Aber respektieren sie auch ihre Kinder? Natürlich sind Kinder noch jung und können noch lange nicht alles. Sie machen Fehler und manchmal auch Unsinn. Dennoch haben auch sie Respekt verdient. Respekt vor ihrer Person und Respekt vor den Dingen, die ihnen wichtig sind. – - - - - Respektieren Sie die Dinge, die ihm Ihr Kind und gehören. B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Briefe 29 INHALT 7 Jahre 8 Monate 1 Respekt und Toleranz 3 „Meine Lehrerin ist doof!“ 5 Mein Kind wird gemobbt! 7 Missbrauch erkennen 10 Mein Freund, der Ali 11 Land- oder Stadtleben? 14 Was ist Dyskalkulie? Kinder verdienen Respekt! Alle Eltern wünschen sich ein glückliches Kind. Nur wie werden Kinder denn glücklich? Patentrezepte gibt es nicht, aber eines ist sicher: Kinder brauchen Liebe und Zuwen dung. Sie brauchen Aufmerksamkeit und Zeit. Sie brau chen Geduld und Unterstützung, Vertrauen und das Ge fühl, dass sie dazugehören. Und sie brauchen Respekt. Denn nur wer als Person wahrgenommen und respektiert wird, kann mutig und selbstbewusst werden und sich den Herausforderungen des Lebens stellen. Nehmen Sie Ihr Kind an – mit all seinen Liebenswürdig keiten, aber auch mit seinen Fehlern. Es ist einzigartig und es hat Ihre Liebe verdient. Respekt und Toleranz gehören in jede gute Beziehung. Man achtet und respektiert sich gegenseitig. Und man toleriert den anderen in seiner Eigenart und Einzigartigkeit. Dies gilt auch für eine Eltern-Kind-Beziehung. Die Eltern erwarten, dass sie von ihren Kindern respektiert werden.
nicht einfach über Setzen Sie sich Ihr Kind hinweg. Haben Sie auch schon einmal Ihrem Kind in aller Öffentlichkeit den Mund abgewischt? Und hat Ihr Kind empört reagiert? Es hat recht! Denn was bei einem Kleinkind noch in Ordnung ist, geht bei einem Schulkind gar nicht mehr. Wenn es also einen verschmierten Mund hat, dann bitten Sie es, sich selbst abzuputzen. Beispiel Kinobesuch: Sie kaufen Ihrem Kind eine Tüte Popcorn und greifen während der Vorstellung einfach selbst zu. Auch das geht nicht. Es ist das Popcorn Ihres Kindes, und wenn Sie davon essen möchten, müssen Sie fragen. Oder beim Aufräumen: Waren Sie auch schon versucht, alte Spielsachen oder zu klein gewordene Anziehsachen einfach zu entsorgen? Vorsicht! Es handelt sich um das Eigentum Ihres Kindes. Es sollte selbst darüber bestimmen dürfen, ob und was entsorgt oder verschenkt werden soll. Vermeiden Sie es auch, in Gegenwart Ihrer Tochter mit anderen über sie zu sprechen. Und wenn Sie Probleme mit Ihrem Sohn haben und sich mit Ihrem Partner darüber austauschen wollen: Machen Sie dies bitte nicht in der Gegenwart des Kindes. Das kann als extrem kränkend empfunden werden. Neben Respekt ist auch Toleranz wichtig. Achten Sie die Grenzen Ihres Kindes. Vielleicht ist es empfindlich und schnell beleidigt. Wenn Sie diese Charaktereigenschaften kennen, sollten Sie nicht darauf herumreiten und es in aller Öffentlichkeit bloßstellen. Akzeptieren Sie Ihr Kind mit seinen Eigenarten – es ist einzigartig und liebenswert. Übrigens, wer Toleranz und Respekt vorlebt, wird auch selbst respektiert und toleriert. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die in einem stark autoritär geprägten Elternhaus groß geworden sind, zunächst dessen Werte übernehmen, diese aber schnell wieder ablegen, sobald keine Bestrafung mehr zu erwarten ist. Andererseits hat sich herausgestellt, dass Kinder, die in einem eher demokratischen Erziehungsstil erzogen wurden, sich mit den Werten der Eltern auseinandersetzen und diese übernehmen. 2
„Meine Lehrerin ist doof!“ Die Lehrerin Ihres Kindes bittet Sie, in die Sprechstunde zu kommen. Oder Ihr Kind beklagt sich darüber, dass ein Lehrer es nicht leiden könne und es ungerecht behandle. Wie reagieren Sie? Wenn etwas nicht in Ordnung ist, ist es wichtig, im Gespräch mit der Lehrkraft den Dingen auf den Grund zu gehen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Handeln Sie frühzeitig! Es könnte sich auch herausstellen, dass alles nur ein Missverständnis war und das Problem ist schnell vom Tisch. Gerade, wenn es um schwerwiegendere Probleme Ihres Kindes geht, um Schulnoten oder die schulische Laufbahn, kochen die Emotionen gerne einmal über. Bemühen Sie sich trotzdem um eine möglichst konstruktive, sachliche Zusammenarbeit mit der Lehrkraft und beachten Sie die bewährten Grundregeln des fairen Streitens (siehe auch Elternbrief 30). kommen. Halten Sie sich an konkrete Beispiele. Kritik sollten Sie nicht von vornherein abblocken, aber auch nicht ungefragt übernehmen. Gehen Sie lieber Punkt für Punkt darauf ein. Bringen Sie Ihre Fragen und Anliegen möglichst bald zur Sprache und achten Sie darauf, dass man sie auch als Fragen und Anliegen erkennen kann und nicht als Vorwürfe. Machen Sie klar, dass es Ihnen um die Lösung des Problems geht und nicht um eine Anklage. Es geht nicht darum, recht zu behalten, sondern gemeinsam zu kindgerechten Lösungen zu Nehmen au ch Sie Kritik an. © motointermedia / Pixabay.com 3
Halten Sie guten Kontakt zur Lehrkraft . Nicht immer werden Sie sich auf eine Ideallösung einigen können. Ringen Sie gemeinsam um Strategien, mit denen beide Seiten leben können. Seien Sie ein guter Verbündeter Ihres Kindes, aber bauen Sie keine Fronten auf. Wenn alle Bemühungen fruchtlos sind Wenn Sie im Gespräch mit einer Lehrkraft gar nicht weiterkommen, können Sie sich Beistand bei einem Mitglied des Elternbeirats holen, beim Vertrauenslehrer oder bei der Schulpsychologin. Die Schulleitung ist die nächste Instanz, wenn gar keine Lösung erarbeitet werden kann. Signalisieren Sie auch hier, dass es Ihnen um eine Lösung geht und nicht darum, jemanden anzuschwärzen. Sollten Sie mit einem berechtigten Anliegen auch innerhalb der Schule auf taube Ohren stoßen, so ist das Schulamt die zuständige Instanz. Halten Sie den korrekten Instanzenweg ein, versuchen Sie also immer zuerst die Klärung mit der zuständigen Lehrkraft. Damit es gar nicht erst so weit kommt Damit Konflikte mit Lehrern erst gar nicht entstehen oder schon zeitig entschärft werden können, ist es wichtig, dass Sie den Kontakt mit der Schule Ihres Kindes pflegen. Elternsprechtage, Sprechstunden, aber auch informelle Treffen wie Elternstammtische oder Schulfeste geben Ihnen die Möglichkeit, mit der Lehrerin Ihres Kindes in Kontakt zu kommen und sich über Ihr Kind auszutauschen. Vermeiden Sie in jedem Fall, vor Ihrem Kind kritisch oder gar respektlos über seinen Lehrer oder über Lehrer im Allgemeinen zu sprechen. Ihr Kind wird sich sonst schwertun, die Lehrkraft im Unterricht angemessen zu akzeptieren und ihren Anweisungen zu folgen. Das wiederum wirkt sich negativ auf das Lehrer-SchülerVerhältnis aus und der Konflikt schraubt sich immer weiter hoch. 4
Die Neuen haben es oft schwer in einer Klasse. Mein Kind wird gemobbt! Wohl jeder Mensch macht im Leben einmal die Erfahrung, in einer Gruppe nicht so anerkannt und beliebt zu sein wie erhofft. Jede Klassengemeinschaft hat eine Art „Hackordnung“: Da gibt es die Meinungsführer und die unauffälligen Mitläufer – und es gibt auch immer wieder Kinder, die von anderen absichtlich ausgegrenzt werden. Warum ist das so? Innerhalb einer Schulklasse gelten (oft unausgesprochene) Regeln. Möchte oder kann ein Schüler oder eine Schülerin sich diesen nicht beugen, ist dies ein willkommener Anlass zur Ausgrenzung. Manchmal genügt auch eine Eigenheit oder Besonderheit, um Kinder zum Beispiel als Streberin oder als Sportversager abzustempeln. Oft ist es auch einfach nur der oder die Neue in der Klasse, die ausgegrenzt wird. Die Grenzen zum Mobbing sind fließend. Das Tückische ist, dass es sich zunächst einmal nur um kleinere Sticheleien handeln kann, die für sich genommen keine große Bedeutung haben müssen. Auf längere Sicht jedoch ist es die Häufung dieser Angriffe, durch die sich Kinder von den anderen ständig abgewertet fühlen. Sie empfinden sich dieser Situation hilflos ausgeliefert. Kinder, die innerhalb einer Gruppe ausgegrenzt werden, haben oft von vorneherein ein geringes Selbstwertgefühl, verhalten sich unsicher und ängstlich, sind manchmal ungeschickt oder hilflos. Wenn sie nun von ihren Mitschülern auch noch gehänselt oder abgewertet werden, sinkt das Selbstwertgefühl noch weiter nach unten. Die Folgen können Lern- und Schulunlust, Konzentrationsstörungen oder absinkende Leistungen sein, manchmal auch Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen. 5
• • • • • • Nur wenn Ihr Kind sich nicht selbst helfen kann, sollten Sie eingreifen. Wie können Sie helfen? Beobachten Sie Ihr Kind aufmerksam und reden Sie mit ihm. Sprechen Sie es auf Veränderungen an. Wenn Ihnen Ihr Kind von Ausgrenzungen oder Angriffen erzählt, hören Sie ihm zu und zeigen Sie Mitgefühl und Verständnis. Fragen Sie Ihr Kind, wie die Vorfälle genau ablaufen. Selbst wenn es sich um Kleinigkeiten handelt, nehmen Sie sie ernst. So fühlt sich Ihr Kind unterstützt. Fragen Sie Ihr Kind, wie es sich gegenüber den anderen Kindern verhält. Es hat sicher einiges versucht, um diesen unangenehmen Situationen zu entrinnen. Fragen Sie, wie seine Methoden funktioniert haben. War es besser, einfach zu gehen oder sich zu wehren? Überlegen Sie mit dem Kind, welche Lösungsmöglichkeiten es noch geben könnte. Kann es sich mit anderen Kindern in der Klasse anfreunden? Kann es weggehen und die Sticheleien ignorieren? Kann es selbstbewusster auftreten und sich wehren? Hat Ihr Kind einen Lösungsweg ausprobiert, fragen Sie nach, wie es gelaufen ist. Wichtig ist, dass sich Ihr Kind mit Ihnen besprechen kann und sich ernst genommen fühlt. Wenn Ihr Kind die Situation von sich aus nicht lösen kann, sollten Sie sich als Eltern überlegen, selbst einzugreifen. Die Eltern der Kinder anzurufen, die Ihr Kind ausgrenzen und schlecht behandeln, ist keine gute Idee. In der Regel sind diese Eltern ahnungslos und werden auch zunächst einmal ihr eigenes Kind verteidigen. Die Gefahr besteht, dass solch eine Aktion die Situation für Ihr Kind noch verschlechtert, weil sich die anderen Kinder angeschwärzt fühlen und sich rächen. Besser ist es, die Klassenlehrerin oder einen Vertrauenslehrer zu informieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. In manchen Grundschulen sind auch Sozialpädagogen tätig, die mit der Klasse oder einer Gruppe von Kindern an solchen Situationen arbeiten können. Wenn Sie selbst eingreifen wollen, etwa indem Sie die Lehrkraft oder den Elternbeirat informieren, erklären Sie Ihrem Kind, mit wem Sie sprechen werden und halten Sie es über die Gespräche auf dem Laufenden. 6
spürbar zurü ck . Das Kind zieht sich Missbrauch erkennen Kinder, die misshandelt oder sexuell missbraucht werden, haben oft große Schwierigkeiten, sich damit Erwachsenen anzuvertrauen. Zu groß sind die Scham und die Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird oder dass ihr Geständnis schlimme Folgen haben könnte. Täter machen sich diese Angst zunutze. Täter, die Kinder sexuell misshandeln, drohen häufig z.B. damit, dass das Kind ins Heim kommen würde, wenn es etwas erzählt, oder dass der Mama dann etwas Schlimmes zustoßen könnte. Jugendliche Täter, die jüngere Kinder erpressen und schlagen, drohen oft mit noch stärkerer Gewalt für den Fall, dass Erwachsene eingeschaltet würden. Kinder, die Gewalt, vor allem auch sexuelle Gewalt, erfahren, werden dadurch seelisch schwer verletzt, ja traumatisiert. Sie reagieren nicht mehr wie früher, nicht wie andere Kinder. Sie zeigen ihre Not auf andere Weise (siehe Kasten). Wie Kinder sich verändern können Sozialer Rückzug Das Kind meidet den Kontakt zu Gleichaltrigen. Es geht nicht mehr gerne unter Leute und ist auch innerhalb der Familie zurückgezogen. Es erzählt nichts mehr. Seelische Unausgeglichenheit Das Kind ist einerseits sehr in sich gekehrt, „nicht von dieser Welt“, ein andermal verhält es sich aggressiv und wütend oder bricht in Tränen aus. Schlafstörungen, Albträume und auch Einnässen sind nicht selten. Angstreaktionen Das Kind ist vorsichtig, schreckhaft und ängstlich. Es kann sich weigern, zur Schule zu gehen, allein eine Besorgung zu machen oder irgendwo allein auf die Toilette zu gehen. Körperliche Reaktionen Das Kind klagt zum Beispiel über Kopf- oder Bauchschmerzen, Schwindel, Übelkeit oder andere Symptome. Leistungseinbruch Das Kind bekommt in der Schule Probleme. Es verliert zunehmend sein Selbstbewusstsein. 7
Achten Sie auf Verletzungen und blaue Flecken. © Anemone123 / Pixabay.com Diese Symptome weisen jedoch zunächst einmal nur darauf hin, dass es einem Kind nicht gut geht. Was genau mit ihm passiert ist, kann man daraus noch nicht schließen. Kinder, die einen sexuellen Missbrauch erleben mussten, zeigen manchmal auch zusätzliche Reaktionen. So haben sie Kenntnisse über Sexualität, die weit über das hinausgehen, was Kinder ihres Alters gemeinhin wissen. Außerdem haben sie oftmals Hemmungen, sich vor anderen auszuziehen. Beim Arzt, im Schwimmbad oder in der Gemeinschaftsumkleide der Schule reagieren sie sehr verschämt. Kinder, die misshandelt werden, zeigen ähnliche Verhaltensweisen. Sie haben immer wieder einmal Verletzungen oder blaue Flecken – und zwar an Körperstellen, an denen Kinder sich beim Spielen normalerweise nicht von selbst verletzen, etwa am Rücken. Sie werden versuchen, diese zu verstecken. Seien Sie also über einen längeren Zeitraum hinweg besonders aufmerksam. 8
Konfrontieren Sie Ihr Kind auf keinen Fall mit Ihrem Verdacht! • • • • • • • • • • • • Wenn Ihr Kind schweigt Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass es Ihnen alles, wirklich alles erzählen kann, ohne dass es negative Konsequenzen befürchten muss. Sprechen Sie Ihr Kind behutsam auf die Veränderungen an, die Sie an ihm wahrnehmen, sprechen Sie aber Ihren Verdacht nicht aus. Fragen Sie Ihr Kind, ob es Probleme hat und ob Sie ihm irgendwie helfen können. Wenn Ihr Kind erzählt So schwer es auch ist: Bleiben Sie ruhig! Wenn Sie panisch, verzweifelt oder wütend reagieren, wird Ihr Kind sich wieder verschließen. Es hat ja ohnehin die große Angst, dass sein Geständnis katastrophale Folgen für alle haben könnte. Umso wichtiger ist jetzt Ihre Besonnenheit. Lassen Sie Ihr Kind erzählen, wenn nötig, auch in mehreren Etappen. Unterbrechen Sie es nicht, drängen Sie es nicht und bewerten Sie vor allem nichts, was Ihr Kind getan hat. Auch wenn Ihnen manches an der Erzählung Ihres Kindes unwahrscheinlich erscheint, auch wenn Menschen betroffen sind, die Sie kennen und mögen: Es ist ganz wichtig, dass Sie Ihrem Kind Glauben schenken. Sagen Sie Ihrem Kind, wie froh Sie sind, dass es Ihnen davon erzählt hat. Sagen Sie ihm auch, dass Sie dafür sorgen werden, dass es aufhört, auch wenn Sie noch nicht genau wissen, wie das geschehen soll. Suchen Sie sich Hilfe. Am besten wenden Sie sich zunächst an eine Beratungsstelle. Hier können Sie mit fachlicher Anleitung Ihr weiteres Vorgehen planen. Die Mitarbeiter stehen unter Schweigepflicht. Das Jugendamt ist ebenfalls ein Ansprechpartner. Die Mitarbeiter haben keine Verpflichtung zur Anzeige, das Kindeswohl steht im Vordergrund. Auch die Polizei ist eine Anlaufstelle. Sie muss als Strafverfolgungsbehörde Ermittlungen aufnehmen, sobald ihr die Tatsachen einer eventuellen Straftat bekannt geworden sind. Unterbinden Sie in jedem Fall sofort und nachhaltig den Kontakt Ihres Kindes zum Täter oder zu den Tätern. 9
Fremdes wird mit der Zeit ver traut . Mein Freund, der Ali Ihr Kind hatte wahrscheinlich schon im Kindergarten Freunde, deren Eltern aus einem anderen Land stammen. Auch in der Schule wird es Kontakt zu Kindern ausländischer Eltern haben, die anders leben, als Ihr Kind es von zu Hause gewöhnt ist. Diese anderen Lebensweisen kennenzulernen, kann für Ihr Kind und auch Sie sehr wertvoll sein. Wenn Kinder, die aus einem anderen Heimatland stammen, zu Ihnen zu Besuch kommen, dann ist es interessant zu wissen, woher sie oder deren Eltern stammen. Fragen Sie nach und reden Sie mit Ihrem Kind darüber, es weiß sicher mehr. Sie können natürlich auch direkt nachhaken und so erfahren, was in der früheren Heimat des neuen Freundes oder der neuen Freundin vor sich geht, wie die Familie nach Deutschland gekommen ist und wie lange sie schon hier lebt. Der Kontakt mit anderen Kulturen kann uns sehr bereichern: Nicht nur erfahren wir, wie es in anderen Ländern zugeht oder was für Sitten und Gebräuche es dort gibt. Wir lernen auch, unser eigenes Leben mit anderen Augen zu sehen. Wir wissen plötzlich zu schätzen, was es beispielsweise bedeutet, in einem friedlichen Land zu leben und sich keine Sorgen um das tägliche Essen und Auskommen machen zu müssen. Erklären Sie das auch Ihrem Kind. Durch neue Freunde hat es plötzlich einen ganz direkten Zugang zu Dingen und Erfahrungen, der ihm sonst vielleicht verschlossen bleiben würde. Natürlich wird es irgendwann einen Gegenbesuch geben und Ihr Kind wird erfahren, wie andere Familien leben. Dass es zum Beispiel bei Aaron zu Hause ganz andere Sachen zu essen gibt, weil seine Familie nur koscher isst, oder dass man bei Fatima nicht einfach übernachten kann, weil das in türkischen oder arabischen Familien nicht üblich ist. Was Ihr Kind zunächst als überraschend und fremdartig empfindet, wird es mit der Zeit als ganz normal ansehen und respektieren. 10
Auf dem Land ist der soziale Zusammenhalt stark . Land- oder Stadtleben? Wo lebt sich’s mit Kindern am besten? Auf dem Land, wo sie sich freier bewegen können, wo man mehr Wohnraum und damit mehr Platz für die Kinder zur Verfügung hat, wo Kinder in der Natur spielen können? Oder in der Stadt, wo man Schule oder Kinderarzt, Kino oder Bücherei ganz in der Nähe hat und es mehr Möglichkeiten der Kinderbetreuung gibt? Familien, die auf dem Land leben, sind dort oftmals auch verwandtschaftlich verwurzelt. Ein Elternteil ist vielleicht im Ort geboren und aufgewachsen. Das hat den Vorteil, dass auch die Großeltern meist dort leben und die junge Familie gut unterstützen können – zum Beispiel, indem sie sich als Babysitter anbieten. Zudem kennt wenigstens einer der beiden Partner viele Leute im Dorf und hat ein funktionierendes soziales Netzwerk. Alte Schulfreundinnen, Bekannte aus dem Fußballverein oder dem Kirchenchor, viele Menschen im gleichen Alter haben ebenfalls Kinder und so hat man als Familie schnell Anschluss an andere. Wenn man als Familie neu in ein Dorf zieht, kann sich das schwieriger gestalten. Die sozialen Netzwerke stehen bereits, die Leute kennen sich untereinander und es ist oft nicht so leicht, Anschluss zu finden. © ThomasRuffershoefer / Pixabay.com 11
In Neubausiedlungen su chen alle Kontakt . Anders ist es, wenn irgendwo neue Siedlungen entstehen, in die mehrere Familien von außerhalb zuziehen. Hier suchen ja alle gleichermaßen Kontakt und sind neuen Bekanntschaften gegenüber offener. Für die Kinder ist es wichtig, dass ihre Eltern sich nicht abkapseln, denn für sie ist der Kontakt zu anderen Kindern unverzichtbar. Sie können auch nicht mal eben in die 30 km entfernte Kreisstadt fahren, um Freunde zu treffen, sie müssen sich an ihrem Wohnort integrieren. Darum kann die Mitgliedschaft in einem Verein oder die freiwillige Mitarbeit in der Kirchengemeinde oder einer sozialen Einrichtung ein guter Weg sein, in der ländlichen Gemeinde Fuß zu fassen und andere Leute kennenzulernen. Das gilt natürlich für die Eltern ebenso wie für die Kinder. Viele Menschen, die auf dem Land leben, wohnen in einem Haus. Das hat viel Platz, macht aber auch Arbeit, ebenso ein Garten. Diese Arbeit muss irgendwie verteilt werden. Im Idealfall helfen bei der Hausarbeit alle zusammen, aber oft bleibt davon das meiste an den Frauen hängen – besonders wenn in einer Familie noch eine traditionellere Rollenaufteilung herrscht. Familien, die in der Stadt leben, sind oftmals anders organisiert. Sie sind weniger Teil einer Gemeinschaft, ihr Freundeskreis besteht oft aus vielen Einzelbekanntschaften, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben. In der Stadt ist es oft leichter, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Die Wege zur Arbeit sind meistens gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Es gibt mehr Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, und eine Stadtwohnung ist leichter in Schuss zu halten als ein Haus mit Garten. Besonders für Alleinerziehende ist es in der Stadt oft einfacher, Betreuung für die Kinder zu organisieren und auch für sich selbst ein Netzwerk aufzubauen. Sie finden hier leichter Menschen in ähnlicher Situation als auf dem Land. Für den naturverbundenen Menschen jedoch, der vielleicht auch auf dem Land groß geworden ist, kann sich eine Stadtwohnung wie ein Gefängnis anfühlen. Und auch für Kinder, die einen Garten und das Leben in einer Dorfgemeinschaft gewohnt waren, ist das Leben in der Stadt zunächst nicht so attraktiv. Hier können sie nicht einfach vor die Tür gehen und Freunde treffen. Und 12
Ob eh r städtisch ch e er län oder eh ohnor t dli hat sei – Jeder W ne Vor- und Nachteile. um zum nächsten Bolzplatz zu kommen, müssen sie möglicherweise mit dem Bus fahren. Die meisten Familien sind mit ihrer Wohnsituation ganz zufrieden. Andere wiederum denken an einen Ortswechsel. Sie möchten gern aufs Land ziehen oder, gerade auch nach einer Trennung und Scheidung, lieber in der Stadt wohnen. Dabei ist es wichtig, gut zu überlegen, was das für beide Partner, aber auch für die Kinder bedeutet. Jedes Familienmitglied sollte sich mit der neuen Lebenssituation arrangieren können. Mit einem Jugendlichen aus der Stadt auf einen Einödhof zu ziehen, wäre wohl keine gute Idee. Ebenso wenig, wie eine Großfamilie, die bisher am Land gelebt hat, in eine Etagenwohnung in der City einzuquartieren. Kinder lieben das Gewohnte. Große Veränderungen mögen sie nicht und bewältigen sie nicht immer so leicht. Wenn Sie als Eltern dafür Sorge tragen, dass die Lebensverhältnisse Ihrer Familie im Großen und Ganzen stabil sind, können ihre Kinder aber auch einmal die eine oder andere Veränderung in ihrem Leben verkraften. 13
Kinder mit Dyskalkulie sind nicht weniger intelligent als andere! Was ist Dyskalkulie? Die Dyskalkulie ist eine Rechenstörung. Betroffen sind etwa ein Prozent aller Kinder. Aber nicht jedes Kind, das schlecht rechnet, hat eine Dyskalkulie. Wenn jedoch die Leistungen, die ein Kind im Rechnen zeigt, auffallend schlechter sind als die Leistungen in den anderen Fächern, könnte dies ein Hinweis dafür sein. Bei einer Dyskalkulie bleibt das Kind im Bereich Rechnen sehr weit hinter den Erwartungen zurück, die aufgrund seines Alters und seiner allgemeinen Intelligenz eigentlich nahelägen. Kinder mit einer Rechenstörung machen keine „typischen“ Rechenfehler. In jeder Klassenstufe kommen wieder neue Aspekte im Umgang mit Zahlen hinzu, die ihnen Schwierigkeiten bereiten. Kinder mit Dyskalkulie brauchen meist besonders lange zum Lösen von Aufgaben und haben große Schwierigkeiten, sich Zahlen, Mengen und Größen vorzustellen. Oftmals fällt es ihnen auch schwer, sich zu konzentrieren. Sie haben kein Verständnis für Rechenoperationen und können Ergebnisse schlecht abschätzen. Wenn etwa ein Kind mit Dyskalkulie die Zahlen 3 und 5 zusammenzählen soll und zum Ergebnis 2 kommt, dann wundert es sich nicht. Dabei sind Kinder mit einer Rechenstörung nicht weniger intelligent. Sie können in anderen Bereichen ebenso gute oder sogar bessere Leistungen erbringen als andere Kinder. Die Ursachen der Rechenstörung sind noch weniger bekannt und erforscht als die der LeseRechtschreibstörung. Wahrscheinlich sind minimale Entwicklungsstörungen des Gehirns dafür verantwortlich. Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Kind könnte unter Dyskalkulie leiden, sprechen Sie in jedem Fall zunächst einmal mit der Lehrkraft. Durch den gezielten Förderunterricht, der in den meisten Schulen mittlerweile angeboten wird, kann Ihr Kind entsprechend unterstützt werden. 14
Kinder mit Dyskalkulie können sich Mengen schlecht vorstellen. © Rudy & Peter Skitterians / Pixabay.com Wenn sich aber trotz aller Bemühungen keine Besserung einstellt, sollte Ihr Kind einem Schulpsychologen oder einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vorgestellt werden. Dabei geht es zunächst darum festzustellen, ob es sich bei der Rechenschwäche Ihres Kindes tatsächlich um eine Dyskalkulie handelt. Ein betroffenes Kind kann mit geeigneter Förderung und gegebenenfalls auch therapeutischen Maßnahmen so unterstützt werden, dass es mit seiner Rechenschwäche besser zurechtkommt. Neben dem Einüben bestimmter Fertigkeiten können Kinder mit Hilfe einer Therapie auch lernen, sich selbst positiver zu sehen, Versagensängste zu reduzieren und Verhaltensschwierigkeiten, die sich aufgrund der bestehenden Störung vielleicht entwickelt haben, abzubauen. Sie als Eltern können diesen Prozess unterstützen: Ähnlich wie von Legasthenie betroffene Kinder brauchen Kinder mit Dyskalkulie viele Erfolgserlebnisse. Sie brauchen Ihre Geduld und Ihr Verständnis. Und sie brauchen das Gefühl, dass Sie, Ihre Eltern, sie lieben und stolz auf sie sind. 15
ClimatePartner0 klimaneutral DruckllD:10822-1408-1001 FSC www.'9c.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 D Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Misshandlung oder Missbrauch Hilfe und Unterstützung erhalten Sie unter: www.stmas.bayern.de/kinderschutz/kinderschutzambulanz, beim zuständigen Jugendamt, den Erziehungsberatungsstellen sowie beim Deutschen Kinderschutzbund. Initiative Wildwasser e. V.: www.wildwasser.de Die Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle kibs, https://www.kinderschutz.de/Angebote/Beratung-beisexuellem-Missbrauch/KIBS, wendet sich an Jungen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Dyskalkulie Rat und Unterstützung finden Sie bei den Erziehungsberatungsstellen. Eine gute Anlaufstelle ist der Landesverband Legasthenie und Dyskalkulie Bayern e. V.: www.legastheniebayern.de, hier finden Sie viele weitere Informationen. Im nächsten Elternbrief: – Ihr Kind wird kritisch – Rund um die Schule: Die Förderstunden – Familie hat viele Gesichter: Leben mit Schulkindern – Stockbrot und Kartoffelfeuer – Bewegung und Ernährung: Eltern sind Vorbild – Mit Partnerkrisen umgehen – Regeln für faires Streiten – Mit acht Jahren noch zum Kinderarzt? Die Elternbriefe werden gefördert durch: 29 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202129
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