Elternbrief Nr. 33

1 Wohi n nach der vierten Klasse? 3 Englisch in der Grundschule 4 Spielen mit neun 7 Jede Familie ist anders! 10 Was macht Ihre Familie aus? 11 Freundschafts- bande 13 Mein Kind ist ein Einzelgänger 14 Sprich ordentlich! 15 Mensch, bist du peinlich! Der Schulwechsel rü ckt ins Blickfeld . B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 33 Weichen stellen Fragen Sie sich auch manchmal, wo die Zeit geblieben ist? Gerade eben wurde Ihr Kind eingeschult, schon geht die Grundschulzeit dem Ende zu und der nächste Schritt steht bevor: der Übertritt an eine weiterführende Schule. Jetzt beginnt die nächste wichtige Phase im Leben Ihres Kin- - des: Es bereitet sich auf den Schul- - wechsel vor. Sie als Eltern wird nun die Frage nach der rich- - tigen Schulart beschäftigen. Sie werden sich mit anderen über die verschiedenen Mög- - lichkeiten austauschen und auch Ihr Kind mit einbezie- - hen. Eine aufregende Zeit! INHALT Alter: 9 Jahre WEITER GEHT‘S! Ihr Kind ist jetzt in der dritten Klasse und es vergeht noch mindestens ein Jahr, bis der Schulwechsel ansteht. Trotzdem wird dieses Thema Sie und Ihr Kind sicher auch jetzt schon ab und zu beschäftigen. Am Ende der Grundschulzeit stehen drei Wege offen: Ihr Kind kann entweder auf die Mittelschule, die Realschule oder aber aufs Gymnasium wechseln. Welche Schulart die geeignete ist, hängt von Ihrem Kind ab. Wenn es gute bis sehr gute Leistungen zeigt, ehrgeizig und lernfreudig ist, dann steht es außer Frage, dass es aufs Gymnasium gehen wird. Aber was ist, wenn sich Ihr Kind in der Schule bisher nicht so leicht getan hat und eher Briefe

Kind aus, nicht Gehen Sie vom von sich selbst . mittelmäßige oder sogar schlechte Noten geschrieben hat? Wenn Ihr Kind nicht gerne lernt, wird die Schulentscheidung schon schwieriger. Ist die Realschule das Richtige, oder sollte es doch besser auf die Mittelschule gehen? Wussten Sie? Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe erhalten statt eines Zwischenzeugnisses ein Übertrittszeugnis. Diese sogenannte Zwischeninformation wird Anfang Mai überreicht und enthält u. a. den Leistungsstand mit den Noten in allen Fächern und – soweit erforderlich – eine Schullaufbahnempfehlung für den weiteren Bildungsweg. Das Wichtigste ist, auf Ihr Kind zu achten: Ist es eher eine Leseratte oder ein Tüftler? Ist es handwerklich begabt oder hat es eine ausgeprägte soziale Ader? Merkt es sich neue Dinge schnell oder tut es sich dabei schwer? Natürlich sind auch die Noten aussagekräftig. Sprechen Sie mit der Lehrkraft. Sie hat noch einmal einen anderen Blick auf Ihr Kind und weiß, in welchen Fächern es gut ist oder wo es noch nicht so klappt. Sie kennt seine Stärken und kann auch die Leistungsbereitschaft beurteilen. Hören Sie Ihrem Kind zu, es hat sicher auch eine eigene Vorstellung davon, wie es weitermachen möchte. Aber lassen Sie es mit seinen Überlegungen nicht allein. Die Entscheidung, ob es auf die Realschule, das Gymnasium oder lieber auf die Mittelschule wechseln sollte, würde Ihrem Kind definitiv zu viel abverlangen. Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Schule ist weitreichend, denn wenn Ihr Kind die falsche besucht, wird es entweder über- oder unterfordert sein – beides wäre nicht gut. Allerdings sollte man wissen, dass das bayerische Bildungswesen ziemlich durchlässig ist: Ein Mittelschüler kann heute ohne größere Schwierigkeiten auf den Mittlere-Reife-Zug an einer Mittelschule wechseln und dort den Realschulabschluss machen. Der Übertritt von der Realschule aufs Gymnasium ist nicht ganz unkompliziert, was an den unterschiedlichen Lerninhalten liegt. Aber auch das ist machbar. Entscheidend ist, dass die Noten Ihres Kindes in eine gute Richtung weisen und dass es den Wechsel auch selbst will. 2

3 wird noch nicht Englisch benotet . Englisch in der Grundschule Seit der dritten Klasse hat Ihr Kind Englischunterricht. Einfach und praxisnah werden Kinder an die fremde Sprache herangeführt. Das Spielerische steht dabei im Vordergrund. Mithilfe von Liedern, Schautafeln und kleinen Dialogen werden vor allem der mündliche Ausdruck und das Verstehen der gesprochenen Sprache gefördert. Vokabeln pauken oder Grammatik lernen sind der weiterführenden Schule vorbehalten. In der Grundschule soll den Kindern ein erstes Sprachgefühl fürs Englische vermittelt werden. Sie dürfen die neue Sprache unbefangen ausprobieren und einfach drauflosplappern. Es ist gut, frühzeitig mit dem Sprechen anzufangen. Denn wenn Kinder erst einmal älter sind, haben sie oftmals Angst, Fehler zu machen und sich zu blamieren, und sind dadurch beim Sprechen eher gehemmt. Darum werden in der Grundschule im Fach Englisch auch keine Noten gegeben, im Zeugnis wird nur vermerkt, dass Ihr Kind teilgenommen hat. Sie als Eltern können das frühe Englischlernen Ihres Kindes wohlwollend begleiten. Werten Sie das spielerische Lernen nicht ab, sondern machen Sie mit! Kratzen Sie ruhig Ihre Englischkenntnisse zusammen und sprechen Sie Ihr Kind einmal auf Englisch an! Ihr Interesse wird Ihr Kind anspornen. Wenn Ihr Kind ungern Englisch spricht, muss Ihnen das keine Sorgen bereiten. Ebenso wie beim Sprechenlernen von Kleinkindern sind die Temperamente verschieden: Während das eine Kind munter losplappert, hält sich das andere eher zurück. Lernen werden es am Ende beide. Hello, Laura! How are you?

Leute mitspielen, Je mehr desto besser. Spielen mit neun Kinder müssen spielen, es ist wichtig für ihre Entwicklung. Auch wenn das Spielen durch Fernsehen und Computer, Smartphone und Tablet mächtige Konkurrenz bekommen hat, ist es doch die Tätigkeit, bei der Ihr Kind wirklich noch Kind sein darf. Das soll nicht heißen, dass Ihr Neunjähriges nun wieder seine alte Holzeisenbahn hervorholt. Auch für Neunjährige gibt es eine große Auswahl an altersgemäßen Spielsachen oder Spielen. Spiele für drinnen Da sind zum einen die Brettspiele: Bei vielen davon gilt es, strategisch zu handeln und zu siegen – und gelegentlich auch zu verlieren. Bei Brettspielen müssen Regeln eingehalten werden, und das ist auch für große Kinder nicht immer ganz einfach – aber wichtig zu lernen. In den letzten Jahren sind viele kreative Brettspiele entwickelt worden, aber ein Favorit ist immer noch das gute, alte „Mensch ärgere Dich nicht“ – ein Spaß für die ganze Familie. Geschicklichkeitsspiele bringen meist jede Menge Spaß, und zwar umso mehr, je mehr Leute mitspielen. Gerade als Familienspiele sind sie geeignet, weil auch mal jüngere Geschwister mitmachen können. Es gibt sie als Brettspiele, aber auch für den Teppich oder für draußen. Rate- oder Quizspiele sind ebenfalls sehr beliebt. Es gibt sie zu den verschiedensten Themen wie etwa Natur oder Fußball, aber auch als ganz allgemeine Ratespiele. Hier erlebt Ihr Kind, dass Wissen Spaß macht und dass es toll ist, etwas Neues zu lernen. Puzzles erfordern Ruhe und Geduld, aber sie fördern auch eben diese Eigenschaften. Es gibt sie mittlerweile sogar dreidimensional. Als Puzzleball, Pyramide oder komplettes Bauwerk ist das Puzzle eine tolle Sache. Aber auch die ganz normal flachen Puzzles können viel Spaß machen, besonders, wenn das Motiv Ihrem Kind gut gefällt. Es gibt auch die Möglichkeit, aus eigenen Digitalfotos Puzzles herstellen zu lassen. Immer mehr Drogeriemärkte, aber auch verschiedene Hersteller im Internet bieten diesen Service an. 4

Experimentieren kann man mit und ohn sten! © Alexas Fotos / Pixabay.com e Ka Experimentierkästen sind etwas für große und kleine Forscher. Hier wird Wissenschaft lebendig. Ob man nun Kristalle oder Urzeitkrebse züchtet, einen Windgenerator baut oder ein Solarradio – dem Forscherdrang sind keine Grenzen gesetzt. Manchmal wird Ihr Kind vielleicht Ihre Hilfe benötigen, doch für Sie als Eltern kann das ebenfalls ganz spannend sein. Der Nachteil: Experimentierkästen sind oft nicht billig. Aber nicht für alle spannenden Versuche braucht man gleich einen Experimentierkasten. Eine Reihe von Büchern beschreiben interessante Experimente, für die man oft nur Dinge benötigt, die ohnehin im Haushalt vorhanden sind. Für technisch interessierte Kinder sind Bausätze oder Konstruktionsspiele attraktiv. Diese fordern selbst Eltern gelegentlich in ihrer Geschicklichkeit und Kombinationsgabe heraus. Viele Kinder sind auch für Flugzeug, Geländewagen oder Kran zu begeistern, gerade wenn diese selbst zusammengebaut werden können. Stadt-Land-Fluss und Schiffe- versenken haben Sie, liebe Eltern, als Kinder bestimmt auch schon gespielt. Die Regeln finden Sie im Internet oder in einem der Spielebücher aus der Bücherei. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie viel Spaß man mit einem Blatt Papier und einem Stift haben kann! 5

ohne Schläger Au ch mal versu chen. Spiele für draußen Auch im Freien wollen sich Kinder spielerisch beschäftigen. Schaukel und Sandkasten werden langsam uninteressant – was also kann man draußen spielen? Springseil und Ball sind in fast jeder Altersklasse attraktiv. Neben Fußball kann jetzt auch Basketball interessant werden. Es gibt preiswerte Körbe zu kaufen, die man an der Garagenwand aufhängen oder mittels einer Stange aufstellen kann, auch viele Spielplätze haben mittlerweile Körbe. Tischtennis ist für zwei oder auch mehrere Kinder geeignet. Neben Spielplätzen, in Schwimmbädern, Parks oder auch manchen Wohnanlagen gibt es oft öffentliche Tischtennisplatten. Schläger und Bälle gibt es schon recht preiswert. Man kann aber auch mit einem Tennis- oder Softball spielen, der mit der flachen Hand hin und her geschlagen wird. Ihrem Kind könnte auch Family-Tennis oder Federball Spaß machen. Family-Tennis ist etwas einfacher, es wird mit einem weichen Schaumgummiball gespielt, und der Ball darf, wie beim richtigen Tennis, zwischendrin auf dem Boden aufprallen. Gummihüpfen oder Gummitwist ist vor allem bei Mädchen sehr beliebt. Man braucht dazu nur einen zwei bis drei Meter langen Hosengummi, der an den Enden verknotet wird. Zwei Kinder stellen sich in den Gummikreis und dehnen ihn aus, ein drittes springt nach bestimmten Regeln darüber. Dabei wird der Schwierigkeitsgrad stetig erhöht. Keine Angst, Eltern müssen das nicht verstehen – Gummitwist lernen die Kinder meist von ihren Altersgenossinnen. Kegeln kennt man eher von der Kegelbahn, es lässt sich aber auch mit leeren Plastikflaschen ganz gut spielen. Damit sie nicht ganz so schnell umfallen, kann man in die Flaschen ein wenig Wasser füllen. Darüber hinaus gibt es im Freien viele Dinge zu tun und zu erleben. Es muss nicht unbedingt das ferngesteuerte Auto sein, auch Straßenmalkreiden, ein Ball oder ein Fahrrad können Ihrem Kind einen wunderschönen Nachmittag bereiten. 6

Jede Familie tickt anders. Jede Familie ist anders! Familien unterscheiden sich sehr voneinander. Ob nun mit oder auch ohne Migrationshintergrund, alleinerziehend mit Kindern, Großfamilie oder Eltern mit Adoptiv- oder Pflegekind – sie alle sind Familien, die manches gemeinsam haben, aber auch vieles, was sie besonders macht. Familien unterscheiden sich nicht nur in der Struktur, nein, jede Familie „tickt“ auch anders, hat andere Regeln, geht anders miteinander um. Das bemerken Sie zum Beispiel, wenn andere Kinder bei Ihnen zu Gast sind. Wenn zum Beispiel der Freund Ihres Sohnes ohne zu grüßen an Ihnen vorbeistürmt und seine Jacke unters Bett kickt. Oder wenn die Freundin Ihrer Tochter beim Essen fragt, wo denn ihre Stoffserviette sei. Oder wenn die Nachbarskinder erzählen, dass ihre Familie sonntags immer den Gottesdienst besucht und abends gerne musiziert. Wenn Sie dann diese anderen Kinder, diese anderen Familien betrachten, dann wird Ihnen bewusst, was eigentlich Ihre eigene Familie ausmacht. Innerhalb der Familie hat jeder seine eigene Persönlichkeit: Ein Kind ist ordentlich, das andere liebt das kreative Chaos, ein Elternteil ist ruhig und ausgeglichen, der andere vielleicht quirlig und lebendig. Und aus diesen un7

Meine Familie ist die beste. © Pezibear / Pixabay.com terschiedlichen Charakteren setzt sich eine ganz und gar einzigartige Familie zusammen. Kinder finden ihre eigene Familie meist toll. Ihr Lebensstil, ihre Rituale und Regeln werden gar nicht hinterfragt. Es ist so, wie es ist, und es ist gut. Familien, die auf den ersten Blick der Ihren sehr ähnlich sind, können sich auf den zweiten Blick doch unterscheiden: Woanders dürfen die Kinder vielleicht Cola trinken und viel fernsehen, bei Ihnen nicht. Dafür dürfen Ihre Kinder am Abend vielleicht länger aufbleiben, aber woanders müssen sie um acht im Bett liegen. Ist es nicht interessant zu sehen, wie andere Familien leben? Auch wenn andere Eltern andere Erziehungsvorstellungen haben als Sie, so lieben diese Eltern ihre Kinder genauso, wie Sie die Ihren lieben. Ihrem Kind wird es nicht schaden, Einblick in andere Lebensweisen zu bekommen, so unterschiedlich sie sein mögen. Im Gegenteil, Ihr Kind lernt Toleranz, und ganz nebenbei wird es das vertraute Leben in der eigenen Familie neu zu schätzen lernen. 8

Ihr Kind weiß, was in Ordnung ist und was nicht . Wie kann man nun bei gegenseitigen Besuchen mit den unterschiedlichen Familienregeln umgehen, ohne dass es Ärger gibt? Ihr Kind sollte wissen: Es gelten grundsätzlich die Regeln der Gastfamilie. Wenn also der Freund Ihres Kindes seine Jacke im Flur fallen lässt, können Sie ihn getrost auf die Garderobe hinweisen, an der in Ihrer Familie Jacken und Mäntel aufgehängt werden. Wenn man bei der Freundin Ihrer Tochter nur leise spielen darf, weil deren Papa Nachtschicht hatte und schlafen möchte, so muss Ihre Tochter Rücksicht nehmen. Wenn Sie aber den Eindruck bekommen, dass Ihr Kind in einer anderen Familie unter schlechten Einfluss gerät, sollten Sie das Gespräch suchen. Zunächst einmal mit Ihrem eigenen Kind. Fragen Sie nach: Sind Ihre Kinder in der Familie des Freundes wirklich über Stunden hinweg alleine? Sitzen sie wirklich ganze Nachmittage am Computer? Bekommen sie wirklich Süßigkeiten bis zum Abwinken? Wenn Sie sicher sind, dass Ihr Eindruck stimmt, gehen Sie auf die Eltern zu und sprechen Sie mit ihnen. Machen Sie Ihren eigenen Erziehungsstil aber nicht zum Maß aller Dinge und kritisieren Sie den der anderen Familie nicht. Suchen Sie lieber nach einem Kompromiss. Der könnte so aussehen, dass die Kinder durchaus am Computer spielen oder fernsehen dürfen, aber danach nach draußen zum Spielen geschickt werden. Ihr Kind kann den betreffenden Freund auch öfter zu sich nach Hause einladen oder sich mit ihm auf dem Spielplatz treffen. Ihr Kind ist mittlerweile schon so groß, dass es recht gut selbst einschätzen kann, was noch in Ordnung ist und wo eine Grenze überschritten wird. Wenn Sie als Eltern gesprächsbereit und offen sind, wird Ihr Kind Vertrauen zu Ihnen haben und Ihnen erzählen, was es erlebt. 9

Jede Familie hat eigene Regeln. Was macht Ihre Familie zu dem, was sie ist? Die Regeln Wann macht Ihr Kind in der Regel seine Hausaufgaben, wie lange darf es fernsehen, wann geht es ins Bett? Wie auch immer sie aussehen, es gibt klare Absprachen. Auch für die Erwachsenen gibt es Regeln. Zum Beispiel: „Wer sich verspätet, ruft an.“, oder „Jeder räumt seine Sachen selber weg.“. Die Rituale Das können gemeinsame Mahlzeiten sein, der Samstagabend, an dem gespielt wird und die Kinder länger aufbleiben dürfen, die Gute-Nacht-Geschichte, der Sonntagsausflug. Die Nähe Ihre Kinder erleben von Ihnen Zärtlichkeit. Sie werden in den Arm genommen, geliebt und getröstet. Auch zwischen den Eltern erleben Kinder Nähe und Vertrautheit. Alleinerziehende haben gute Freunde oder auch neue Partner, zu denen sie eine vertrauensvolle, enge Beziehung aufbauen können und die auch ein Stück weit mit zur Familie gehören. Die Unternehmungen Gemeinsame Erlebnisse stärken das „Wir-Gefühl“. Dabei ist es wichtig, dass auch möglichst alle beisammen sind, um etwas zu tun. Wenn Sie sich als Mutter immer ausklinken, um die liegengebliebenen Hausarbeiten zu erledigen, oder wenn Sie als Vater lieber noch schnell etwas fürs Büro fertig machen oder das Formel-1-Rennen im Fernsehen anschauen als mit Ihrer Familie ins Freibad zu gehen, dann versäumen Sie mehr als nur diesen einen Ausflug: Sie versäumen es, mit den anderen eine Familie zu sein. Was es nur bei Ihnen gibt Das Sonntagsfrühstück im Elternbett, das selbst erfundene Quatschlied, die uralte, aber superbequeme Couch, das immer gleiche Puzzle, das Ihre Kinder so gern mit Ihnen machen, das Meerschweinchen, das hingebungsvoll alles annagt – auch bei Ihnen gibt es Liebenswertes und Verrücktes, das Sie als Familie so sympathisch macht. Seien Sie stolz darauf! 10

Mädchen bleiben lieber zu zweit . Freundschaftsbande Die Entwicklungsphase zwischen neun und 13 Jahren ist für viele Kinder die Zeit enger Freundschaften. Ihr Kind kann sich nun schon sehr gut in einen anderen Menschen hineinversetzen und ist auch in der Lage, verschiedene Perspektiven zu sehen, verschiedene Interessen miteinander zu vereinbaren. Mit neun heißt Freundschaft nicht mehr nur, dass man gerne miteinander spielt, solange alles gut läuft. Nein, Freundschaft ist nun eine Gefühlsbeziehung, die Krisen überdauern kann und in der auch Konflikte ausgetragen werden. Die beste Freundin, der beste Freund sind Vertraute. Die Kinder tauschen sich aus, sie sorgen füreinander und haben kleine (und manchmal auch große) Geheimnisse miteinander. Diese Freundschaften sind oft sehr stabil und exklusiv. Vor allem bei Mädchenfreundschaften ist hier kaum Platz für eine dritte Person. Eifersucht ist oftmals an der Tagesordnung. Es ist für die Kinder sehr wichtig, ihre Freundschaft zu erhalten. Ein Bruch oder eine Krise erleben sie als sehr schmerzlich. Sie sehen also, Freundschaften in diesem Alter ähneln in vielerlei Hinsicht einer Partnerschaftsbeziehung. Und tatsächlich lernt Ihr Kind in diesem Alter in seinen Freundschaften vieles, was es später für seine Beziehung(en) gut brauchen kann: Vertrauen, Fürsorge, Offenheit, Konfliktfähigkeit, Treue. Und so kann es leicht passieren, dass Ihre Tochter als heulendes Elend nach Hause kommt, nur weil sich heute die beste Freundin im Schulbus neben ein anderes Mädchen gesetzt hat. Oder Ihr Sohn ist traurig, weil sein Freund mit einem anderen Jungen den Nachmittag verbringt. Wobei Jungen meist nicht ganz so eng verbunden sind wie Mädchen. Für sie ist es oft ebenso wichtig, sich innerhalb einer Gruppe einen guten Platz zu sichern. Trotzdem: Ihr Kind erlebt in seinen Freundschaften starke Gefühle, schöne und weniger schöne. Nehmen Sie sie ernst, reden Sie sie nicht klein. Trösten Sie Ihren Sohn, wenn er sich mit seinem Freund gestritten hat. Ermutigen Sie Ihre Tochter, wieder mit der Freundin und sich selbst ins Reine zu kommen. Seien Sie Ihrem Kind in dieser Phase geduldige 11

Schaffen Sie Kontaktmöglichkeiten! • • • • • • • und zuverlässige Gesprächspartner. Ihr Kind lernt Beziehung. Und das kann manchmal ganz schön schwer sein. Was können Sie als Eltern tun, wenn Ihr Kind keine Freunde hat? Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind genug Möglichkeiten hat, mit anderen Kindern Zeit zu verbringen. Wenn es äußere Hindernisse gibt, versuchen Sie, sie aus dem Weg zu räumen. Wohnen Sie zum Beispiel sehr abgelegen, überlegen Sie, wie Ihr Kind auch in seiner Freizeit mit anderen Kindern zusammenkommen kann. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber. Seien Sie taktvoll und einfühlsam. Keine beste Freundin, keinen besten Freund zu haben, kann wehtun. Ermutigen Sie Ihr Kind, aber machen Sie ihm keinen Druck. Ermuntern Sie es beispielsweise, andere Kinder zu sich einzuladen. Regen Sie eine kleine Geburtstagsparty an. Seien Sie aber nicht enttäuscht, wenn Ihr Kind sich weigert. Besprechen Sie mit Ihrem Kind, welche Möglichkeiten der Kontaktaufnahme es gibt und welche davon am besten zu Ihrem Kind passen. Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, welche Verhaltensweisen für eine Freundschaft wichtig sind. Hat Ihr Kind Cousins und Cousinen? Hier ist der Kontakt oft leichter, weil die Kinder sich von klein auf kennen. Laden Sie doch einmal eine Cousine in den Ferien für ein paar Tage ein! Sprechen Sie das aber vorher mit Ihrem Kind ab. Versuchen Sie, Ihr Kind zu stärken und ihm zu zeigen, dass es liebenswert ist. Zu Beginn der Pubertät werden die engen Freundschaften sich wieder lockern, die Gruppe der Gleichaltrigen wird wichtiger. Dann sind Offenheit und Eigenständigkeit eher angesagt als die starke Bindung an beste Freunde. Und als Jugendlicher hat auch ein vormals distanziertes Kind wieder neue Möglichkeiten, mit Gleichaltrigen in Kontakt zu kommen. 12

Ist Ihr Kind schü chtern? • • • • • • © Pezibear / Pixabay.com Mein Kind ist ein Einzelgänger Vielleicht haben Sie die letzten Abschnitte mit Sorge gelesen. Möglicherweise verbringt Ihr Kind seine Freizeit meist allein zu Hause und hat wenig oder nur losen Kontakt mit Gleichaltrigen. Überlegen Sie, woran das liegen könnte: Vielleicht sind Sie erst umgezogen und Ihr Kind ist noch neu in der Klasse. Vielleicht ist es aufgrund einer Krankheit nicht in der Lage, genügend am sozialen Leben teilzunehmen. Vielleicht ist Ihr Kind auch besonders schüchtern. Auch Kinder mit Übergewicht werden gern einmal ausgegrenzt. Kommt Ihr Kind nicht genug mit anderen Kindern in Kontakt? Hat es außerhalb der Schule zu wenig andere Begegnungsmöglichkeiten, etwa einen Sportverein oder einen Kinderchor? Was macht es Ihrem Kind schwer, den losen Kontakt zu einer Freundschaft werden zu lassen? Zeigt es zu wenig Interesse oder klammert es im Gegensatz zu sehr? Kann es sein, dass Ihr Kind sehr viel Zeit am Computer verbringt und hier seine Web-Freundschaften pflegt? Und für „echte“ Freundschaften gar keine Zeit hat? Wie ist es mit Geschwistern? Gibt es Ihr Kind immer nur „im Doppelpack“ zusammen mit Schwester oder Bruder? Sind Ihre Kinder eine verschworene Gemeinschaft, sodass kein anderer mehr darin Platz hat? Wie ist es bei Ihnen selbst? Sind Sie eher ein offener, geselliger Mensch oder leben Sie eher zurückgezogen? Ihr Kind wird sich auch an Ihrem Verhalten orientieren. 13

Nicht jedes voll krasse Wor t passt au ch zum Papa . Sprich doch ordentlich! Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. So auch die Pubertät – auch wenn es zum Glück noch etwas dauert, bis es damit wirklich so weit ist. Im Sprachgebrauch Ihrer Kinder hält zumindest der Teenager-Slang jetzt schon Einzug. Von „Hey, chill mal!“ bis „Du Honk“ ist nun schon viel Erstaunliches im Wortschatz Ihres Kindes angekommen. Wie damit umgehen? Viele Eltern sehen die verbalen Neuschöpfungen ihrer Sprösslinge ja eher amüsiert bis entspannt. Manche Ausdrücke haben sich ja auch bei uns Erwachsenen schon eingeschlichen. Oder wurden Sie noch nie von Ihrer Nachbarin „zugetextet“? Deshalb ist es wichtig, dass ein Kind lernt, zwischen normaler Umgangssprache, Jugendsprache und korrekter Schriftsprache zu unterscheiden. Manche Wörter gehören nicht in einen Deutschaufsatz. In einer Unterhaltung sind sie aber oft ganz witzig. Anders verhält es sich bei obszönen, rassistischen oder anderen beleidigenden Ausdrücken. Kinder können oft noch gar nicht einschätzen, was sie da von sich geben. Wenn Ihr Kind solche Ausdrücke benutzt, gehen Sie nicht einfach zur Tagesordnung über. Sprechen Sie es darauf an. Fragen Sie ruhig, was es eigentlich darunter versteht, oft wissen Kinder nämlich gar nicht, was das eine oder andere Wort eigentlich bedeutet. Erklären Sie ihm dann, warum Sie derlei Ausdrücke nicht hören möchten. Für Ihr Kind wird es zunehmend wichtig, sich von Ihnen, seinen Eltern, abzugrenzen und in der Gruppe der Gleichaltrigen und der etwas Älteren Anerkennung zu bekommen. Das versucht es unter anderem durch die Sprache. Darum finden es Kinder und Jugendliche meistens auch „megapeinlich“, wenn ihre Eltern sich dieser Sprache anpassen. 14

Ihr Kind will sich abgrenzen. Lassen Sie das zu. Mensch, bist du peinlich! So schnell ändern sich die Zeiten: Während Sie noch vor einem halben Jahr bedingungslos bewundert wurden, ernten Sie jetzt von Ihrer Tochter missbilligende Blicke, wenn Ihr Rock zu kurz oder die Bluse zu bunt ist. Oder Ihr Sohn weist Sie darauf hin, dass Ihr Lachen definitiv zu laut und obendrein noch völlig unangebracht ist. Ihr Kind will Sie nicht beleidigen. Es zeigt die völlig normale Reaktion eines Heranwachsenden: Es will sich jetzt von Ihnen abgrenzen und so sein wie die anderen. Kinder wissen sehr genau, was ihre gleichaltrigen Freunde gut oder blöd finden. Und sie befürchten, ausgeschlossen zu werden, wenn sie nicht zu der Gruppe passen. Übrigens, je näher sich zwei Menschen stehen, desto mehr schämt sich der eine, wenn der andere von den eigenen Normvorstellungen abweicht. Sie werden Ihrem Kind also künftig noch öfters von Herzen peinlich sein. Tragen Sie es mit Fassung. Als „oberpeinlich“ wird vieles empfunden: die falsche Sprechweise, die falsche Kleidung oder das falsche Benehmen. Wenn Sie Ihrer Freundin Neuigkeiten über Ihre Tochter erzählen, wird diese darüber total empört sein. Und Ihr Sohn wird sich darüber aufregen, dass Sie seine Unterwäsche auf einer – für alle sichtbaren – Wäscheleine aufgehängt haben. Wie peinlich! Wo doch jetzt alle Nachbarn sehen können, welche Unterhosen er trägt! Lernen Sie die neuen Grenzen Ihres Kindes verstehen und respektieren Sie sie. Auch wenn es Ihnen zunächst komisch vorkommt, an der Tür Ihres Kindes vor dem Eintreten haltzumachen und anzuklopfen, hat dies doch seinen Sinn. Sie selbst wollen ja auch nicht immer gestört werden. Das geht Ihrem Kind genauso. Lassen Sie in Zukunft auch den Kuss zum Abschied am Schultor. Ihr Kind möchte erwachsen werden und nicht mehr wie ein Kleinkind behandelt werden. 15

D FSC www.'9c.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 ClimatePartner0 klimaneutral DruckllD:10822-1408-1001 Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Sozia les B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“ , www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Übertritt Wenn Sie sich zum Übertritt und den verschiedenen Schultypen informieren möchten, gehen Sie zur Homepage, https://www.km.bayern.de/schueler/schularten.html, des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst: Familienprobleme Bei Problemen mit dem Zusammenleben als Familie, oder wenn ein Kind zu sehr Einzelgänger ist, wenden Sie sich an die örtlichen Erziehungsberatungsstellen unter: www.erziehungsberatung.bayern.de, oder unter www.lagbayern.de/erziehungsberatung. Die Adressen finden Sie im Telefonbuch oder im Internet. Im nächsten Elternbrief: – Die kleinen Nervensägen – Rund um die Schule: Welcher Lerntyp ist Ihr Kind? – Die leidigen Noten – Familie leben: „Komm, lass uns reden!“ – Vorsicht, Kind hört mit! – Abrupte Kurswechsel machen nur manchmal Sinn – Immer dieses Chaos! – „Mein Kind mag kein Fleisch!“ Die Elternbriefe werden gefördert durch: 33 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202133

RkJQdWJsaXNoZXIy MzcwMzIy