Elternbrief Nr. 37

- - - - - - d will um Ihr Kin seiner selbst willen geliebt werden. Briefe B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 37 INHALT 10 Jahre 6 Monate 1 Kinder und ihre Privatsphäre 3 Die Mittelschule 5 Keine Lust zum Lernen? 7 Das geht euch nichts an! 9 Rivalität unter Geschwistern 12 Starkult im Kinderzimmer 13 Was liest du denn da? Die Suche nach sich selbst beginnt Ihr Kind befindet sich in einer Zeit des Umbruchs: Nicht mehr klein und noch nicht ganz groß. Kein Kind mehr, aber auch noch kein Jugendlicher. Es weiß selbst nicht, wohin es gehört. Das Spielen erscheint ihm viel leicht kindisch, aber was soll es statt dessen machen? Sein Körper ver ändert sich oder noch nicht – bei des kann für Ihr Kind belastend sein. Es geht in eine neue Schu le, muss sich neu orientieren und sich in einer neuen Gemeinschaft zurecht finden. Ihr Kind ist auf der Suche nach seinem Platz in der Welt und es ist auf der Suche nach sich selbst. In jedem Alter und in jeder Lebenssituation ist es für Kinder wichtig, sich von den Eltern geliebt zu wissen. Ganz unabhängig davon, wie das Verhalten oder die Schulleistungen gerade sind – geliebt zu werden hilft Kindern, ein positives Bild von sich selbst aufzubauen, sich zu mögen und zuakzeptieren. Gerade in Zeiten des Umbruchs, wo Kinder sich in ihrer Haut oft so unwohl fühlen, ist es für sie wichtig zu wissen, dass ihre Eltern hinter ihnen stehen. Ihr Kind braucht neben Ihrer Liebe auch Ihre Anerkennung und Ihr Lob. Es sucht sie förmlich und möchte von Ihnen in seinen Leis-

Übersehen Sie nicht, was Ihr Kind außerhalb der Schule alles leistet . tungen bestätigt werden. Wenn es sich zum Beispiel in der Schule oder beim Sport anstrengt oder zu Hause eifrig mit anpackt, dann tut es das nicht nur allein für sich selbst, sondern auch um Sie, seine Eltern, zu beeindrucken. Seien Sie aufmerksam und beachten Sie auch, was Ihr Kind alles leistet. Bestärken Sie es in dem Gefühl, tüchtig zu sein, und unterstützen Sie sein Streben nach Erfolgserlebnissen. Schießen Sie jedoch nicht übers Ziel hinaus, und machen Sie gute Leistungen nicht zur Bedingung für Ihre Liebe. Ihr Kind braucht die Sicherheit und die Gewissheit, dass Sie es auch dann lieben, wenn es etwas nicht so gut macht. Bei all diesen Veränderungen, die Ihr Kind jetzt erlebt, braucht es Halt und Orientierung. Es tut gut zu wissen, dass wenigstens daheim alles verlässlich ist. Die Familie, die vertraute Wohnung, gewohnte Rituale geben Kindern Sicherheit und sind umso wichtiger, je mehr Umbrüche diese außerhalb erleben. Versuchen Sie als Eltern, Gelassenheit auszustrahlen und geben Sie Ihrem Kind die Zuversicht, dass es den neuen Herausforderungen in der Schule und in der Gruppe der Gleichaltrigen gewachsen ist. Bleiben Sie immer an allem interessiert, was Ihr Kind jetzt bewegt. Beobachten Sie seine Entwicklung und geben Sie neue Impulse, die Ihr Kind auch ein wenig fordern. Interessiert sich Ihre Tochter für Popmusik, so könnte eine Gitarre ihrem Interesse entgegenkommen und sie gleichzeitig auch zum Lernen herausfordern. Achtet Ihr Sohn neuerdings mehr auf sein Äußeres, so könnte Sport ein wichtiger Beitrag zu Fitness, ein paar Muskeln und dem gewünschten „männlichen“ Aussehen werden. Hier können Sie als Eltern die Interessen Ihrer Kinder entsprechend fördern und in sinnvolle Bahnen lenken. 2

Die Weiterentwicklung der Hauptschule Die Mittelschule Die Mittelschule bietet ihren Schülern viele Möglichkeiten: Sie vermittelt allgemeine Bildung und bereitet auf das Arbeitsleben vor. Deswegen ist der Unterricht auch sehr praxisbezogen. In Fächern wie Technik, Wirtschaftslehre oder Hauswirtschaft können die Schülerinnen und Schüler viel für ihren zukünftigen Beruf lernen. Heute ist es längst nicht mehr so, dass der technische Zweig den Jungen und der soziale eher den Mädchen vorbehalten ist. Mehr und mehr durchmischen sich die Rollen und es gibt nach Abschluss der Mittelschule neben männlichen Koch- oder Friseurlehrlingen auch weibliche Metzger- oder Malerlehrlinge. Vor allem das Handwerk ist eine Branche, die von jeher gerne Abgänger der Mittelschule ausbildet. Mit einem halbwegs guten Abschluss und etwas Fleiß muss sich ein Mittelschüler um seine Zukunft also keine Sorgen machen. Ein weiterer möglicher Arbeitgeber ist die Industrie, die zunehmend mehr Facharbeiter benötigt. Und auch das dienstleistende Gewerbe, zum Beispiel Hotels, Friseure oder die Gastronomie, bilden Absolventen der Mittelschule aus. Was ist die Mittelschule? Die Mittelschule ist keine neue Schulart, sondern eine weiterentwickelte Form der bisherigen Hauptschule. Die Mittelschule steht auf drei Säulen: „Stark für den Beruf“, „Stark im Wissen“, „Stark als Person“. Die Mittelschule ist als Einzelschule oder Schulverbund organisiert. Sie umfasst die Jahrgangsstufen 5 bis 9 oder bis 10 und stellt ein breites Bildungsangebot zur Verfügung. Zum Angebot gehören: die drei berufsorientierenden Zweige Technik, Wirtschaft und Soziales, ein Ganztagsangebot und ein Angebot, das zum mittleren Schulabschluss führt. Die Mittelschulen arbeiten eng mit den Berufsschulen, mit der regionalen Wirtschaft und der Arbeitsagentur zusammen. 3

Den Quali kann man nachholen. Die Mittelschule arbeitet mit dem sogenannten „Klassenlehrerprinzip“. Das heißt, dass die Klassenlehrer die Hälfte der Wochenstunden oder mehr in ihrer Klasse unterrichten. Dadurch werden sie für die Schüler zu festen Bezugspersonen, zu denen man auch einmal mit Problemen kommen kann. Die Mittelschule bietet die Möglichkeit, verschiedene Abschlüsse zu erwerben. Erfolgreicher Abschluss der Mittelschule: Er besagt, dass ein junger Mensch praxisnah ausgebildet und lernfähig ist. Qualifizierender Abschluss der Mittelschule: Für diesen höherwertigen Abschluss muss man in der neunten Klasse Prüfungen ablegen. Bei einem Notendurchschnitt von 3,0 (errechnet aus den Prüfungsergebnissen und den Jahresfortgangsnoten) ist der „Quali“ bestanden. Den Abschluss kann man sogar später noch nachholen: Es gibt viele Einrichtungen, die Jugendliche, die es aufs erste Mal nicht geschafft haben oder einfach bisher kein Interesse daran hatten, darauf vorbereiten und mit ihnen lernen. Mittlerer Schulabschluss: Bei guten Leistungen gibt es die Möglichkeit, an der Mittelschule ab der siebten Klasse den Mittlere-Reife-Zug zu besuchen. Hier erwirbt man am Ende der zehnten Klasse mit bestandener Abschlussprüfung den mittleren Schulabschluss. Den jungen Menschen stehen nach der Mittelschule immer noch viele Wege offen. Wer sich weiter qualifizieren möchte und die erforderlichen Noten hat, der kann eine weiterführende Schule besuchen. Auch über die Berufsausbildung kann man einen höheren Schulabschluss erwerben. Ein Beispiel: Eine Mittelschulabgängerin macht eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Wenn sie die Prüfung mit dem erforderlichen Notenschnitt besteht, erwirbt sie damit auch gleichzeitig die Mittlere Reife und kann sich damit zur Erzieherin weiterqualifizieren. Dies wiederum ermöglicht ihr den Weg zum fachgebundene Abitur und anschließend zum Studium in diesem Fachbereich. Solche Berufswege sind heute keine Seltenheit mehr! 4

Wenn Eltern zu ehrgeizig sind, reagieren manche Kinder mit Verweigerung. Keine Lust zum Lernen? Grundsätzlich lernen Kinder gerne. Sie möchten die Welt begreifen und sind neugierig. Aber gilt das auch noch für größere Kinder? Mit dem Ende der Grundschulzeit nimmt bei manchen Kindern die Motivation zum Lernen oder Lesen beständig ab. Sie werden phlegmatisch und träge, lernen nur noch, weil sie glauben, lernen zu müssen, nicht, weil es sie interessiert: Dienst nach Vorschrift also. Woran kann es liegen, dass bei manchen Kindern die Motivation so stark absinkt? Woher kommen die Blockaden, was hindert Kinder daran, wissbegierig zu bleiben? ständig und trauen sich selbst nicht mehr viel zu. Außerdem geben sie die Verantwortung für ihre Leistungen an ihre Eltern ab: Sie haben ja alles gemacht, was ihnen gesagt wurde und mehr kann keiner von Wenn Eltern zu stark auf das Lernen der Kinder Einfluss nehmen, wirkt sich das oft schädlich auf die Motivation aus. Die Kinder werden unselbstihnen verlangen. Aber auch das Gegenteil, nämlich mangelndes Interesse der Eltern an den schulischen Be- © Pexels / Pixabay.com 5

Vorschläge statt Vorgaben. langen, kann Kindern das Gefühl geben, dass Schule und Lernen nicht so wichtig sind. Auch Notendruck und Überforderung können eine Lernblockade nach sich ziehen. Die Erfahrung, trotz Lernens doch nur schlechte oder bestenfalls mittelmäßige Noten zu bekommen, frustriert Kinder. Lob ist wichtig, sollte aber nicht wahllos sein. Kinder, die ständig und für alles gelobt werden, lernen nicht richtig einzuschätzen, was nun wirklich gut war und was nicht. Sie haben keine Lust, sich kniffligen Aufgaben zu stellen, an denen sie scheitern könnten. Wie können Sie Ihr Kind dabei unterstützen, sich selbst zu motivieren? Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, was die Gründe für sein Desinteresse sind. Versuchen Sie mit ihm gemeinsam das Problem anzugehen. Kleine Belohnungen können helfen, sich aus einem Motivationstief zu befreien. Ihr Kind soll sich ruhig selbst Gedanken darüber machen, wie es sich – etwa für mit Sorgfalt gemachte Hausaufgaben – belohnen könnte. Musik hören, Freunde treffen oder Skateboard fahren könnten solche Möglichkeiten sein. Geben Sie Ihrem Kind Anregungen, was es über die Schule hinaus machen könnte. Aber lassen Sie es selbst entscheiden. Nehmen Sie Ihren Sohn mit in eine Leihbücherei, aber lassen Sie ihn selbst entscheiden, wofür er sich interessiert. Regen Sie Ihre Tochter an, Sport zu treiben, aber machen Sie keine Vorgaben, wie und wo das geschehen soll. Erklären Sie Ihrem Kind, wofür es lernt und wie es das Wissen in der Praxis anwenden kann. So kann man auch einmal den Text eines Popsongs übersetzen oder im Laden den Rabatt ausrechnen. 6

werden öfters abDie Eltern geblockt . Das geht euch nichts an! Prangt außen an der Kinderzimmertür ein Schild mit der Aufschrift: „Zutritt verboten!“? Das wäre nicht untypisch für das jetzige Alter Ihres Kindes. Nehmen Sie das Verbot nicht persönlich. Kinder grenzen sich damit von den Erwachsenen ab. Sie geben zu verstehen, dass sie sich ihrer Privatsphäre bewusst sind und darin auch respektiert werden wollen. Eltern können sich vielleicht gar nicht so genau vorstellen, worin wohl die Privatsphäre eines Zehn- oder Elfjährigen bestehen mag. Doch es gibt da schon eine ganze Menge Dinge, die Kinder jetzt nicht mehr jederzeit mit den Eltern teilen möchten. Da sind zum einen die körperlichen Veränderungen – beim einen Kind mehr, beim anderen weniger. Egal, ob schon ein Schamhaar zu sehen ist oder nicht, viele Mädchen und Jungs möchten sich in diesem Alter nicht mehr so gerne vor den Eltern ausziehen. Die heranwachsenden Kinder sind aufgrund ihrer Veränderungen sehr verunsichert und mögen nichts weniger als interessierte Blicke oder gar Bemerkungen darüber. Darum empfiehlt es sich für El7

aus Neugier in den Sachen Ihres Kindes herum. Schnüffeln Sie nicht tern, beim Betreten des Kinderzimmers anzuklopfen. Sie zeigen damit, dass Sie Ihre Kinder respektieren und vermeiden außerdem peinliche Situationen, wenn etwa Ihr Kind sich gerade umzieht oder vor dem Spiegel posiert. Jetzt beginnen bei manchen Mädchen auch die ersten Schwärmereien. Es kann ein aktueller Popstar sein, auf den sich nun die Wünsche und Sehnsüchte richten, aber auch einfach einer der Mitschüler. Solche Geheimnisse werden allenfalls dem Tagebuch anvertraut. Dort sollten sie auch bleiben. Widerstehen Sie der Versuchung, heimlich darin zu lesen. Auch wenn Ihr Kind Sie nicht dabei ertappt, so zerstört es doch das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Kind. © Mabel Amber / Pixabay.com Auch Smartphones sollten nicht einfach so kontrolliert werden. Wenn Sie den Verdacht oder die Angst haben, dass Ihr Kind tatsächlich etwas Jugendgefährdendes auf seinem Handy gespeichert hat, sprechen Sie es darauf an und bitten Sie es, gemeinsam nachzusehen. Die Neugier mancher Eltern ist nicht böse gemeint. Sie entspringt oft der Sorge um die Kinder und der Angst, dass sie sich mit den falschen Freunden abgeben oder sonst wie in Gefahr geraten könnten. Ein besserer Schutz gegen solche Gefährdungen ist Aufklärung: Ihr Kind sollte über die Gefahren, die zum Beispiel im Internet lauern, Bescheid wissen. Am wichtigsten ist aber immer noch ein intaktes Vertrauensverhältnis zwischen Kindern und Eltern. Ihr Kind weiß, dass es jederzeit und mit allem zu Ihnen kommen kann. Und das ist das Allerwichtigste. 8

Die Jüngeren fühlen sich abgelehnt . Rivalität unter Geschwistern Vor wenigen Wochen noch waren Ihre große und Ihre kleine Tochter ein Herz und eine Seele, spielten hingebungsvoll über Stunden zusammen und nun funktioniert es mit einem Mal nicht mehr. Die Große ist ungeduldig. Die Kleine ist ihr viel zu kindisch und überhaupt ganz doof. Diese Situationen kennen Sie vielleicht aus früheren Phasen, als das größere Kind einen Entwicklungssprung machte und das kleinere einfach nicht so schnell hinterherkam. Mit dem Eintritt in eine weiterführende Schule machen Kinder ebenfalls oft einen Entwicklungsschritt. Die Kinder geben sich zu Hause mit einem Mal ungeheuer groß und erwachsen. Und die kleine Schwester weiß gar nicht, was los ist. Sie ist traurig und fühlt sich abgelehnt. Vielleicht läuft sie der Großen hinterher und versucht doch vergeblich, ihre Gunst zurückzugewinnen. Bei zwei Söhnen verhält sich das nicht anders und auch bei gemischten Geschwisterpaaren gibt es immer wieder solche kleinen Krisen. Es ist nicht ganz leicht, als Mutter oder Vater einfach dabei zuzusehen. Das kleinere Kind tut einem meistens leid, das größere empfindet man als gemein oder zumindest unfreundlich. Vielleicht gelingt es Ihnen trotzdem, in die Situation nicht gleich einzugreifen, sondern erst einmal genauer hinzusehen: Das ältere Kind Das ältere Kind hat gerade viel mit sich zu tun. In seiner neuen Schule sieht es fast nur größere Kinder, es ist ja in der untersten Klasse. Und die großen Kinder gehen mit den kleineren nicht eben sanft um. Da wird man schon mal als „Baby“ bezeichnet oder als „Zwerg“. So wetteifern Fünftklässler oft im Bemühen, möglichst erwachsen, möglichst cool zu erscheinen. Und da passt so ein jüngeres Geschwister oft gar nicht ins Selbstbild. Auch wenn Ihr Großer sich noch so gerne mit der kleinen Schwester in den Sandkasten setzen würde, er würde es sich niemals eingestehen – und wenn doch, dann würde er darauf achten, dass ihn ja keiner seiner Kumpels dabei sieht. Sie sehen schon, auch die großen Kinder haben es hier nicht leicht. 9

So harmonisch geht es nicht immer zu. © Sven Lachmann / Pixabay.com Das jüngere Kind Für die Jüngeren ist es sehr wichtig, von ihren größeren Geschwistern akzeptiert zu sein. Neben den Eltern sind sie ihre wichtigsten Bezugspersonen. Anders als die Eltern sind Geschwister im Umgang allerdings meist sehr viel direkter. So hat Ihr jüngeres Kind bestimmt gelernt, gehörig einzustecken und auch einmal zurückgewiesen zu werden. Aber es lässt sich in der Regel nicht abhalten, sich immer wieder um sein größeres Geschwister zu bemühen. Und oftmals ist es dabei auch erfolgreich. In Situationen, in denen keine Freunde erreichbar sind, wie etwa im Urlaub oder beim Besuch bei der Oma, sind die Geschwister meist wieder willkommene Spielgefährten. Die Entwicklung von Kindern verläuft nicht gleichmäßig, sondern in Schüben. Und so kann es sein, dass Ihre Kinder entwicklungsmäßig einmal sehr nah beieinander sind, aber sich dann auch wieder voneinander entfernen. 10

seine eigenen Jeder hat Freunde. Wie können Sie als Eltern hier stützend eingreifen und etwas für den Familienfrieden tun? Denn streitende Kinder leiden nicht nur selbst, sie können auch den anderen Familienmitgliedern mit ihrem Gezanke gehörig auf die Nerven gehen. Achten Sie darauf, dass jedes Ihrer Kinder seinen eigenen Bereich hat. Wenn sie ein Kinderzimmer teilen, sollte jedes zumindest eine eigene Ecke haben, die ihm „gehört“ und wo es seine persönlichen Dinge aufbewahren kann. Auch bei Geschwistern, die altersmäßig sehr nahe beisammen sind, ist es gut, wenn jedes der Kinder seine eigenen Freunde hat. So sind sie in Phasen, in denen sie sich nicht riechen können, nicht so aufeinander angewiesen. Behandeln Sie Ihre Kinder nicht alle gleich. Berücksichtigen Sie, dass Ihr älteres Kind in seiner Entwicklung weiter ist und gewähren Sie ihm auch ein paar Privilegien. So könnte es zum Beispiel sein, dass das ältere Kind abends etwas länger aufbleiben darf. Dann muss es nicht immer wieder beweisen, dass es „größer“ ist. Bleiben Sie immer möglichst unparteiisch. Respektieren Sie den Wunsch des einen Kindes nach Abgrenzung ebenso wie den Wunsch des anderen nach Anerkennung und Kontakt. Versuchen Sie aber klarzumachen, dass man die Zuwendung des Bruders oder der Schwester leider nicht erzwingen kann. Achten Sie auch auf sich: Die geduldigsten Eltern sind es irgendwann leid, wenn ihre Kinder streiten. Wenn es Ihnen zu bunt wird, fordern Sie die Kinder auf, jetzt einmal Abstand zu halten und Ihnen eine kleine Ruhepause zu gönnen. Manchmal funktioniert das ganz gut. 11

für die erste Probelauf Liebe. Starkult im Kinderzimmer Die Namen sind austauschbar: Vor Jahren hießen die Teeniestars Robbie Williams oder Tokio Hotel, anschließend war es der kanadische Sänger Justin Bieber, der Mädchen zwischen zehn und 14 regelmäßig in Ohnmacht fallen ließ. Und bald wird ein anderer Star am Pophimmel auftauchen, der die kleinen Teenies in Verzückung geraten lässt. Es sind vor allem die Mädchen, die auf Popstars abfahren und den Starkult pflegen. Während die Jungs sich allenfalls ein paar Bilder von Fußballstars an die Wand kleben, pflastern die Mädchen ihre gesamten Zimmerwände mit Postern ihres Lieblings. Sie schauen sich immer wieder seine neuesten Clips an, folgen ihm auf diversen Social-MediaPlattformen wie Instagram, Snapchat, YouTube oder Facebook und sind überglücklich, wenn sie mit einem nervenstarken Erwachsenen zu einem seiner Konzerte gehen dürfen. Kreischend und bewaffnet mit Plüschtieren liegen sie ihrem Star dann zu Füßen. Sie finden das befremdlich und zweifeln am Verstand Ihrer Tochter? Das müssen Sie nicht. Die Schwärmerei gehört zu (prä-) pubertierenden Mädchen wie Pickel oder Stimmungsschwankungen auch. Es ist, so Experten, ein Probelauf für die ersten Liebesgefühle. Die Mädchen erleben die erste Liebe aus sicherer Distanz. Der Schwarm lässt sich ohne Risiko anhimmeln, es gibt keine echten Dates, keine realen Begegnungen, keinerlei Annäherungen und natürlich auch keine Verletzungen. Und alle Gefühle sind erlaubt, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Keine Sorge, irgendwann hört die Schwärmerei von selbst wieder auf. Spätestens dann, wenn die Mädchen 14 oder 15 Jahre alt sind, verschwinden die Poster wieder von den Wänden, die Aufkleber und Postkarten landen im Papierkorb. Auch das Abspielen des immer gleichen Songs hört auf – der Starkult ist vorbei. Möglicherweise hat sich Ihre Tochter dann zum ersten Mal richtig verliebt. © Foundry / Pixabay.com 12

WÜRG, RÖCHEL, ARRRRGH!!! Was liest du denn da? Ihr Kind sitzt in der Ecke und schmökert. Vielleicht steckt es seine Nase in ein Comic-Heft oder auch in eine der vielen Jugendzeitschriften. Sie können es kaum glauben und fragen sich, was passiert ist? Ihr Kind, das bis vor kurzem freiwillig nie ein Buch angefasst hat, ist von heute auf morgen zu einer Leseratte geworden? Zur anfänglichen Freude darüber, dass Ihr Kind vielleicht endlich das Lesen für sich entdeckt hat, gesellen sich Zweifel, wenn Sie merken, dass sich der Sohn nur mit Comics befasst. Sie befürchten, dass er künftig nur noch auf dem Niveau von „Zack“, „Peng“ und „Seufz“ kommunizieren wird. Aber diese Sorge ist unbegründet, denn nicht alle Comics sind sprachlich komplett anspruchslos. Die schlichteren Comic-Hefte können immerhin ein guter Einstieg sein. Fakt ist, dass die meisten Kinder und Jugendliche Comics mögen. Sie tauschen sich auf dem Schulhof darüber aus und leihen sich die Hefte gegenseitig aus. Was tun, wenn das Kind rassistische oder sexistische Comics liest? Keine vorschnellen Vorwürfe machen! Klären Sie erst einmal ab, was das überhaupt ist, was Ihr Kind da immer liest. Leihen Sie sich eines der Hefte aus und lesen Sie es selbst. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber. Sprechen Sie vor allem Stellen an, die Sie als grenzwertig empfinden. Achten Sie auf die Comicsprache und machen Sie Ihr Kind darauf aufmerksam! Suchen Sie gemeinsam nach Alternativen. Es gibt auch intelligent getextete Comics. Falls Sie aneinander vorbeireden oder mit Ihrem Kind nicht in Kontakt kommen, suchen Sie sich Rat und Hilfe bei einer Erziehungsberatungsstelle oder Ihrem zuständigen Jugendamt. 13

Sehen Sie sich die Comic-Hefte einfach einmal genauer an. Jungen sind häufiger an Action-Comics interessiert als Mädchen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Denn es gibt hier Comics, die Gewalt verherrlichen oder sexistische und rassistische Inhalte haben. Bei Mädchen liegen die Interessen meist anders. Plötzlich landen anstatt der bisherigen Pferdezeitschrift plötzlich typische Jugendmagazine wie die „BRAVO“ im Einkaufswagen. Zu Hause verkriecht sich Ihre Tochter dann in ihrem Zimmer und beschäftigt sich eingehend mit der neuesten Mode, dem angesagtesten Makeup und den unvermeidlichen Liebestipps. Sie finden, diese Themen seien noch nichts für Ihre Tochter, weil sie dafür eigentlich noch zu jung ist? Damit haben Sie zwar vermutlich Recht, dennoch sollten Sie sich nicht zu einem strikten Verbot hinreißen lassen. Aus eigener Erfahrung wissen Sie ja, dass Verbote die Sache nur noch interessanter machen. Sprechen Sie mit der Tochter über Ihre Zweifel. Sagen Sie ihr, was genau Sie an den Heften nicht gut finden. Sehen Sie sich um, was es auf dem Markt sonst noch gibt und bieten Sie ihr eine bessere Alternative an. Irgendwann wird Ihre Tochter natürlich doch zur BRAVO oder einer ähnlichen Zeitschrift greifen. Aber dann wird sie älter und reifer sein und die Informationen besser einordnen können. Zwar gibt es auch Mädchen, die Action-Comics oder Jungen, die Jugendmagazine lesen. Doch meistens verhalten sich Kinder, die auf dem Sprung in die Pubertät sind, ganz besonders rollenkonform: Die Jungs wollen echte Kerle sein und die Mädchen extra weiblich. 14

Mangas: von harmlos bis blutrünstig, von nett bis pornograf isch . Vorbild Japan: Manga-Comics Übergroße Kulleraugen, spitze Näschen, bunte Haare – die extrem auf süß getrimmten Manga-Figuren gehören in Japan schon lange zum Alltag. Es gibt sie für die verschiedensten Zielgruppen: Jungen, Mädchen, Kleinkinder oder auch Senioren. Auch im Erotikbereich sind Mangas vertreten. Der Begriff selbst stammt aus dem Japanischen und setzt sich zusammen aus „man“ = bunt gemischt/ kunterbunt und „ga“ = Bild. Mangafiguren sind die perfekten Helden: Sie bekämpfen Monster und Bösewichte in einer fantastischen, halbrealen Welt. Die Geschichten handeln in der Regel von Liebe und Freundschaft, von Hass und Intrigen. Die Geschichten können blutrünstig und sexuell überaus freizügig gezeichnet sein. Hier gilt es, genau hinzuschauen. Besprechen Sie die Comics mit Ihrem Kind und erklären Sie, warum Sie sexistische oder rassistische Darstellungen prinzipiell für gefährlich halten. Manga-Comics erreichen mittlerweile auch in Deutschland hohe Auflagen. Auf der Frankfurter oder auch der Leipziger Buchmesse haben sie sich bereits ganze Messebereiche erobert. Sie werden als „Anime“ verfilmt, es gibt sie als Videospiele, Spielkarten und sie lassen sich aufs Handy laden. Besonders Kinder und Jugendliche „fahren darauf ab“. Ähnlich wie bei anderen Jugendkulten werden manche Jugendliche regelrecht vom Manga-Fieber gepackt und schlüpfen, so oft es geht, in die Rolle ihrer Lieblingsfigur. Bei sogenannten Cosplay-Treffen tragen sie Perücken, schminken sich nach Manga-Art und kleiden sich wie ihre Helden. Es gibt sogar eigene CosplayWettbewerbe. Wer seiner Figur am ähnlichsten sieht, hat vielleicht sogar die Chance auf den Hauptgewinn: eine Reise ins Manga-Heimatland Japan. 15

B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim OnlineRatgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Die Mittelschule Infos zum Thema Mittelschule oder Mittlere-Reife-Zug finden sich auf der Homepage www.km.bayern.de/schueler/ schularten/mittelschule.html des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Auch die Webseite der Staatlichen Schulberatung liefert gute Informationen: www.km.bayern.de/ministerium/ institutionen/schulberatung.html Erziehungs-/Familienberatung Erziehungs- oder Familienberatungsstellen und psychologische Beratungsstellen gibt es in nahezu jeder Stadt. Hier finden Sie kostenlos Unterstützung. Die Mitarbeitenden stehen unter Schweigepflicht. Die Adressen erfahren Sie im Telefonbuch oder im Internet. Eine regionale Übersicht finden Sie unter www.erziehungsberatung.bayern.de sowie www.lag-bayern.de/erziehungsberatung Auch Ihr zuständiges Jugendamt kann weiterhelfen. Im nächsten Elternbrief: – Fehler korrigieren erlaubt – Wie entschuldigt man sich richtig? – Rund um die Schule: Die Realschule – Falsche Schulwahl – Der neue Schulweg – Die Daily Soap – Popstar oder Topmodel? – Wenn Menschen sterben... Die Elternbriefe werden gefördert durch: 37 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202137

RkJQdWJsaXNoZXIy MzcwMzIy