden gerade für die Entwicklung von Gewissen und Verantwortungsgefühl beim Kind auch heute noch eine wichtige Grundlage.
Wie sollte religiöse Erziehung aussehen?
Religiöse Orientierungspunkte im Erziehungsalltag können Kindern Sicherheit vermitteln und vor Angst- und Verlassenheitsgefühlen schützen. Das Selbstbestimmungsrecht Ihres Kindes sollte dabei gewahrt bleiben.
Eine religiöse Haltung darf nicht aufgezwungen werden. Vor allem nicht dadurch, dass im Kind Ängste geweckt werden. Genau so wenig dürfen Sie die religiösen Bedürfnisse Ihres Kindes verächtlich machen. Im einen wie anderen Fall schaden Sie Ihrem Kind, denn es wird durch eine solche Missachtung seiner Person daran gehindert, Vertrauen und Zuversicht in sich und seine Zukunft zu entwickeln.
Mit Kinder gemeinsam beten
Will Ihr Kind mit Ihnen beten, hat dies damit zu tun, dass es eine persönliche Beziehung zu einer unbegrenzt starken Bezugsperson sucht. Je nach Vorgaben aus der Erwachsenenwelt, vermischt mit Vorstellungen aus der kindlichen Fantasie, können hier Gott, Jesus, die Gottesmutter, Engel und andere göttliche Wesen zu einer bedeutsamen inneren Wirklichkeit für das Kind werden.
Selbst wenn Sie als Eltern mit Religion "nichts anfangen" können, sollten Sie sich auf den kindlichen Wunsch einlassen und beispielsweise vorschlagen, dass das Kind sich ein Gebet überlegt oder aussucht, und dass Sie dabei zuhören wollen. Dabei können Sie zumindest die schöne Erfahrung machen, wie das Kind lernt, über sich selbst und seine Alltagswelt hinaus zu denken, wie es sich Gott, den Himmel usw. vorstellt. Sie sollten auf diese Vorstellungen und Gefühle verständnisvoll und interessiert eingehen.
Offen zugeben, dass man keine Antwort hat
Die intimen Erfahrungen, Ängste und Wünsche des Kindes müssen ernst genommen werden, dürfen mit zunehmendem Alter aber auch hinterfragt werden. Stellen Sie sich dabei ehrlich den eigenen Gefühlen und Bedenken, denn Kinder spüren, ob ihre Eltern eine tragfähige Einstellung haben zu den "großen" Fragen, zu Kirche, Religion und Glaube.
Andernfalls sollten Sie sich und Ihrem Kind auch eingestehen, dass Sie diese Fragen für sich noch nicht oder nicht alle geklärt haben. Das ehrliche Eingeständnis, dass auch Erwachsene auf viele Dinge keine Antwort wissen und vielleicht gerade deswegen selbst nach religiösen Antworten suchen oder diese von ihrer Kirche erwarten, zeigt dem Kind, dass sich hier Kinder und Erwachsene gleichwertig auf einer gemeinsamen Ebene bewegen und dabei aufeinander angewiesen sind und voneinander lernen können.
Wie komme ich bei der religiösen Erziehung weiter?
Wenn Sie Ihre Kinder bewusst religiös erziehen wollen, bieten sich Ihnen seitens der Kirchen und Religionsgemeinschaften viele Möglichkeiten:
- Information und Austausch mit anderen Eltern in gemeindlichen Gruppen und kirchlichen Einrichtungen der Erwachsenenbildung.
- Beratung durch pädagogisch, theologisch oder psychologisch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der örtlichen Kirchengemeinden.
- Großes Literatur- und Medienangebot für Kinder und Eltern, Bilderbücher und Hör-Kassetten für Kleinkinder, christliche und biblische Erzähltexte, moderne Musik- und Gebetsliteratur, religionspädagogische Fachliteratur usw.
Hier können in vielfältiger Weise Impulse für ein am Kind orientiertes christliches Miteinander eingeholt werden.
Eltern werden neu herausgefordert
Haben Sie als Eltern ungeklärte Fragen und Zweifel gegenüber religiösen Dingen, sollten Sie sich von den Fragen Ihrer Kinder dazu herausfordern lassen, Antworten zu finden. Vielleicht haben Sie sich seit Ihrer Kindheit nicht mehr bewusst mit religiösen Fragen auseinandergesetzt? Vermutlich leben Sie jedoch nach den ethischen Grundsätzen, die von unserer christlich geprägten Kultur vermittelt werden und wollen diese auch an Ihr Kind weitergeben? Herausgefordert von den Fragen Ihres Kindes, sollten Sie sich danach erkundigen, welche Angebote und Antworten die Kirchen dazu geben können.
Werden Kinder in ihren Fragen und ihrer selbstständigen Suche nach (religiösen) Antworten ernst genommen und begleitet, kann dabei ein fruchtbarer Austausch für beide Seiten entstehen. Und vielleicht kann auf diesem Weg auch eine klarere Orientierung oder sogar so etwas wie ein "religiöses Zuhause" (wieder-)entdeckt werden!
Religiöse Erziehung nicht vorenthalten
Falls Sie zu den Eltern gehören, die bisher nichts von religiöser Erziehung hielten, sollten Sie sich trotzdem fragen, ob es "das Recht des Kindes auf Religion" (dies ist der Titel eines aktuellen Buchs) gibt? Vielleicht sollten Sie sich von ihrem Kind verleiten lassen, das Staunen (neu) zu erlernen, das Sich-faszinieren-lassen von den kleinen und großen "schönen Geheimnissen", die von Ihrem Kind entdeckt und durch Fantasie in märchenhafter Weise erklärt werden. So können Sie vielleicht einen Erfahrungsbereich für sich selbst (wieder-)entdecken, der möglicherweise durch fehlende oder misslungene religiöse Erziehung in Ihrer eigenen Kindheit verschüttet wurde. Vielleicht sollten Sie wagen, Ihre Vorurteile darüber, was Religion ist, zu überprüfen und sich dafür interessieren, was Religion (in einem durchaus weiteren Sinn!) für andere Menschen in unserer oder auch in anderen Kulturen durchaus bedeuten kann.
Auch falls Sie sich zu den Eltern zählen, die alles andere neben der religiösen Kindererziehung für nebensächlich halten, sollten Sie sich von den Fragen Ihrer Kinder herausgefordert fühlen. Sie sollten überprüfen, ob Sie eine zu extreme Einstellung in religiösen Dingen haben. Sie sollten sich fragen, ob Sie Ihre Kinder durch Ihr Vorbild und Ihre Erziehung nicht zu Außenseitern machen.
Eine zu strenge oder sehr ausgefallene Religiosität kann Kinder daran hindern, eine eigenständige Persönlichkeit zu entwickeln. Es besteht die Gefahr, dass sie nicht religionsmündig werden (dürfen) oder aber von religiösen Dingen später nichts mehr wissen wollen.
Die Öffnung gegenüber anderen Gläubigen, die ein weniger beängstigendes Lehr- und Selbstverständnis haben, kann dabei helfen, in der Erziehung eine weltzugewandte und liebevolle, kindgerechte Haltung einzunehmen.