- - - - - - - - Kinder sind manchmal laut, unordentlich , fordernd . B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 34 INHALT Stress lass nach! In der dritten oder vierten Klasse steigt für Ihr Kind der Erwartungsdruck: Auf welche Schule werde ich wohl ge hen? Wie wird es dort sein? Werde ich neue Freunde fin den? Auch Sie als Eltern spüren das. Sie machen sich Ge danken über die Zukunft Ihres Kindes. Wird es in der neu en Schule zurechtkommen? Wird es den Anforderungen ge nügen? Nehmen Sie Druck raus! Die Schule ist nur ein Teil des Lebens und sollte für 9 Jahre 4 Monate 1 Kleine Nervensägen 4 Welcher Lerntyp ist Ihr Kind? 6 Die leidigen Noten 8 „Komm, lass uns reden!“ Übe r t r i t t LEISTUNG Gute Noten ERFOLG lich. Schwierig wird es erst, wenn 9 Vorsicht, Kind hört mit! 11 Abrupter Kurswechsel 13 Immer dieses Chaos! 15 „Mein Kind mag kein Fleisch!“ Ihr Kind nicht alles ande re überschatten. Stärken Sie Ihr Kind! Je selbstbe wusster es an seine künf tigen Aufgaben herangeht, desto wahrscheinlicher ist sein Erfolg. Der Alltag mit Kindern ist schön, aber manchmal auch schön anstrengend. Kinder sind oft laut, unruhig, unordentlich und ziemlich fordernd. Das ist an sich kein Problem, denn die Kinder sind ja nicht ständig so. Genauso oft sind sie lieb, freundlich und umgängauch Sie nicht gut drauf sind. Weil Sie einen anstrengenden Jobhaben, weil Sie noch weitere Kinder zu versorgen haben, oder weil es momentan in Ihrer Partnerschaft nicht so gut läuft. Gründe für Unausgeglichenheit gibt es viele. - Briefe
Stellen Sie Ihr Kind nicht mit dem Fernseher ruhig. © Vidmir Raic / Pixabay.com Ihr Ältester kommt aus der Schule: Aufgedreht saust er in der Wohnung herum, pfeffert seine Schultasche in die Ecke, lässt alles stehen und liegen und ist schon wieder unterwegs zum Spielen. Wenn so etwas gelegentlich vorkommt, ist das kein Grund zur Aufregung. Aber wenn sich dieses Verhalten einschleift? Wenn Ihr Kind ständig in Bewegung ist und überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommt? Beobachten Sie es und versuchen Sie herauszufinden, was mit ihm los ist. Hat es Stress in der Schule? Kommt es mit dem zunehmenden Druck nicht gut zurecht? Oder gibt es Probleme mit seinen Freunden? Wenn der Druck zu groß wird, reagieren manche Kinder, so wie auch manche Erwachsene, über. Sie suchen sich ein Ventil, was sich dann nicht selten motorisch äußert. Sie sind unruhig und können nicht still sitzen. Aber deswegen muss Ihr Kind noch lange kein Zappelphilipp sein oder an AD(H)S leiden (vgl. Elternbrief 25). Überforderte Kinder brauchen oft nur ein bisschen mehr Ruhe, Halt und Orientierung. Seien Sie selbst klar. Stellen Sie eindeutige Regeln auf und ziehen Sie für den Fall, dass diese umgangen werden, klare Konsequenzen. 2
Eigene Bedür fnisse wahrnehmen, Stress abbauen. Nervöse Kinder, kleine wie große, können für die Eltern sehr anstrengend sein. Wenn Schule und Familienleben gut laufen sollen, brauchen Eltern eine ganze Menge Energie – und Ruhe. Sorgen Sie denn auch genügend für Ihre eigenen Bedürfnisse? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Stress abzubauen und Entspannung zu finden. Musikhören oder Joggen sind sehr beliebt, wenn es darum geht, den Kopf wieder frei zu bekommen. Aber kennen Sie denn auch gezieltere Entspannungsmethoden wie zum Beispiel das Autogene Training oder die Progressive Muskelentspannung? Beides erlernt man am besten in einem Kurs bei der Volkshochschule oder einem anderen Bildungsträger. Besonders wenn Sie unter Schlafstörungen leiden, sind diese Techniken empfehlenswert. Sie helfen dabei, innerhalb kurzer Zeit optimal abzuschalten und sich zu erholen. Neben Kursen sind auch Entspannungs-CDs hilfreich. Sie sind im Buchhandel erhältlich und leiten ihre Hörer an, sich zu entspannen und den Alltag loszulassen. Die Anleitungen sind in der Regel mit beruhigender Musik untermalt. Wenn Sie sich hinlegen und die Augen schließen, können Sie sich am besten darauf konzentrieren und sich entsprechend gut erholen. Finden Sie heraus, was Ihnen guttut! Ob Yoga oder Schaumbad, Entspannungstraining oder Lieblings-CD – wichtig ist, dass Sie auf sich selbst achten und Ihr Gleichgewicht finden. Denn: Entspannte Eltern sind auch entspannte Erzieher! 3
► ► Welcher Lerntyp ist Ihr Kind? Ihr Sohn soll für die Schule ein Gedicht auswendig lernen, aber anstatt es mehrfach durchzulesen und zu wiederholen, springt er immer wieder auf und tigert durchs Zimmer. Ihre Tochter soll für Heimat- und Sachkunde lernen, wie ein Ohr aussieht und funktioniert – dabei ist sie die ganze Zeit am Reden und führt Selbstgespräche! Möglich, dass Ihre Kinder instinktiv schon genau das Richtige tun. In der Lernforschung unterscheidet man nämlich zwischen unterschiedlichen Lerntypen: dem Sehtyp, Hörtyp und dem Bewegungstyp. Je nach Veranlagung kann ein Kind sich Dinge besser merken, wenn es sie hört oder wenn es sie liest. Oder es braucht Bewegung, um sich konzentrieren zu können. Wenn Sie also merken, dass Ihr Kind in die eine oder andere Richtung neigt, ermutigen Sie es, auch seine Lernmethoden danach auszurichten: Der Sehtyp kann sich Dinge gut merken, die er liest oder sich aufschreibt. Gerade beim Abschreiben von Texten können solche Kinder sich Wissen gut einprägen. Lerntipp: Schaubilder malen, schwierige Wörter auf kleine Zettel schreiben und gut sichtbar aufhängen! Der Hörtyp prägt sich am besten ein, was er hört. Solche Kinder können sich gut erinnern, was im Unterricht gesprochen wurde – vorausgesetzt, sie haben aufgepasst. Auch Liedtexte, etwa aus dem Radio, sind für solche Kinder meist kein Problem, weil sie sie immer wieder hören. Lerntipp: Selbstgespräche führen, sich Zusammenhänge immer wieder selbst erklären! Manchmal kann auch eine kleine Melodie helfen, sich Sachen besser zu merken. Die Lernprofis machen eigene Tonaufnahmen, die sie sich dann immer wieder vorspielen. Sehtyp: Notizzettel aufhängen. © Reisetante /Pixabay.com 4
► Lernen ist auf viele Ar ten möglich . © Pexels / Pixabay.com Der Bewegungstyp kann einfach nicht still sitzen bleiben. Diese Kinder sollten sich, wenn sie sich etwas einprägen, bewegen dürfen. Die Lerninhalte bleiben im Zusammenhang mit Bewegungsabläufen einfach besser im Gedächtnis haften. Lerntipp: Den Raum nutzen, etwa fertige Arbeiten auf einen Stapel in eine andere Zimmerecke bringen oder nach jeder Aufgabe eine kleine Runde durch die Wohnung gehen. Das Einmaleins kann auch auf einem Spaziergang geübt werden, oder Ihr Kind darf bei jeder richtigen Antwort einen Sprung nach vorne machen. Tipps fürs Lernen Pausen machen Pausen gehören zum Lernen, damit sich das Gelernte setzen kann und Ihr Kind nicht zu schnell erschöpft ist. Lernstoff unterteilen In kleinen Häppchen lernt es sich leichter. Wenn der Lernstoff nicht wie ein riesiger Berg vor ihm liegt, verliert Ihr Kind auch nicht so schnell den Mut. Sich selbst belohnen Ihr Kind sollte auch lernen, sich selbst zu belohnen. Und das nicht nur am Ende einer langen Hausaufgabe, sondern auch für wichtige Zwischenschritte: ein Apfel nach Mathe, nach dem Deutschaufsatz mal kurz auf die Schaukel – und schon geht’s besser. 5
► ► Eine schlecht och kein Note ist n Beinbru ch . e Die leidigen Noten Spätestens seit der zweiten Klasse ist Ihr Kind mit Noten konfrontiert. Nach jeder Probe erfährt es, ob es „gut“, „sehr gut“ oder „befriedigend“ war, oder vielleicht doch nur ein „ausreichend“, „mangelhaft“ oder „ungenügend“ erhält. Mit dem Fortschreiten in der Grundschule steigen die Anforderungen und auch der Notendruck. Spätestens in der vierten Klasse haben die meisten Kinder verstanden, dass Noten entscheidend für ihr Weiterkommen sind. Aber so unterschiedlich wie die Kinder sind, gehen sie auch mit dem Thema Noten um. Ehrgeizige Kinder Diese Kinder lernen vor jeder Probe fleißig. Ist das Ergebnis am Ende entsprechend gut, freuen sie sich über die Maßen. Aber auch schlechte Noten entmutigen diese Kinder normalerweise nicht. Im Gegenteil, sie sagen sich „Jetzt erst recht!“ und versuchen den Misserfolg bei der nächsten Gelegenheit auszubügeln. Tipp für die Eltern: Ist das Kind doch einmal zu verzweifelt, um sich selbst zu motivieren, so loben Sie es und bestärken Sie es darin, weiterzumachen. Gleichgültige Kinder Diese Kinder reagieren gar nicht und lassen alles an sich abprallen. Weder Schimpfen noch Aufbauen scheint sie zu erreichen. Sie haben völlig auf Abwehr geschaltet. Sie wollen sich nicht mit ihren schlechten Noten und deren Konsequenzen beschäftigen. Die Ursachen liegen vielleicht in der Unfähigkeit, sich auseinanderzusetzen oder im hohen Erwartungsdruck vonseiten den Eltern. Tipp für die Eltern: Seien Sie geduldig und versuchen Sie gemeinsam mit dem Kind, die Ursachen für die Misserfolge herauszufinden. Erklären Sie, warum es mit seiner Einstellung nur wenig Erfolg haben kann. Machen Sie klare Ansagen und geben Sie Ihrem Kind eine Arbeitsstruktur vor. Helfen Sie ihm, eine konsequente Arbeitshaltung zu erlernen. 6
Ihr Kind traut sich nichts mehr zu. ► © Myriam Zilles / Pixabay.com Frustrierte Kinder Diese Kinder befinden sich in einem Teufelskreis: Sie schreiben häufiger schlechte Noten, verlieren die Lust am Lernen und versagen wieder. Es fehlt ihnen an der realistischen Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit und positivem Selbstwertgefühl. Tipp für die Eltern: Versuchen Sie herauszufinden, ob die schulischen Anforderungen generell zu hoch sind oder ob nur die Arbeitsweise des Kindes nicht zielführend ist. Unterstützen Sie es durch Abfragen und loben Sie es bei jeder richtigen Antwort. Schrauben Sie die Erwartungen herunter. Auch die Verbesserung auf eine knapp verpasste Vier ist ein lobenswerter Fortschritt! Blockierte Kinder Sie stehen total unter Druck und erwarten oft zu viel von sich. Meist wollen sie in allen Fächern sehr gut sein. Dadurch baut sich ein immenser Druck auf, der die Kinder komplett blockiert. Dies führt zur Verunsicherung und letztlich zum Versagen. Tipp für Eltern: Sprechen Sie in der Familie nicht ständig über Noten. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass Schule und Noten nicht alles sind im Leben, und dass auch eine schlechte Note verkraftbar ist. Erst wenn der Druck nachlässt, kann Ihr Kind wieder angstfrei lernen. Fragen Sie sich: Welche Stärken hat mein Kind, welche positiven Eigenschaften schätzt mein Kind an sich selbst? 7
Bleiben Sie am Bett sitzen. „Komm, lass uns reden!“ Reden Sie mit Ihrem Kind oder Ihren Kindern? „Na klar“, werden Sie sagen, „natürlich rede ich mit meinen Kindern“. Und dabei meinen Sie bestimmt mehr als ein gelegentliches „Tu dies“ oder „Lass das, bitte“. Reden bedeutet mehr, als nur die Tagesorganisation miteinander abzustimmen. Mehr, als nur kurze Informationen auszutauschen: „Wie war’s heute in der Schule?“ – „Geht so.“ Gespräche in der Familie können so viel mehr sein. Zum Beispiel abends am Bett Ihres Kindes: Da wird es oft noch einmal richtig gesprächig! Der vergangene Tag geht ihm durch den Kopf und der Tag, der morgen vor ihm liegt. Wenn es im kuscheligen Bett liegt, ist es auch näher an seinen Gefühlen, es kommt zur Ruhe, nichts lenkt mehr ab. Nehmen Sie sich die Zeit und bleiben Sie öfter mal ein paar Minuten sitzen. Vielleicht werden Sie Dinge über Ihr Kind erfahren, wird es Ihnen Gedanken und Gefühle mitteilen, die sonst in der Hektik des Alltags untergegangen wären. Gibt es bei Ihnen während der Woche gemeinsame Mahlzeiten? Dann sind diese eine gute Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Gerade über die aktuellen Ereignisse erzählen Kindern gerne beim Essen. Sie kommen von der Schule, vom Hort, vom Spielen und haben eine Menge zu berichten. Springen Sie nicht vorzeitig auf, um den Tisch abzuräumen, bleiben Sie ruhig noch etwas sitzen, wenn Ihre Kinder und Sie gerade über ein interessantes Thema reden. Dann gibt es auch die Gespräche, die sich so nebenbei ergeben: Beim Wäscheaufhängen zum Beispiel, wenn Sie in der Küche herumwirtschaften oder auch, wenn Sie zusammen unterwegs sind. Ihr Kind rückt dann so langsam mit dem heraus, was es auf dem Herzen hat: Eine verpatzte Schularbeit etwa oder großen Kummer mit der besten Freundin. Haben Sie auch hier ein offenes Ohr für Ihr Kind. Sicher gibt es auch bei Ihnen diese gemütlichen Stunden auf dem Sofa, in denen es Zeit und Muße für längere Unterhaltungen gibt. Besonders die Abende, wenn Ihr Kind am nächsten Tag nicht aufstehen muss, oder 8
Erzählen Sie davon, als Sie selbst noch ein Kind waren. auch ein verregneter Sonntag laden dazu ein. Haben Sie Ihrem Kind schon einmal erzählt, was Sie so gemacht haben, als Sie in seinem Alter waren? Oder wie Sie früher erzogen worden sind? Besonders fasziniert sind Kinder oft von den Veränderungen im Alltag, zum Beispiel, dass es, als die Eltern klein waren, noch kein Internet gab und Kinder noch kein Handy hatten. Noch aufregendere Geschichten können die Großeltern erzählen: vom Schwarz-WeißFernsehen mit nur drei Programmen – ohne Fernbedienung! Lassen Sie auch Ihre Kinder erzählen: von ihren Freunden, von den Lehrern, darüber, was sie gerne haben würden oder welche Stars sie toll finden. Die Träume, Wünsche und Hoffnungen Ihrer Kinder sind doch spannender als jeder Fernsehkrimi! Vorsicht, Kind hört mit! Welche Gesprächskultur Ihr Kind entwickelt, hängt auch davon ab, wie es Sie als Eltern erlebt. Reden Sie miteinander? Gibt es noch Gespräche, die länger als fünfzehn Minuten dauern? Geht es dabei um Alltägliches, um Aufgaben, die noch zu erledigen sind, oder reden Sie auch über sich, über Ihre Beziehung, Ihr gemeinsames Leben? Und wenn Sie allein erziehen: Gibt es Menschen, denen Sie sich anvertrauen können? Es ist wichtig für Kinder zu erleben, dass auch Große miteinander reden. Allerdings ist nicht alles, worüber man sich so austauscht, für Kinderohren geeignet. Vielleicht haben Sie sich gerade sehr über Ihre Mutter geärgert und möchten mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner darüber sprechen. Für Ihr Kind allerdings kann es sehr aufwühlend sein, wenn sich Papa oder Mama über die geliebte Oma beschweren. Wenn Sie untereinander Konflikte austragen, achten Sie darauf, wie das bei Ihrem Kind ankommt. Kleinere Reibereien zwischen seinen Eltern kann es wohl wegstecken, aber größere Strei9
Es belastet Kinder, wenn sie etwas nicht weitererzählen dür fen. tigkeiten sollten Sie nicht vor Ihrem Kind austragen. Auch abschätzige Bemerkungen über andere sind für Kinder oft schwer zu verarbeiten. Sie führen dazu, dass Ihr Kind seinen Respekt verliert: Wenn Sie Ihre Frau abwerten, wieso sollte Ihr Kind dann noch auf die Mama hören? Wenn Sie immer über Ihren Mann schimpfen, warum sollte Ihr Kind dann zum Papa noch freundlich sein? Wenn es Ärger gibt, sollten Sie lieber zweimal überlegen, ob Ihr Kind dieses Gespräch miterleben soll oder nicht. Aber auch Dinge, die etwas Diskretion verlangen, sollten nicht vor den Kindern besprochen werden. Für ein Kind ist es sehr schwer, solche Geheimnisse zu hüten. Dass Tante Sabine einen unsympathischen Freund hat oder Onkel Richard immer Schulden macht, möchten Sie sicher nicht gerne ausgeplaudert wissen. Wenn die Eltern telefonieren, bekommen Kinder erstaunlich viel mit. Den Erwachsenen ist es oft gar nicht bewusst, dass Ihr Kind, das so konzentriert in sein Rätselheft schaut, in Wirklichkeit aufmerksam zuhört und sich, wenn es nicht alles von dem versteht, was es da hört, selbst einen Reim darauf macht. Wenn es nun schon passiert ist und Ihr Kind etwas mitbekommen hat, was nicht für seine Ohren bestimmt war, dann erklären Sie ihm soweit als nötig die Zusammenhänge. Beruhigen Sie es gegebenenfalls, wenn es sich Sorgen macht. Bieten Sie ihm an, dass es auch später noch einmal mit Ihnen darüber sprechen kann. Machen Sie Ihr Kind aber, wenn irgend möglich, nicht zum Komplizen oder zum Geheimnisträger. Solch eine Rolle belastet ein Kind viel zu sehr. 10
Hüten Sie sich vor absoluten Verboten. Abrupter Kurswechsel Haben Sie beim Autofahren schon einmal das Steuer herumgerissen? Oder beim Fahrradfahren den Lenker? Vermutlich ist das nicht allzu gut ausgegangen. In Notsituationen mag es geraten sein, aber sonst ist es allemal besser, vorausschauend zu fahren, um Gefahren von vornherein zu vermeiden. In der Erziehung allerdings neigen Eltern gelegentlich zu allzu abrupten Kurswechseln. Besonders, wenn sie vorher zu wenig achtsam waren. NIE MEHR! Dass ein Kind nur noch vor dem Fernseher oder dem Computer sitzt oder stundenlang das Smartphone in der Hand hat und sich gar nicht mehr bewegen möchte, kommt nicht einfach von heute auf morgen. So etwas schleicht sich ein. Man sieht längere Zeit dabei zu – und irgendwann reißt der geduldigsten Mutter, dem friedlichsten Vater der Geduldsfaden. „Schluss damit!“ heißt es dann, „Fernseh- und Computerverbot. Und das Smartphone gibst du erstmal mir!“ Ein anderes Beispiel wäre das Zeugnis, das schlechter ausfällt als erwartet. Die Eltern hatten sich eingeredet, ihr Kind hätte die Schule gut im Griff. Doch nun müssen sie sich eingestehen, dass dem nicht so ist – und noch schlimmer, dass sie es gar nicht bemerkt haben. Die Reaktion der Eltern ist auch in solchen Fällen häufig überzogen. Problematisch dabei ist zum einen, dass eine Überreaktion für Kinder nicht nachvollziehbar ist. Wenn sich vorher kaum jemand für seine Hausaufgaben interessiert hat, wird es sich fragen, warum es jetzt den ganzen Tag lernen soll. So etwas finden Kinder absolut ungerecht. Zum anderen werden oft Konsequenzen gezogen, die weder das Kind noch die Eltern durchhalten können. Ein totales Fernseh- und Computerverbot ist über längere Zeit hinweg kaum durchsetzbar, weil ja auch der Rest der Familie gern einmal vor dem Fernseher sitzt. Außerdem kann man ein neunjähriges Kind nicht mehr rund um die Uhr überwachen. Und so kommt es, dass starke Kurswechsel meist nicht von Dauer sind. Über kurz oder lang ist alles wieder so wie vorher. Die Veränderungen werden nicht konsequent durchgehalten, weder von 11
Manchmal ist schnelles Handeln sogar geboten. den Kindern noch von den Eltern. Kinder sind dann die unglücklichen Sieger, weil sie den Machtkampf zwar gewonnen haben, was allerdings für sie und ihre Entwicklung gar nicht so gut ist. Die Eltern hingegen resignieren („Hat ja doch keinen Sinn“) – bis zum nächsten Kurswechsel. Deutliche Kurswechsel sind nur dann geraten, wenn wirklich Gefahr im Verzug ist. Wenn Ihr Kind etwa Kontakt mit Menschen hat, die ihm schaden. Wenn Verdacht auf Gewalt oder sexualisierte Gewalt besteht, wenn das Kind Opfer von Mobbing oder Erpressung ist. Oder aber, wenn Ihr Kind selbst – etwa durch einen Ladendiebstahl oder durch eine Rauferei – auffällig geworden ist. Bei solch schwerwiegenden Vorfällen ist es wichtig, schnell zu handeln. In solchen Fällen kann professionelle Unterstützung hilfreich sein. Am besten wenden Sie sich an eine Erziehungsberatungsstelle. Dort bekommen Sie fachkundigen Rat und kompetente Hilfe. Bei ganz normalen Alltagsproblemen hingegen sollten Sie lieber auf weiche Kurswechsel setzen. Erklären Sie Ihrem Kind, warum es so, wie es bisher lief, nicht weitergehen kann. Sie können dabei ruhig auch eigene Fehler eingestehen: etwa, dass Sie nicht aufmerksam genug waren, um zu bemerken, dass da etwas schiefläuft. Versuchen Sie, möglichst klare Regeln vorzugeben, die Ihrem Kind Orientierung geben. Logische Konsequenzen sind allemal besser als Strafen. Eine gewisse Ordnung im Tagesablauf kann vielen Problemen vorbeugen: Hausaufgaben werden nach dem Mittagessen gemacht (oder im Hort), anschließend ist Freizeit. Fernsehen oder am Computer spielen darf Ihr Kind eine Stunde am Tag und nicht mehr. Das Smartphone bleibt zumindest beim Essen, bei den Hausaufgaben und kurz vor dem Zubettgehen ausgeschaltet. Wichtig ist, dass Sie als Eltern konsequent bleiben und diese Vorgaben nicht selbst immer wieder außer Kraft setzen. 12
Kinder haben oft eine ganz eigene Ar t von Ordnung. • • • Immer dieses Chaos! Ordnung, oder besser gesagt Unordnung ist in vielen Familien ein Dauerthema. Und, so steht zu befürchten, es wird auch ein Thema bleiben, bis die Kinder groß sind und ausziehen. Da hilft es nur, sich ein dickes Fell zuzulegen und auf die Einhaltung von wenigstens ein paar Regeln zu bestehen. Wo Menschen zusammenleben, gibt es unterschiedliche Auffassungen von Ordnung und Sauberkeit. Das ist in vielen Partnerschaften so. Da heißt es verhandeln, diskutieren, Kompromisse schließen. Bei den Kindern haben Sie aber zusätzlich noch einen Erziehungsauftrag. Sie als Eltern möchten, dass Ihr Kind lernt, wie man Ordnung hält, seine Sachen wiederfindet, Schmutz vermeidet. Darüber hinaus sind Sie vielleicht auch einfach genervt, wenn Sie im Flur über die Schuhe stolpern, die Ihre Tochter so lässig von den Füßen gestreift und liegengelassen hat. Oder es ekelt Sie vor der angeschimmelten Tasse, die ein Familienmitglied einfach unters Sofa gestellt hat. Im Kinderzimmer können Sie es Ihrem Kind weitgehend selbst überlassen, wie ordentlich es sein will – sofern es ein eigenes Zimmer hat. Teilt es sein Zimmer mit einem Geschwisterkind, muss Ihr Kind natürlich Rücksicht nehmen. Damit die Hygiene nicht zu kurz kommt, sollte aber einmal die Woche so weit aufgeräumt werden, dass man freie Flächen abwischen und mit dem Staubsauger durchsaugen kann. Essensreste und Schmutzwäsche sollten täglichaus dem Kinderzimmer entfernt werden. Die Gemeinschaftsräume sollten so weit aufgeräumt sein, dass sich alle Familienmitglieder wohlfühlen können. Schmutziges Geschirr kommt in die Spüle oder in den Geschirrspüler, Schuhe gehören ins Regal oder wo immer Sie sie aufbewahren, die Schultasche kann gleich ins Kinderzimmer getragen werden. Oft hilft es schon, wenn nicht jeder seine Sachen einfach mitten im Flur abstellt, sondern (zumindest vorübergehend) da, wo man nicht gleich darüberfällt. Ihr Kind ist für seine Sachen selbst verantwortlich. Auch wenn es Ihnen schwerfällt, helfen Sie ihm nicht, wenn es etwas nicht finden kann. 13
Entrümpeln kann niemals schaden. • • • Machen Sie, während ihr Kind etwas sucht, keine belehrenden Bemerkungen, das würde die Stimmung nur unnötig verschlechtern. Mit mehr Eigenverantwortung lernen die Kinder am ehesten, dass eine gewisse Ordnung hilft, sich in der Schule und auch sonst im Leben zurechtzufinden. Wenn Ihr Kind sein Zimmer aufräumen, entrümpeln oder umgestalten möchte, können Sie es dabei selbstverständlich unterstützen. Manchmal fehlt es in diesem Alter noch an Erfahrung, wie so etwas zu organisieren ist. Auch der Besuch eines Freundes oder einer Freundin kann Kinder dazu motivieren, das eigene Zimmer wieder einmal „begehbar“ zu machen. Eltern erwachsener Kinder berichten, dass selbt die größten Chaoten, sobald sie alleine oder mit anderen jungen Leuten zusammenwohnen, sehr wohl ein Mindestmaß an Ordnung halten können. Irgendwie lernen es am Ende dann doch die meisten... 14
Vegetarisch , ja . Vegan lieber nicht . „Mein Kind mag kein Fleisch!“ Es gibt Kinder, denen Fleisch einfach nicht schmeckt. Andere mögen kein Fleisch, weil sie Mitleid mit den Tieren haben. Eltern, die ebenfalls fleischlos essen, wissen, wie man sich auch ohne tierisches Eiweiß ausgewogen ernähren kann. Es wird entsprechend eingekauft und gekocht. Wenn jedoch der Rest der Familie gerne Schnitzel oder Schinken isst und Fleisch ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan steht, wird es schon schwieriger. Viele Eltern machen sich Sorgen, dass ihrem Kind wichtige Stoffe fehlen könnten, wenn es sich vegetarisch ernährt. Ärzte und Ernährungsexperten halten diese Sorgen für unbegründet. Versuchen Sie also nicht, Ihr Kind zum Fleischessen zu überreden oder gar zu zwingen. Bei einer vegetarischen Kost reicht es nicht, einfach das Fleisch wegzulassen. Auf Eier und Milch sollten Kinder jedenfalls nicht verzichten, also keine rein vegane Ernährung anstreben. Außerdem sollte Ihr Vegetarier-Kind viel Gemüse essen. Für die Eisenversorgung, die bei den meisten Menschen hauptsächlich durch Fleisch abgedeckt wird, sollte Ihr Kind Vollwertkost und Hülsenfrüchte wie zum Beispiel Erbsen oder Linsen essen, außerdem sind zum Beispiel Brokkoli, Feldsalat und Haferflocken wertvolle Eisenlieferanten. Wenn Ihr Kind zu den Mahlzeiten viel Vitamin C zu sich nimmt, etwa Orangensaft trinkt oder Zitronensaft in die Salatsoße gibt, kann sein Körper das Eisen gut aufnehmen und verarbeiten. Für die Familie ist ein kleiner Vegetarier unter lauter Fleischessern eine Herausforderung. Im Alltag ist es nämlich manchmal gar nicht so leicht, einen ausgewogenen Ernährungsplan umzusetzen. Besonders wenn Ihr Kind im Hort oder in der Schule zu Mittag isst, kann es sein, dass nicht immer auf seine Bedürfnisse eingegangen werden kann. Zum Glück sind Kinder im Grundschulalter meist nicht sehr dogmatisch und machen für ein Würstchen auch mal eine Ausnahme. Grundsätzlich jedoch ist auch eine vegetarische Ernährung mit viel Gemüse und Vollwertprodukten eine gesunde Art der Ernährung, mit der Ihr Kind sich gut entwickeln kann. Bleiben Sie entspannt! 15
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