Elternbrief Nr. 28

- - - - - Zickenalarm und Schulhoframbos B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 28 INHALT Trösten hilft! Erstaunt es Sie nicht auch manchmal, wie groß Ihr Kind schon ist? Es berichtet von der Schule – mal fröhlich, mal wütend (und manchmal gar nicht) – und regelt viele Din ge schon alleine. Auch seine Freizeit organisiert es in vie len Bereichen schon selbst. Nachmittags ist Ihr Sohn mit anderen Jungs unterwegs oder die Tochter steckt gerne mit den besten Freundinnen zusammen. Ihr Kind geht von sich aus auf andere Menschen zu. Es erlebt dabei seine ers- ten Erfolge, aber auch seine ersten großen Enttäuschun gen. Dann ist es traurig und untröstlich und muss diese Krise doch irgendwie selbst durchstehen. Aber zum Glück hat es ja Sie. Hören Sie ihm gut zu und neh men Sie Ihr großes kleines Kind ganz fest in den Arm! 7 Jahre 4 Monate 1 Was Mädchen und Jungs unterscheidet 3 „Na, wie war’s in der Schule?” 5 Mein Kind ist heute traurig 7 Vor Missbrauch schützen 9 Was ist Legasthenie? 12 Die Regenbogenfamilie 14 Kinder und Konsum 14 Ab 7 : beschränkt geschäftsfähig „Männer und Frauen passen nicht zueinander!“ Dieser Satz ist wohl nie mehr im Leben zutreffender als im Alter zwischen sechs und elf Jahren. Während Jungen und Mädchen im Kindergarten noch einträchtig im Sandkasten gespielt haben, herrscht ab dem Schuleintritt Funkstille. Sie haben sich nichts mehr oder nicht mehr viel zu sagen, gehen sich aus dem Weg, suchen sich Freunde gleichen Geschlechts. Das ist, so die Psychologen, völlig norBriefe

Latenzphase: Nichts ist wichtiger als die beste Freundin. © Pezibear / Pixabay.com mal. Die Kinder befinden sich jetzt in der sogenannten Latenzphase. Bis zum Beginn der Pubertät steht nun das eigene Geschlecht im Vordergrund. Die Mädchen orientieren sich an ihren Müttern und suchen sich jetzt eine beste Freundin. Mit ihr stecken sie ständig zusammen, gehen Händchen haltend über den Pausenhof und schmieden Pläne für die Zukunft. Mit ihr können sie über alles reden, ihr alles anvertrauen. Psychologen sagen, sie üben für die spätere Partnerschaft. Anders die Jungen: Sie eifern ihren Vätern nach und kopieren ihr Verhalten. Bei ihnen geht es um Konkurrenz. Wer klettert auf den höchsten Baum? Wer dribbelt am geschicktesten übers Fußballfeld und schießt die meisten Tore? Und sie bewegen sich fast immer in der Gruppe – der beste Freund ist eher selten. Jungen wollen auch nicht reden, sie wetteifern miteinander und versuchen herauszufinden, wer der Stärkere ist. Ihre Fantasien kreisen um Gefahr, Konflikte, körperliche Stärke und heldenhafte Taten. 2

Kind nicht, etwas Drängen Sie Ihr zu erzählen. „Na, wie war’s in der Schule?“ Erzählt Ihr Kind Ihnen gerne etwas aus der Schule? Oder müssen Sie ihm alles aus der Nase ziehen? Kinder reagieren hier sehr unterschiedlich. Während die einen beim Nach-Hause-Kommen gleich munter drauflosplappern oder auch einmal wütend ihre Schultasche in die Ecke pfeffern, sind andere Kinder eher still und in sich gekehrt. Was nicht heißt, dass sie nichts zu erzählen hätten! Doch auch wenn man sie direkt fragt, ist nicht sehr viel aus ihnen herauszubekommen. Egal, wie mitteilsam Ihr Kind sein mag, wichtig ist, dass es Zeit für Gespräche gibt. Wenn Ihr Kind mittags oder auch abends nach Hause kommt, braucht es Ihre Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Es hat einen langen und anstrengenden Tag oder Vormittag hinter sich. Es hat viel erlebt, von dem Sie nichts wissen. Seien Sie offen für das, was es Ihnen mitteilen möchte. Auch wenn es nicht viel spricht, so können Sie vielleicht auch Kummer oder Freude an seinem Verhalten erkennen. Wenn es nichts erzählen möchte, dringen Sie nicht in Ihr Kind. Vielleicht ist es in ein paar Stunden, zum Beispiel beim Gutenacht-Sagen, so weit, dass es mit Ihnen reden will. Im Familienalltag treffen Groß und Klein am Nachmittag oder frühen Abend oft recht müde aufeinander. Alle hatten einen arbeitsreichen oder sogar stressigen Tag. Da kann es leicht passieren, dass die Bedürfnisse der Einzelnen untergehen. Abendbrot machen, Aufräumen, Wäsche waschen, all das muss ja auch noch bewältigt werden. Familienrituale können helfen, hier ein wenig Raum zu schaffen und Ruhe einkehren zu lassen. Schon gleich beim Nach-HauseKommen wäre es schön, wenn Sie kurz auf Ihr Kind eingehen könnten mit einem freundlichen „Na, wie war’s in der Schule? Geht’s dir gut?“ Beim gemeinsamen Abendbrot sollte jedes Familienmitglied die Möglichkeit haben, ein wenig von seinem Tag zu erzählen. Wenn ein Kind dabei zu wenig zu Wort kommt, fragen Sie ruhig nach: „Und wie war dein Tag? Hattest du heute nicht Sport?“ Doch was tun, wenn Ihr Kind Ihnen aus der Schule weniger schöne Dinge erzählt, unter denen es leidet und die ihm das Leben schwer machen? Ärger mit 3

• • • • • • • • Ihr Kind erzählt aus seiner sehr persönlichen Sicht . Zweifeln Sie das Erlebte nicht an. Mitschülern, mit der Lehrerin, Probleme, dem Unterricht zu folgen? Hören Sie Ihrem Kind aufmerksam zu. Unterbrechen Sie es nicht, machen Sie noch keine Vorschläge und bieten Sie keine Lösungen an. Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen oder noch Informationen brauchen. „Was hat denn die Lehrerin dazu gesagt?“ oder „Wie viele Kinder waren denn dabei?“ Vertrauen Sie Ihrem Kind. Es erzählt die Dinge so, wie es sie erlebt hat. Das sollten Sie ernst nehmen und nicht vorschnell in Zweifel ziehen. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie seine Gefühle verstehen. „Das war sicher ganz schön hart für dich!“ oder „Wie ist es dir denn da gegangen?“ signalisieren, dass Sie Ihr Kind verstehen und mit ihm fühlen. Wenn Sie glauben, dass es Handlungsbedarf gibt, beziehen Sie Ihr Kind mit ein. Fragen Sie: „Was könnte ich tun, um dir zu helfen?“ Machen Sie ruhig Vorschläge: „Ich könnte einmal mit der Lehrerin reden, was meinst du?“ oder „Sollen wir uns die Rechenaufgabe mal gemeinsam anschauen?“ Das gilt vor allem für Konflikte mit anderen Kindern. Greifen Sie nicht vorschnell zum Telefon, um sich bei anderen Eltern über deren Sprösslinge zu beschweren. Das schafft viel böses Blut und erschwert den Kindern die Versöhnung. Überlegen Sie lieber gemeinsam mit Ihrem Kind, wie es sich verhalten könnte. Sammeln Sie Ideen, wie solche Auseinandersetzungen unter den Kindern gelöst werden könnten. Lassen Sie Ihr Kind mit diesen Vorschlägen dann aber nicht allein. Fragen Sie auch in der Folgezeit immer mal wieder nach, wie es denn jetzt mit dem Basti aus der dritten Klasse weitergegangen ist und ob er Ihr Kind immer in der Pause ärgert. Unterstützen Sie es. Sollte Ihr Kind jedoch massiv unter Druck gesetzt werden, bei Gewalt, Mobbing und ähnlichen Vorgängen müssen Sie Ihr Kind selbstverständlich in Schutz nehmen und sich unverzüglich mit der Lehrkraft in Verbindung setzen. Aber auch in diesem Fall sollten Sie mit Ihrem Kind darüber reden und ihm erklären, was Sie tun und warum das notwendig ist. 4

Spielen Sie den Grund für die Trauer Ihres Kindes nicht herunter. Mein Kind ist heute traurig Gibt es etwas Traurigeres als ein trauriges Kind? Die Gründe können vielfältig sein. Vielleicht hat Ihre Tochter sich mit der besten Freundin zerstritten, vielleicht wurde Ihr Sohn in der Schule ausgelacht, vielleicht ist der geliebte Hamster gestorben. Fest steht, dass da jemand ganz großen Kummer hat. Was braucht Ihr Kind jetzt? Zunächst einmal braucht ein Kind die Gewissheit, dass es nicht allein ist. Auch wenn es nicht über seinen Kummer reden will, auch wenn es sich nicht gleich in den Arm nehmen lässt: Sie sind bei ihm und das ist gut und tröstlich. Außerdem ist es wichtig, dass Sie Ihr Kind in seinem Kummer ernst nehmen. Die Traurigkeit des eigenen Kindes ist für Eltern oft so schwer auszuhalten, dass sie den Grund dafür lieber herunterspielen, nach dem Motto: „Ist doch nicht so schlimm!“. Dabei wäre es für ein trauriges Kind so wichtig, dass es sich verstanden fühlt und merkt, dass die Eltern seinen Schmerz nachvollziehen können. Sagen Sie also lieber: „Ja, ich kann mir vorstellen, dass das für dich ganz schön schwer ist.“ oder „Das tut natürlich weh.“ Fragen Sie, wonach Ihrem Kind gerade ist. Möchte es sich etwas hinlegen, möchte es vorgelesen bekommen oder Musik hören? Vielleicht weiß es selbst am besten, was es gerade braucht. Schenken Sie Ihrem Kind Zeit, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Nehmen Sie es in den Arm oder auf den Schoß, sprechen Sie ruhig und tröstlich mit ihm, streicheln Sie es. Wenn das gerade nicht möglich ist, weil zum Beispiel ein kleineres Geschwisterkind schreit, versichern Sie Ihrem Kind, dass Sie gleich wieder kommen oder dass Sie sich abends, wenn die Geschwister im Bett sind, noch einmal ganz viel Zeit nehmen werden. Machen Sie ruhig Ausnahmen. Ein Kind in seinem Kummer ernst zu nehmen, kann auch heißen, von den sonstigen Erziehungsprinzipien abzuweichen und es ein wenig zu verwöhnen. Es kann wichtig sein, dass Ihr trauriges Kind ausnahmsweise bei Ihnen im Bett schlafen darf oder es keine Hausaufgaben machen muss, wenn die Katze gestorben ist. Dass es, wenn es großen Ärger mit seinem Freund hat, vielleicht am Nachmittag eine Kindersendung auf DVD anschauen darf, 5

Nur keine Süßigkeiten als Trostpflaster. die ein wenig länger dauert als es sonst erlaubt ist. Süßigkeiten sind als Trostpflaster problematisch, aber vielleicht können die Lieblingsnudeln zu Mittag, Pfannkuchen am Abend oder saftige Erdbeeren mit Sahne die Lebensgeister Ihres Kindes wieder wecken? Wenn Sie mit Ihrem Kind sprechen, fragen Sie es auch nach seinen eigenen Vorstellungen, wie es sich wünscht, dass es weitergeht. Wie möchte es zukünftig mit den Kindern umgehen, die es so geärgert haben? Wie kann es den Konflikt mit dem Freund wieder geradebiegen? Sprechen Sie aber nicht zu früh über Lösungen, erst einmal müssen die Gefühle von Ärger und Trauer ihren Platz bekommen. Erst dann ist Ihr Kind offen für Veränderungen. Auch wenn Sie zu wissen glauben, wie eine Lösung aussehen könnte: Drängen Sie Ihrem Kind Ihre Vorstellungen nicht auf, machen Sie Vorschläge, beachten Sie aber auch seine Wünsche. Vielleicht können Sie so gemeinsam einen Plan entwerfen, damit alles wieder gut wird. Doch nicht alles kann man auf diese Weise regeln. Manches im Leben muss einfach betrauert werden. Man kann nichts daran ändern. Dazu gehört auch der Tod eines nahen Menschen. Das ist umso schwerer für Ihr Kind, je mehr Sie selbst vom Tod eines Angehörigen oder Freundes betroffen sind. Sprechen Sie mit Ihrem Kind. Lassen Sie es in seiner Verwirrung und Trauer nicht allein (siehe auch Elternbrief 38). Es gibt auch Kinderbücher, die sich einfühlsam mit dem Tod beschäftigen und ihn für Kinder ein wenig fassbarer machen. Über so ein Buch kommen Sie auch leichter mit Ihrem Kind ins Gespräch. Wenn auch Sie traurig sind: Versuchen Sie Ihre und die Trauer Ihres Kindes anzunehmen. Verstecken Sie Ihre eigene Trauer nicht vor Ihrem Kind, aber zeigen Sie sich nicht so verzweifelt, wie Sie sich vielleicht fühlen. Mit der Trauer können Kinder besser umgehen als mit der Hilflosigkeit und Verzweiflung Ihrer Eltern. Ihr Kind braucht Ihre Zuversicht, dass irgendwie doch wieder alles gut werden wird. 6

ist ein guter Schutz . Selbstsicherheit Vor Missbrauch schützen Medienberichte über sexuellen Missbrauch von Kindern schockieren immer wieder die Menschen und machen vor allen Dingen Eltern Angst. Und Sie als Eltern haben sich sicher auch schon einmal gefragt: Wie kann ich mein Kind vor solchen Übergriffen schützen? Drei Viertel aller Missbrauchsfälle ereignen sich im sozialen Nahraum. Das bedeutet, dass der Täter oder die Täterin dem Kind bekannt ist. Es kann ein guter Freund der Familie sein, ein Nachbar, ein Betreuer – und auch innerhalb der Familie kommt es leider zu sexuellen Übergriffen. Grundsätzlich ist jeder sexuelle Kontakt zwischen einem Erwachsenen und einem Kind Missbrauch. Kinder tragen niemals die Verantwortung dafür, die erwachsenen Täter tragen hier die alleinige Schuld. So schlimm es auch ist: Kein Kind kann mit hundertprozentiger Sicherheit vor einer solchen Erfahrung, einem solchen Trauma geschützt werden. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind zum Opfer wird, ist umso geringer, je selbstbewusster und ausgeglichener ein Kind ist, je mehr Vertrauen es zu seinen Eltern hat und je mehr Rückhalt es in seiner Familie findet. Kinder, die ihre Selbstsicherheit entwickeln konnten, sind für Täter oft wenig interessant. Gerade bei Missbrauch im engeren Umfeld baut sich der Kontakt zwischen Täter und Opfer ja langsam auf. Und selbstbewusste Kinder stellen für Täter ein zu großes Risiko dar: Sie spüren früher als andere, wenn etwas nicht in Ordnung ist, d. h. wenn ihnen der Kontakt zu einem Erwachsenen irgendwie seltsam vorkommt. Sie können „Nein“ sagen und sind selbstsicher genug zu sagen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Und sie werden eher als andere mit ihren Eltern reden und darauf vertrauen, dass sie Verständnis und Unterstützung erfahren. Versuchen Sie also, Ihr Kind zu schützen, indem Sie es zu einer starken Persönlichkeit erziehen. Mehr zu diesem Thema lesen Sie im Elternbrief 29. Beratungsangebote finden Sie am Ende dieses Briefes. 7

• • • • • „Nein“-Sagen ist erlaubt! © Prashant Sharma / Pixabay.com So ist Ihr Kind besser gewappnet! Ihr Kind findet bei Ihnen Liebe und Aufmerksamkeit. Es muss nicht außerhalb der Familie nach Anerkennung und Zärtlichkeit suchen. Ihr Kind darf „Nein“ sagen: Kein Bussi, kein Knuddeln und Drücken gegen seinen Willen! Ihr Kind weiß, was es fühlt, und dass diese Gefühle in der Familie ernst genommen werden. Ist Ihr Kind traurig, heißt es nicht: „Das ist doch nicht so schlimm!“. Tut etwas weh, sagen Sie nicht: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Ihr Kind soll seinen eigenen Empfindungen trauen können! Ihr Kind darf auch einmal seine eigenen Entscheidungen treffen. Auch schüchterne Kinder wissen, was sie (nicht) wollen. Zwingen Sie ihnen nicht ohne Not Ihre Entscheidungen auf. Ihr Kind kann immer mit Ihnen reden. Dazu gehört auch, dass Sie ihm aufmerksam zuhören. Oft fehlt es im Alltag an Zeit und Gelegenheit, in Ruhe ein vertrauensvolles Gespräch zu führen. Ihr Kind sollte jedoch die Gewissheit haben, dass es immer und mit allem zu Ihnen kommen kann. Es sollte das auch im Alltag bei kleineren Sorgen und Nöten erleben. 8

Oft werden Bu chstaben ver tauscht oder verwechselt . Was ist Legasthenie? Legasthenie ist eine Lese- und Rechtschreibstörung. Betroffen sind etwa fünf Prozent aller Kinder. Aber nicht jedes Kind mit Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens leidet daran. Von einer Legasthenie wird erst dann gesprochen, wenn die Lese- und/oder Rechtschreibleistungen eines Kindes deutlich schlechter sind, als man es bei seiner Intelligenz und seinem Alter von ihm erwarten würde. Wenn Ihr Kind zum Beispiel in den Fächern Mathematik und Heimat- und Sachkunde gute Leistungen zeigt, aber im Fach Deutsch große Schwierigkeiten hat, könnte das auf eine Legasthenie hinweisen. Natürlich gibt es auch andere Gründe für schwache Deutschleistungen: Etwa wenn ein Kind nicht gut sehen oder hören kann, oder wenn Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Auch Konzentrationsstörungen können die Ursache sein. Legastheniker verwechseln oft ähnlich aussehende Buchstaben, vertauschen die Reihenfolge der Buchstaben eines Wortes oder lassen Buchstaben oder Wortteile weg. Sie können häufig ähnlich klingende Buchstaben nicht unterscheiden und können Rechtschreibregeln meist nicht umsetzen, auch wenn sie sie kennen. Beim Lesen sind die betroffenen Kinder oft sehr langsam, lassen Buchstaben und Wortteile weg, verdrehen die Buchstabenfolge oder ersetzen ganze Wortteile. Oft verstehen die Kinder den selbst gelesenen Text nicht. Ihr Kind steht noch am Anfang seiner Schullaufbahn. Wenn Sie aber jetzt schon das Gefühl haben, dass es sich mit dem Lesen und Schreiben unverhältnismäßig schwer tut, sprechen Sie mit der Lehrkraft Ihres Kindes. In den meisten Schulen wird mittlerweile Förderunterricht für Kinder mit Schwierigkeiten in einzelnen Fächern angeboten. Vielleicht lässt sich damit ja schon so manches auffangen. Eine eindeutige Diagnose kann jedoch nur der Schulpsychologe oder eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie erstellen. Legasthenie ist zwar im eigentlichen Sinn nicht heilbar, aber durch geeignete Förderung können Kinder mit Legasthenie große Fortschritte erzielen. 9

Kinder dür fen sich wegen ihrer Legasthenie nicht als Versager fühlen. Wurde bei einem Kind Legasthenie diagnostiziert, können ihm besondere Erleichterungen in der Schule helfen, die entstehenden Benachteiligungen etwas auszugleichen. Die Rechtschreibleistungen werden beispielsweise nicht benotet, und zwar weder im Fach Deutsch noch in anderen Fächern. Es gibt mehr Zeit für die Bearbeitung von Prüfungsaufgaben und, wenn notwendig, weitere Unterstützung (etwa durch das Vorlesen einer Aufgabe). Legasthenie kann sich auf das Selbstbewusstsein eines Kindes sehr negativ auswirken. Es merkt, dass es mit seinen Klassenkameraden nicht mithalten kann und hat wenig Möglichkeiten, das zu ändern. Es muss mehr üben als seine Freunde und hat weniger Erfolgserlebnisse. Wenn also Ihr Kind von einer Lese- und Rechtschreibschwäche betroffen ist, so braucht es in der Regel auch zu Hause Unterstützung und Ermunterung. © Markus Spiske / Pixabay.com 10

• • • • • • Ihrem Kind Er folgsVerschaffen Sie erlebnisse außerhalb der Schule. Die Hausaufgaben und das Üben zu Hause können für Eltern wie Kinder belastend sein: Haben Sie Geduld. Wenn Sie mit Ihrem Kind üben, passen Sie Ihr Tempo dem Ihres Kindes an. Ihr Kind braucht länger als andere, um Fortschritte zu erzielen. Denken Sie in kleinen Schritten. Erkennen Sie auch kleinste Lernfortschritte an und loben Sie Ihr Kind dafür. Schrauben Sie Ihre Ansprüche herunter. Es muss nicht gleich das ganze Arbeitsblatt fehlerfrei bearbeitet sein. Ein paar richtig geschriebene neue Wörter sind schon ein Erfolg. Das Verhältnis von Eltern und Kindern kann darunter sehr leiden, wenn es bei den Hausaufgaben immer wieder zu Konflikten und Ausbrüchen kommt. Wenn das so ist, sollten Sie nach Entlastungsmöglichkeiten für sich suchen. Vielleicht gibt es jemanden aus Ihrer Familie oder dem Freundeskreis, der Ihr Kind bei den Hausaufgaben unterstützen kann. Ihr Kind braucht immer wieder Erfolgserlebnisse. Das können andere Schulfächer sein. Vielleicht ist es in Mathematik oder in Sport besonders gut. Auch im Hobby- oder Freizeitbereich gibt es für Ihr Kind Möglichkeiten, sich als tüchtig und leistungsstark zu erleben. Nicht nur Leistung zählt: Ihr Kind hat viele andere Eigenschaften und Fähigkeiten, die Ihre Beachtung und Anerkennung verdienen wie zum Beispiel Freundlichkeit, Offenheit, Hilfsbereitschaft, Fröhlichkeit, Lebendigkeit, Witz, Nachdenklichkeit, Kreativität – lernen Sie, auch solche Charakterstärken bei Ihrem Kind zu sehen und anzuerkennen. Seien Sie stolz auf Ihr Kind und zeigen Sie dies auch nach außen. 11

Bezugspersonen ihres eigenen Kinder brau chen au ch Geschlechts als Vorbilder. Die Regenbogenfamilie Unter einer „Regenbogenfamilie“ versteht man eine Familie, in der ein gleichgeschlechtliches Paar mit einem oder mehreren Kindern als Familie zusammenlebt. Meist stammen die Kinder aus einer früheren Ehe oder heterosexuellen Beziehung eines der beiden Partner. Die Bezeichnung „Regenbogenfamilie“ leitet sich von der sechsfarbigen Regenbogenfahne her, dem international verwendeten Symbol der Homosexuellenbewegung. Das Besondere an Regenbogenfamilien ist, dass der Eltern- und Stiefelternteil dem gleichen Geschlecht angehören. Das andere Geschlecht ist durch keinen Erwachsenen vertreten. Erzieht nun ein Frauenpaar einen Jungen oder ein Männerpaar ein Mädchen, so gibt es für das Kind im engeren Rahmen dieser Kleinfamilie keine Bezugsperson des gleichen Geschlechts. Allerdings kann, ebenso wie bei einer Familie mit einem alleinerziehenden Elternteil, durchaus guter Kontakt zum anderen leiblichen Elternteil bestehen, und im größeren Umfeld lassen sich meist auch weitere hilfreiche Bezugspersonen finden. Die Rollenbilder von Mutter und Vater verschwimmen auch bei Familien mit verschiedengeschlechtlichen Elternteilen immer mehr. Kochende Väter und sportbegeisterte Mütter gehören zum modernen Familienalltag. Die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ist längst nicht mehr so stark gesellschaftlich vorgegeben wie früher. Auch eine Familie mit zwei Vätern oder zwei Müttern kann also gut funktionieren. Trotzdem sind Regenbogenfamilien auch heute noch oftmals Diskriminierungen oder zumindest dem starken Gefühl „anders“ zu sein ausgesetzt. Darunter leiden vor allem die Kinder. Besonders in der Pubertät können sie das Problem bekommen, von der Gruppe der Gleichaltrigen selbst als homosexuell abgestempelt zu werden. Dabei sind sie nicht anders als andere Kinder: 12

Nicht anders als alle anderen au ch ! Kinder aus Regenbogenfamilien – sind nicht auffälliger und haben nicht mehr Verhaltens- und Entwicklungsstörungen als Kinder heterosexueller Eltern. – werden nicht öfter Opfer von Missbrauch als andere Kinder. – sind als junge Erwachsene genauso oft heterosexuell orientiert wie andere. – gehen allerdings oftmals bewusster und nachdenklicher mit dem Thema Sexualität um und zeigen viel psychische Stärke, wenn es darum geht, den einschlägigen Vorurteilen entgegenzutreten. Die rechtliche Situation innerhalb einer Regenbogenfamilie In einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht dem Partner oder der Partnerin des allein sorgeberechtigten Elternteils im Hinblick auf dessen Kinder ein sogenanntes „kleines Sorgerecht“ zu. So kann man alltägliche einvernehmliche Entscheidungen auch ohne die ausdrückliche schriftliche Vollmacht des leiblichen Elternteils treffen. 13

g-oßes Eis! Ich mag ein Kinder haben f inanzielle Macht . Kinder und Konsum Kennen Sie das auch: Sie wollen Ihrem Kind eine Freude machen und bringen ein T-Shirt mit. In freudiger Erwartung wird die Tüte aufgerissen und dann entgleisen die Gesichtszüge. „So was ziehe ich nicht an!“, heißt es patzig und das T-Shirt landet in der Ecke. Mit sieben, acht Jahren wissen Kinder schon sehr genau, was sie anziehen möchten und was nicht. Kinder sind längst zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor geworden. Sie verfügen nicht nur selbst über eine enorme Kaufkraft, son- dern üben auch Einfluss auf die Kaufentscheidungen ihrer Eltern aus. Die Werbung hat sie längst als Zielgruppe erkannt. Mehrere Milliarden Euro landen Kinder ab sieben Jahren: beschränkt geschäftsfähig „Beschränkte Geschäftsfähigkeit“ bedeutet, dass die Rechtsgeschäfte Ihres Kindes ab dem siebten Lebensjahr nicht mehr völlig unwirksam sind. Allerdings müssen Sie in die Rechtsgeschäfte, die auch rechtliche Nachteile wie Zahlungs- und Lieferpflichten beinhalten, einwilligen. Wenn Sie das tun, dann sind die Rechtsgeschäfte Ihres Kindes von Anfang an wirksam. In Ausnahmefällen sind Geschäfte, die Ihr Kind mit dem Geld bezahlt hat, das ihm zur freien Verfügung steht, auch ohne Ihre Einwilligung wirksam (Taschengeldparagraf). Wenn Ihr Kind also von seinem Taschengeld eine CD oder eine Zeitschrift kauft und vollständig bezahlt, ist dieser Vertrag wirksam. Wenn Ihr Kind aber zum Beispiel einen Computer kauft, den es von seinem Taschengeld noch nicht vollständig bezahlen kann, haben Sie das Recht, die (nachträgliche) Einwilligung zu verweigern. Damit wird das Geschäft von Anfang an unwirksam. Der Computer muss dann an den Verkäufer zurückgegeben werden und dieser muss die bereits erhaltenen Teilbeträge zurückerstatten. 14

Die Verlockungen in den Läden sind groß. jährlich in Form von Taschengeld und Geldgeschenken in Kinderhänden. Kinder sind markenbewusst und unterliegen einem starken Gruppendruck. Wer zum Beispiel nicht trägt, was „in“ ist, kann bei seinen Gleichaltrigen schnell „out“ sein. Eltern fällt es oft schwer, diese Dynamik zu verstehen. Aber striktes Ablehnen ist genauso wenig hilfreich wie ständiges Nachgeben. Kinder brauchen auch hier Orientierung. Sprechen Sie über die Ausgaben. Wägen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam ab, was wirklich nötig ist. Wenn es ohnehin eine neue Hose braucht, dann sollten Sie seine Wünsche – falls es Ihre finanziellen Mittel erlauben – berücksichtigen. Wenn nicht, können Sie sich vielleicht auf einen Kompromiss einigen. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass eine Markenjeans nicht überlebenswichtig ist. Stärken Sie sein Selbstvertrauen, damit es keine Statussymbole braucht, um in der harten Welt der Gleichaltrigen zu bestehen. © Gerhard Gellinger / Pixabay.com 15

ClimatePartner 0 klimaneutral DruckllD:10822-1408-1001 FSC www.hc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 JJ, !l;l'\'~rlil(.'h $ s r @!$1lillii ~ CnlJ ~) ru, n1 iht 1 Acl 1 \,Jnr l StJ..Ci.1 1 L°' B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Thema Missbrauch Wichtige Anschriften finden Sie unter: www.gewaltschutz.bayern.de. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite www.blja.bayern.de/service/adressen/ einrichtungen/index.php vor. Die Broschüre „Handeln statt Schweigen“ kann kostenlos beim Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, www.stmas.bayern.de, angefordert werden. Elterntelefon des deutschen Kinderschutzbundes: Tel. 0800 111 0550 (Anruf kostenlos) Katholische und evangelische Telefonseelsorge: Tel. 0800 111 0 222 bzw. 0800 111 0 111. (Anruf kostenlos) Legasthenie Auf der Webseite: www.legasthenie-bayern.de finden Sie Infos sowie bei Erziehungsberatungsstellen oder Elternverbänden. Im nächsten Elternbrief: – Respekt und Toleranz – Rund um die Schule: Meine Lehrerin ist doof! – Ist das schon Mobbing? Probleme mit den Mitschülern – Missbrauch erkennen – Mein Freund, der Ali – Familie hat viele Gesichter: Leben auf dem Land, Leben in der Stadt – Was ist eigentlich Dyskalkulie? Die Elternbriefe werden gefördert durch: 28 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202128

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