18. Elternbrief Erziehungsratgeber Bayerisches Landesjugenda

Briefe Für Ihr Kind ist alles real. B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 18 INHALT Alter: 4 Jahre 1 Die magische Phase 2 Brauchen Kinder Märchen? 4 Sprachförderung 6 Diva oder Draufgänger? 6 Mir ist so langweilig! 8 Warum lügt mein Kind? 9 Pflegefamilien 11 Mein Kind ist krank 13 Im Krankenhaus 15 Braucht Ihr Kind eine Brille? In der magischen Phase deutet ein Kind alle Ereignisse um sich herum nach seiner eigenen „magischen“ Logik. Das ist seine Art, sich die Welt zu erklären: Eine Blume verliert ihre Blätter, weil sie traurig ist, es gibt ein Gewitter, weil die böse Hexe es hergezaubert hat, die Geschenke legt das Christkind unter den Baum. Vielleicht spricht und spielt Ihr Kind in der magischen Phase sogar mit einem Freund, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Die Welt ist magisch Hexen reiten mit dem Besen durch die Luft und Bücher werden nachts lebendig – davon ist Ihr vierjähriges Kind fest überzeugt. Es verfügt über eine ungemein rege Fan-- tasie und hat seine ganz eigene Vorstellung von der Welt. Aber keine Sorge, das ist völlig normal. Ihr Kind befindet sich gerade in seiner sogenannten „Magischen Phase“. Jetzt kön- nen Dinge sprechen, Men- - schen zaubern – für Ihr Kind ist in dieser Zeit alles möglich. Seien Sie nicht irritiert und lassen Sie Ihr Kind gewähren. Es braucht noch eine Weile, bis es soweit ist, zwischen seiner inneren Welt und der realen Welt zu unterscheiden. Dann müssen Sie auch nachts keine Monster mehr verjagen, die sich im Kinderzimmerschrank eingenistet haben. Nehmen Sie Ihr Kind ernst und spielen Sie mit! Begleiten Sie Ihr Kind in seine magische Welt und reiten mit ihm über die Wolken davon – es wird Sie dafür lieben.

Brauchen Kinder Märchen? „Erzähl mir ein Märchen!“ – Die meisten Kinder lieben Märchen. Mit großer Aufmerksamkeit und großem Ernst hören sie den Geschichten aus vergangenen Jahrhunderten, aus einer völlig anderen Welt zu. In üppigen Bildern wird erzählt. Die Märchenfiguren sind oft in großer Not, sie erleben die wildesten Abenteuer. Ist der Drache noch so groß, die Hexe noch so grausam, es findet sich immer eine Lösung. Riesengroße Hindernisse können durch eigene Kraft oder mithilfe von anderen beseitigt werden. Wünsche gehen in Erfüllung. In Märchen treffen Kinder auf Themen, die ihnen große Angst machen: Die Mutter stirbt, das Kind wird nicht geliebt… Während des Vorlesens oder Erzählens durchlebt Ihr Kind entsprechend starke innere Gefühle: Die Aufregung, Angst und Verzweiflung der Märchenhelden übertragen sich entsprechend auf die kleinen Zuhörer. Sorgen Sie für eine entspannte, kuschelige Atmosphäre während des Vorlesens. Wenn Ihr Kind Ihnen Fragen stellt, beantworten Sie sie. Sprechen Sie auch nachher mit Ihrem Kind über die Geschichte: Was hat ihm gefallen? Was hat ihm Angst gemacht? Wen mochte es am liebsten, wen mochte es gar nicht? Was hätte es selbst getan, wenn es der Held oder die Heldin gewesen wäre? Warum die Hexe wohl so böse war? Gut und Böse liegen im Märchen meist sehr weit auseinander. Das macht es Kindern leichter, sich zu orientieren. Sie identifizieren sich mit den „Guten“ und freuen sich über deren Rettung. Und da die „Bösen“ so durch und durch böse sind, muss man auch kein Mitleid mit ihnen haben. So gesehen handeln alle Märchen vom sicheren Sieg des Guten über das Böse: Trotz aller Schwierigkeiten wird im Märchen am Ende alles gut. Das hilft Kindern, sich nicht allein und verloren zu fühlen, sie schöpfen daraus Mut und Zuversicht. Sie lernen durch Märchen, dass das Gute gewinnt. Und diese Überzeugung brauchen sie, nicht zuletzt für ihre Werte- und Moralentwicklung. 2

Kinder lieben es, Geschichten zu bekommen. vorgelesen In Märchen steckt die Weisheit von Jahrhunderten. Für die seelische Entwicklung von Kindern stellen sie einen großen Gewinn dar, sie wirken mit ihren starken Bildern auf das Unbewusste, stärken Kinder, geben ihnen Halt und Vertrauen. Märchen wie Hänsel und Gretel, Die Bremer Stadtmusikanten, Der gestiefelte Kater oder Rotkäppchen sind schon ab dem Alter von vier Jahren empfehlenswert. Es folgen Tischlein-DeckDich, Das tapfere Schneiderlein, Der Froschkönig, Brüderchen und Schwesterchen, Sterntaler, Frau Holle und Das hässliche Entlein. Für etwas ältere Kinder eignen sich Dornröschen, Schneewittchen sowie Der Wolf und die sieben Geißlein. Wenn Ihr Kind Märchen aber nicht mag, zwingen Sie sie ihm nicht auf. Es kann sein, dass es die Geschichten zu sehr belasten. Die Erzählungen sind ja oft sehr drastisch und auch grausam. Nicht jedes Kind möchte damit in Berührung kommen. Vielleicht versuchen Sie es mit den etwas harmloseren Märchen oder probieren es in einem Jahr noch einmal. Wenn das nicht klappt und Ihr Kind gar keine Märchen hören möchte, lassen Sie es gut sein. Es gibt genug andere Geschichten, die Sie Ihrem Kind stattdessen vorlesen oder erzählen können. Die Atmosphäre des Märchenerzählens und Zuhörens, wenn man gemütlich beisammensitzt und alles andere unwichtig wird, können Sie und Ihr Kind auch mit einer anderen spannenden Geschichte erleben. © Couleur / Pixabay.com 3

Ein Kind, das s gut mitteilen kann, hat es mit anderen Kindern leichter. ich Sprachförderung Kinder reden gerne. Sie erzählen ihre Abenteuer und stellen viele Fragen. Im Kindergarten wird die Entwicklung ihrer Sprache gefördert. Kinder sollen lernen, verständlich und in ganzen Sätzen zu reden. Nicht nur in besonderen Situationen, sondern gerade im Umgang miteinander, beim Spielen und im Alltag. Unter Sprachförderung versteht man alle Maßnahmen, durch die Kinder Freude am Sprechen und an Kommunikation entwickeln. Durch Sprachförderung erwerben Kinder die Fähigkeit, sich mit anderen auszutauschen und ihnen eigene Erlebnisse, Gefühle, Gedanken und Wünsche mitzuteilen. Nicht jedem Kind fällt es gleich leicht, in ganzen Sätzen zu sprechen. Das gilt nicht nur für Kinder, deren Eltern aus einem anderen Land kommen. Auch Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist, haben manchmal Probleme, sich altersgemäß auszudrücken. Der Kindergarten setzt hier gezielt an: durch gemeinsames Anschauen und Besprechen von Bilderbüchern, das Erzählen von Geschichten oder durch Gespräche im Stuhlkreis. Sprachkompetenz ist eine wesentliche Voraussetzung für die positive Entwicklung eines Kindes und den späteren Erfolg in der Schule. Sprachförderung ist also langfristig eine gute Investition in die Bildungschancen eines Kindes. Deshalb ist es von Vorteil, wenn Sprachprobleme bei Kindern früh erkannt werden. Spätestens ein Jahr vor der Einschulung finden sogenannte Sprachstandserhebungen statt, bei denen alle Kinder getestet werden. Die sprachliche Entwicklung eines Kindes sollte so weit sein, dass ihm ein reibungsloser Übergang in die Schule möglich wird. Im letzten Jahr vor der Einschulung ist dann noch Zeit, die Kinder durch gezielten Sprachunterricht zu fördern. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit der Grundschule. Aber auch mit Hilfe von Fachkräften wie etwa Logopäden. Kinder lernen Sprache in erster Linie von Erwachsenen. Dazu gehört es, mit und von den Eltern Abzählreime zu lernen, gemeinsam Sprachspiele zu machen oder sich zu unterhalten und dabei Gedanken über die Welt zu machen. Auch zusammen Bücher zu lesen fördert das richtige Sprechen, ebenso wie einfach von seinen Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen zu erzählen. Solche Ge4

5 spräche wirken sich sehr positiv auf die Sprach- und Wissensentwicklung von Kindern aus. Dazu braucht es natürlich Zeit, um auf das Kind eingehen zu können und abzuwarten, was das Kind sagen will. Gelegenheiten, sich ungestört auf die Kinder einzulassen, ergeben sich im Alltag bei gemeinsamen Mahlzeiten, auf dem Weg zum Kindergarten, bei gemeinsamen Busfahrten oder auch vor dem Einschlafen. Als Eltern können Sie sehr viel für die Sprachentwicklung Ihres Kindes tun: Achten Sie auch zu Hause darauf, korrekt zu sprechen. Lesen Sie Ihrem Kind viel vor und sprechen Sie mit ihm über das Gehörte. Lassen Sie Ihr Kind beim gemeinsamen Betrachten von Bildergeschichten erzählen, was passiert, was die handelnden Personen sich wohl dabei denken und was sie dabei fühlen. Lassen Sie Ihr Kind von seinen Erlebnissen erzählen, stellen Sie ihm Fragen. Wenn Ihnen an der Sprache Ihres Kindes etwas ungewöhnlich erscheint, sprechen Sie mit der Erzieherin oder wenden Sie sich an die Kinderärztin oder einen Logopäden. Wenn Sie als Eltern eine andere Muttersprache haben, ist es für Ihr Kind besonders wichtig, so viel wie möglich mit deutsch sprechenden Kindern und Erwachsenen zusammenzusein. Hörspiele können ebenfalls dabei helfen, die deutsche Sprache gut zu lernen. Unterhalten Sie sich so oft wie möglich mit Ihrem Kind .

6 Gerade noch hat sie so schön mit ihren Puppen gespielt und jetzt steht ihre Kleine ratlos vor Ihnen und weiß nichts mit sich anzufangen. Langeweile macht vor keinem Kind Halt – egal ob „Aktivist“ oder „Stubenhocker“. Kinder langweilen sich schneller, wenn sie stundenlang vor dem PC oder Fernseher sitzen. Aber sie langweilen sich auch, wenn sie ständig beschäftigt werden. Die Langeweile ist ein ständiger Begleiter bei langen Autofahrten oder Besuch bei Erwachsenen. Immer dann, wenn Kinder nicht machen können, was sie möchten, langweilen sie sich. Was ist zu tun? Am besten gar nichts! Lassen Sie sich nicht unter Zugzwang setzen, Sie sind nicht für die ständige Unterhaltung Ihres Kindes zuständig. Im Gegenteil: Gewisse Leerlaufzeiten sind wichtig! Erst wenn einem Kind langweilig ist, wird es früher oder später auch eine neue Beschäftigung suchen. Durch Langeweile lernen Kinder also nicht nur, sich selbst zu beschäftigen und kreativ zu werden, sie lernen auch, ihre Zeit selbst zu gestalten. Natürlich gilt auch hier Augenmaß: Sie müssen Ihr Kind nicht absichtlich stundenlang vor sich hindümpeln lassen. Wenn ihm partout nichts einfallen will, können Sie Tipps geben, was es als Nächstes tun könnte. Am Anfang wird sich auch das selbstbewussteste Kind eher die Rolle des „Mitläufers“ aussuchen: Es ist neu in der Gruppe und muss sich erst an den anderen Kindern orientieren. Später dann hat es vielleicht seine eigene kleine Clique, Freunde, mit denen es besonders gern spielt. Es kann sich zum „Chef“ entwickeln oder eher Vermittlereigenschaften an den Tag legen. Vielleicht bringt es auch gern andere zum Lachen! Diva oder Draufgänger? Egal, wie Sie Ihr Kind zu Hause erleben, es kann sein, dass es sich in einer Gruppe von Kindern ganz anders verhält, als Sie es gewohnt sind. Der Kindergarten etwa gibt einem Kind die Möglichkeit, auch andere Rollen im täglichen Miteinander auszuprobieren und daraus zu lernen. Mir ist soo langweilig! Nach dem Fernsehen ist es Kindern besonders schnell langweilig.

7 Im Kindergarten werden Sie manches über Ihr Kind erfahren, was Ihnen neu ist. Vielleicht ist Ihr ansonsten ruhiger Sohn im Kindergarten ein kleiner Rabauke, vielleicht ist es aber auch gerade umgekehrt und Ihre quirlige Tochter nimmt sich in der Gruppe eher zurück und gilt dort sogar als schüchtern. Besonders Kinder, die mit Geschwistern aufwachsen, können in einer Gruppe Charakterzüge zeigen, für die zu Hause wenig Raum ist. Eine große Schwester benimmt sich im Kindergarten vielleicht richtig kindisch, weil sie meint, zu Hause immer die Vernünftige sein zu müssen. Und ein kleiner Bruder, der es mit älteren Geschwistern nicht immer leicht hat, hat in der Gruppe auch mal die Möglichkeit, der Bestimmer zu sein. Ein Kind kann aber auch zum Außenseiter werden: Vielleicht weil es besonders still oder schüchtern ist. Die Rollen, die wir als Kinder durchleben, bleiben aber selten an uns haften. Sie geben die Möglichkeit zum Ausprobieren, zur Entwicklung. Wir lernen in ihnen. So macht fast jeder einmal die Erfahrung, außen zu stehen. Wichtig ist, diese Rolle auch wieder abgeben zu können. Dabei können Sie Ihr Kind unterstützen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass es Ihrem Kind nicht gutgeht, dass es von anderen Kindern nicht gut behandelt wird, suchen Sie in jedem Fall das Gespräch mit der Erzieherin. Reden Sie aber auch mit Ihrem Kind. Hören Sie ihm gut zu und fragen nach. Versuchen Sie herauszufinden, was Ihr Kind in seiner besonderen Situation braucht, was ihm helfen könnte. Wenn Ihr Kind keine Lösungsmöglichkeiten sieht, machen Sie ihm Vorschläge, was vielleicht helfen könnte und lassen Sie Ihr Kind entscheiden, welche Möglichkeit es ausprobieren möchte. Wenn Ihr Kind das möchte, laden Sie Spielfreunde ein oder unterstützen Sie es dabei, es selbst zu tun. Vielleicht sind auch Sie etwas zurückgezogen? Knüpfen Sie Kontakte mit anderen Eltern! Sollte es Ihrem Kind nicht aus eigener Kraft gelingen, sich aus seiner Außenseiterrolle zu befreien, kann möglicherweise eine Erziehungsberatungsstelle weiterhelfen. Die Beratung ist für Sie kostenlos und vertraulich. So kenne ich mein Kind ja gar nicht!

8 Kinder flunkern gern, um die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken. Vielleicht erzählt Ihr Kind im Kindergarten, dass es zu Weihnachten ein Pony geschenkt bekommen hat oder der Papa täglich mit dem Flugzeug in die Arbeit jettet. Hat es zu wenig Selbstbewusstsein oder sucht es auf diesem Weg Anerkennung? Vermutlich ist ein bisschen von beidem der Grund für seine maßlosen Übertreibungen. Am besten helfen Sie Ihrem Kind aus dieser Angeber-Falle, indem Sie es in seinem Selbstwertgefühl stärken. Heben Sie öfters seine Stärken und Begabungen hervor, dann braucht es keine „Räuberpistolen“ zu erzählen, um vor anderen zu bestehen. zählt oder Ihnen eine Unwahrheit auftischt, bleiben Sie gelassen. Wer in diesem Alter hin und wieder flunkert, wird weder ein notorischer Lügner, noch gerät er auf die schiefe Bahn. Kinder flunkern auch häufig, wenn sie etwas angestellt haben. Wenn beispielsweise eine Vase zu Bruch geht, haben sie schnell die Ausrede „Ich war’s nicht!“ parat. Aus welchen Gründen auch immer Ihr Kind „Geschichten“ erHäufen sich allerdings die Ausreden, dann sollten Sie überlegen, warum es Ihrem Kind wohl so schwerfällt, einmal einen Fehler zuzugeben. Sind Sie vielleicht zu streng? Hat Ihr Kind Angst vor einer demütigenden Standpauke („Sag mal spinnst du, wie blöd kann man eigentlich sein?!“) oder vor Bestrafung? Dann hilft nur Gegensteuern: Reagieren Sie vernünftig. Erklären Sie Ihrem Kind genau, dass Fehler und Missgeschicke jedem passieren können, auch einem Erwachsenen. Ermuntern Sie es, die Wahrheit zu sagen. Und wenn es keine Angst vor den Konsequenzen haben muss, wird es das auch tun! Warum lügt mein Kind? Vierjährige Kinder können zwischen Wirklichkeit und Phantasie noch nicht zuverlässig unterscheiden. Deshalb lügen sie auch nicht, sie flunkern. Oftmals erzählen sie Geschichten und vermengen dabei das real Erlebte mit erfundenen Begebenheiten und übertreiben dabei gern. Die Grenze zwischen Wahrheit und Unwahrheit ist bei kleinen Kindern fließend. Erst ab dem Schulalter können sie wirklich unterscheiden Angeberei zeigt, dass dem Kind echte Anerkennung fehlt .

Familien, die gern ein Pflegekind bei sich aufnehmen möchten, informieren sich am besten bei dem für sie zuständigen Jugendamt. Eine solche Entscheidung will gut überlegt sein, denn sie hat für alle Beteiligten Konsequenzen: Für die leiblichen Eltern und Geschwister, für die Pflegeeltern, deren Kinder und vor allem für das Pflegekind selbst. Daher sind sorgfältige Vorbereitung und reifliche Überlegung unbedingt notwendig. Die Mehrheit der Pflegekinder hat regelmäßigen Kontakt zu seinen leiblichen Eltern. Auch Kinder, die schlimme Erfahrungen in ihrer Herkunftsfamilie machen mussten, lieben ihre Eltern und haben eine starke Bindung an sie. Die Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern ist also sehr wichtig. Denn auch wenn es im Laufe der Zeit den Anschein hat, dass das Pflegekind zur neuen Familie gehört, so wird es doch immer ein besonderes Kind – ein Kind mit zwei Familien – bleiben. © congerdesign / Pixabay.com 9 Pflegefamilien Nicht alle Kinder haben das Glück, in ihren Familien ohne größere Probleme heranwachsen zu können. Vor allem wenn äußere Umstände besonders ungünstig sind, benötigen manche Eltern Hilfe und Unterstützung. Schicksalsschläge, finanzielle, gesundheitliche oder psychische Probleme können dazu führen, dass Eltern überfordert sind. Dann kann es nötig werden, ein Kind für eine gewisse Zeit in einer Pflegefamilie unterzubringen. Pflegekinder müssen oft erst wieder lernen zu ver trauen.

10 Ein Pflegekind muss sich in seiner neuen Umgebung zurechtfinden und lernen, seine alten und neuen Erfahrungen in Einklang zu bringen. Es geht neue Beziehungen ein, wird aber gleichzeitig bestehende Bindungen an seine Familie beibehalten. Um diese schwierige Situation gut verarbeiten zu können, braucht ein Pflegekind Unterstützung und Verständnis. Es muss die Chance erhalten, seine Lebenssituation zu verstehen. Es möchte wissen, warum es nicht mehr bei seinen leiblichen Eltern leben kann, was weiter mit ihm geschehen soll und wie lange es bei seiner Pflegefamilie bleiben wird. Bei einigen Kindern ist zu erwarten, dass sich die Situation in der Herkunftsfamilie über einen absehbaren Zeitraum hinweg wieder stabilisieren wird und die Eltern ihr Kind wieder selbst betreuen können. Bei anderen Familien ist die Perspektive äußerst unklar und es wird unter Umständen eine langfristige Unterbringung bis zur Volljährigkeit des Kindes notwendig sein. Für Pflegeeltern ist diese Unsicherheit oft schwer zu verkraften. Sie möchten einerseits eine Bindung zu ihrem Pflegekind aufbauen, müssen sich aber immer wieder bewusst machen, dass das Pflegeverhältnis früher oder später zu Ende gehen wird. Pflegeeltern sind Kooperationspartner des Jugendamtes. Sie können dort auch nach der Vermittlung des Pflegekindes immer Rat und Unterstützung einholen. Die finanziellen Aufwendungen für den Lebensunterhalt und die Erziehung des Kindes werden durch das Pflegegeld (zwischen 800 und 1.000 Euro, gestaffelt nach Alter des Kindes) teilweise ausgeglichen. Bei allen Schwierigkeiten bietet eine Pflegefamilie einem Kind die Möglichkeit, in einem familiären Umfeld aufgenommen, betreut und erzogen zu werden. Es erlebt dort die Geborgenheit und die Stabilität, die ihm seine leiblichen Eltern vorübergehend oder auch langfristig nicht geben können. Für die aufnehmende Familie ist ein Pflegekind eine große Herausforderung. Doch wie alle größeren Herausforderungen des Lebens kann auch diese zu einer großen Bereicherung werden. Es können Monate, aber au ch Jahre werden.

11 Mein Kind ist heute krank Sicher kennen Sie die Situation: Im Laufe des Tages wird Ihr Kind immer quengeliger, wirkt angegriffen und erschöpft. Ein Griff an seine heiße Stirn und Sie wissen: Mein Kind ist krank. Manchmal zeigt sich eine Erkrankung Ihres Kindes auch frühmorgens beim Aufstehen, wenn Sie schon fertig sind, um in die Arbeit zu gehen: Was tun? Zunächst ist es wichtig festzustellen, was Ihrem Kind fehlt. Sprechen Sie mit ihm, fragen Sie nach seinen Beschwerden und messen Sie Fieber. Für kranke Kinder sind jedoch oftmals die Eltern die liebsten „Betreuer“, auch wenn die Oma noch so nett ist. Wenn es Ihrem Kind schlecht geht, gibt die Anwesenheit von Mama oder Papa doch am meisten Trost und Sicherheit. Eltern, die angestellt arbeiten und wie ihr Kind gesetzlich krankenversichert sind, haben in der Regel Anspruch auf bis zu zehn zusätzliche freie Arbeitstage pro Jahr, wenn ihr unter zwölfjähriges Kind krank ist. Bei Alleinerziehenden sind es 20 Tage. Die Rücksprache mit Ihrem Arbeitgeber und / oder Ihrer Krankenkasse ist jedoch in jedem Fall notwendig. Meist wird ein ärztliches Attest verlangt. Wenn Ihr Kind Fieber hat, starken Durchfall und/oder Erbrechen oder Anzeichen einer Kinderkrankheit wie zum Beispiel Windpocken aufweist, sollten Sie – zunächst telefonisch – mit Ihrem Kinderarzt Kontakt aufnehmen. Im Zweifelsfall ab zum Arzt!

12 Wenn der kleine Patient nun gut versorgt ist, sich auf dem Weg der Genesung befindet, aber noch das Bett hüten muss, hat er oftmals schreckliche Langeweile. Soweit es Ihnen möglich ist: Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Kind. Auch wenn Ihr Kind sonst wenig für Bücher zu begeistern ist, wird es in dieser Situation dankbar sein, wenn Sie ihm vorlesen. Vielleicht kann es dabei auch wieder einschlafen. Hörspiele und DVDs sind lange nicht so schön wie eine Geschichte, die Mama oder Papa vorlesen. Aber auch sie können ein wenig Langeweile nehmen, trösten und ablenken. Allerdings sollte nicht zu viel konsumiert werden, sonst kann es zu Reizüberflutung kommen. Kleine Spiele, die im Bett gespielt werden können, sind ebenfalls immer willkommen. Geeignet sind Ratespiele oder ähnliches. Wenn es Ihrem Kind wieder ein wenig besser geht und seine Erkrankung nicht (mehr) ansteckend ist, kann es auch Besuch bekommen. Die Freundin oder die Großeltern sind dann eine willkommene Abwechslung. Achten Sie aber darauf, dass Ihr Kind sich nicht überanstrengt und genug Schlaf bekommt Ein leckerer Tee und leichte, nicht belastende Kost sind für Ihr Kind jetzt genau das Richtige. Mit Ihrer liebevollen Pflege wird Ihr Kind sicher bald wieder gesund werden. Wenn der Tag zu lang wird bringen Hörspiele eine gute Abwechslung. © silviarita / Pixabay.com

Erklären Sie all kindgerecht, aber so, dass Ihr Kind logen fühlt . sich später nicht b es eIm Krankenhaus Wenn Ihr Kind sehr krank ist oder ins Krankenhaus muss, ist die Aufregung in der Familie groß. Trotzdem sollten Sie als Eltern versuchen, Zuversicht auszustrahlen. Nur wenn Sie Gelassenheit zeigen, können Sie diese auch an Ihr Kind weitergeben. Ihre Ruhe wird sich auf Ihr Kind übertragen. Besprechen Sie Ihre Sorgen und Ängste nur, wenn Ihr Kind nicht dabei ist. Ist ein Krankenhausaufenthalt länger geplant und unvermeidbar, sprechen Sie mit Ihrem Kind. Erklären Sie ihm genau, warum es ins Krankenhaus muss und welcher Behandlung es sich unterziehen muss. Muss beispielsweise eine Mandeloperation durchgeführt werden, beschreiben Sie ihm altersgerecht, wie der Eingriff vorgenommen wird. Vielleicht hat Ihr Kind ja Angst, dass ihm der Hals aufgeschnitten wird. Nehmen Sie solche Ängste ernst und erklären ihm – notfalls auch öfter – was genau passiert. Bereiten Sie Ihr Kind vor. Es gibt viele Kinderbücher, die das Thema Krankheit und Krankenhaus – altersgerecht – aufgreifen. Auch Kinder-Ärztekoffer helfen, sich spielerisch mit der fremden Welt des Krankenhauses vertraut zu machen. Oder schlagen Sie ein Rollenspiel vor. Vielleicht kann Ihr Kind die Rolle der Ärztin übernehmen und sich so schon mal mit dem Thema beschäftigen und auf den Tag X vorbereiten. Wenn Sie Ihr Kind ins Krankenhaus bringen, so lassen Sie es dort nicht allein. Bleiben Sie bei ihm. Das wird ihm Sicherheit und Stabilität geben. Fast jedes Krankenhaus bietet heute die Möglichkeit des sogenannten Roomingin, bei dem Mutter oder Vater auch über Nacht bei ihrem Kind bleiben können. Falls das aus irgendeinem Grund nicht möglich sein sollte, kommen Sie sooft wie möglich zu Besuch. Auch außergewöhnliche Zeiten werden in der Regel akzeptiert. Bringen Sie auch Erinnerungsstücke von zu Hause mit. Kuscheltiere, Fotos, Lieblingsbücher oder der Schal von Mama können den Aufenthalt im Krankenhaus erleichtern. 13

Kinder und Eltern ihrem Alter und ihrem Verständnis entsprechend informiert und in alle Entscheidungen mit einbezogen werden sollen; • • • • Ihr Kind möchte genau wissen, was vorgeht . Das Kind hat nicht nur Angst vor dem Alleinsein, es ist auch das erste Mal einer ihm völlig fremden Routine ausgesetzt. Der Eingriff oder die Behandlung, die Arztvisite und die Medikamente – alles Dinge, die Ihr Kleines noch nie erlebt hat. Deshalb ist es auch so wichtig, dass es genau Bescheid weiß, etwa warum ihm Blut abgenommen wird. Wissen sollte es auch, dass es ein bisschen wehtut kann. Wehrt sich Ihr Kind gegen eine Untersuchung, sollten Sie es auf keinen Fall schimpfen. Machen Sie ihm stattdessen klar, warum diese Behandlung nötig ist und dass es davon wieder gesund wird. Wichtig ist auch, Ihrem Kind den Verlauf der Behandlung gut zu erklären. Achten Sie auch bei den Gesprächen mit dem Arzt darauf, dass Ihr Kind alles versteht. Möglicherweise erschreckende Tatsachen sollten Sie aber lieber mit Arzt oder Ärztin unter vier Augen besprechen. Wussten Sie schon... dass es eine „European Association for Children in Hospital“ (EACH) gibt, die sich für die Rechte von Kindern im Krankenhaus einsetzt? Diese Organisation fordert u. a., dass Kinder, die zur Behandlung im Krankenhaus aufgenommen werden, immer ihre Eltern oder andere Bezugspersonen bei sich haben dürfen; sie in einer Umgebung betreut werden sollen, die ihrem Alter und Zustand entspricht. Ein Kind sollte also nicht einfach auf einer Erwachsenenstation behandelt werden; das betreuende Personal speziell ausgebildet und auch in der Lage sein soll, auf die körperlichen, seelischen und entwicklungsbedingten Bedürfnisse des Kindes einzugehen. 14

Ei nur Sinn, wenn sie au ch aufgesetzt wird . • • Besorgen Sie Kinderbücher, Lieder oder Hörspiele zum Thema. Vielleicht erfinden Sie aber auch selbst eine BrillenGeschichte für Ihr Kind! • Wenn Ihr Kind schielt, kann es nötig sein, zusätzlich das stärker sehende Auge mit einem Pflaster abzukleben. Dafür gibt es extra bunte Augenpflaster, die das Abkleben erleichtern. Wenn Ihr Kind kein Pflaster verträgt, können Sie auch die Brille selbst mit einer bunten Folie abkleben. ne Brille hat Braucht Ihr Kind eine Brille? Ihr Kind beschäftigt sich jetzt immer mehr mit kleinen Dingen: Es spielt mit kleinen Bausteinen, fädelt kleine Perlen auf eine Schnur, es zeichnet und bastelt. Wenn Ihr Kind schlecht sieht, ist dies problematischer als noch vor einem Jahr. Manche Kinder beginnen im Kindergartenalter auch zu schielen. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind nicht gut genug sieht, sprechen Sie mit einem Kinderarzt oder einer Augenärztin. Der Sehtest für Kinder, die noch nicht lesen können, wird mit Bildertafeln durchgeführt. Sollte sich wirklich herausstellen, dass Ihr Kind unter einer Sehschwäche leidet, kann eine Brille Abhilfe schaffen. Keine Angst: Kinderbrillen sind heute sehr hübsch, leicht und auch recht stabil. Ihr Kind wird dennoch Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen. Erklären Sie Ihrem Kind, warum es eine Brille tragen muss. • Suchen Sie gemeinsam ein Brillenmodell aus, das auch Ihrem Kind gefällt. Bei manchen übernimmt die Krankenkasse die gesamten Kosten, bei anderen einen Teil davon. • Sagen Sie Ihrem Kind, dass ihm die Brille gut steht und dass es sehr gut damit aussieht. • Ein festes Etui schützt die Brille vor Beschädigung und Verschmutzen. Wenn es auch noch bunt ist, umso besser. Die Angst, dass Ihr Kind deswegen im Kindergarten gehänselt wird, erweist sich meist als unbegründet. Kinder in diesem Alter reagieren noch sehr unvoreingenommen. Sie finden die Herzchen und Bärchen auf den Pflastern meist ganz lustig. Je entspannter Sie damit umgehen, umso leichter wird Ihr Kind auch die Brille oder das Pflaster für sich akzeptieren. 15

ClimatePartner 0 klimaneutral Druck 110: 10822-1-408·1001 IJ FSC www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 Bayerisches Staatsministerium für Famil ie, Arbeit und Sozia les B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunter-laden oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landes-jugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Pflegekinder Wenden Sie sich bitte an das für Sie zuständige Jugendamt oder an Pfad für Kinder, Landesverband Bayern. Das ist ein Zusammenschluss verschiedener Vereine, www.pfad-bayern.de, die sich mit Pflege- und Adoptivfamilien befassen. Erkrankung Wenn Ihr Kind krank ist und Sie Unterstützung brauchen, auf www.familienpflegewerk.de finden Sie Hilfe oder auf der Webseite, www.familienpatenbayern.de finden Sie Hilfe bei Familienpaten. Wer sich zum Thema Kinder im Krankenhaus informieren möchte, unter www.akik.de, kann man sich an Aktion Kind im Krankenhaus wenden. Im nächsten Elternbrief: – „Ich heirate den Papi“ – Lernen im Kindergarten: Gesundheit und Bewegung – Nachts noch eine Windel? – Kinder dürfen Nein sagen – Das aggressive Kind – Familie hat viele Gesichter: Stieffamilien – Radeln und schwimmen Die Elternbriefe werden gefördert durch: 18 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202118

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