Elternbrief Nr. 19 Erziehungsratgeber Bayerisches Landesjuge

- - - - - - - - „Ich heirate den Papi!“ B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 19 INHALT 4 Jahre 4 Monate 1 „Ich heirate den Papi!“ 3 Gesundheit und Bewegung 4 Nachts noch eine Windel? 5 Kinder dürfen NEIN sagen 7 Das aggressive Kind 9 Stieffamilien 13 Radeln und Schwimmen Der kleine Dickkopf Ihr Kind wird immer selbstständiger und entwickelt ei nen starken eigenen Willen. Das ist nicht immer einfach, vor allem wenn sich seine Vorstellungen nicht mit den Ih ren decken. Etwa wenn Ihre kleine Tochter mitten im Win ter partout ihr Liebligssommerkleid anzie hen will. Ihr Kind wird sich vielleicht Ihre Gegenargumente anhören, aber trotzdem auf seiner Kleiderwahl be harren. Finden Sie gemeinsam ei nen sinnvollen Kompromiss! Wichtig ist, dass Sie nicht endlos diskutieren und sich auch in keinen Macht kampf verwickeln lassen. Den ver lieren Sie nämlich garantiert... Zwischen viertem und sechstem Lebensjahr wird für Kinder der Unterschied zwischen Mann und Frau besonders wichtig. Psychologen nennen diese Zeit die „ödipale Phase“. Der Name geht zurück auf die Sage vom griechischen Helden Ödipus, der unwissentlich seinen Vater tötete und dann seine Mutter heiratete. In der Tat wird für Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren der gegengeschlechtliche Elternteil besonders interessant: Das kleine Mädchen wendet sich intensiv dem Vater zu und versucht, ihm zu gefallen oder ihn zu beeindrucken. Der kleine Junge ist in dieser Zeit oft stark an die Mutter gebunden und rivalisiert eher mit dem VaBriefe

Was bedeutet es, ein Mädchen oder Junge zu sein? © Pezibear / Pixabay.com ter. Für den Elternteil, der gerade nicht der „Liebling“ seines Kindes ist, ist das manchmal gar nicht so einfach auszuhalten. Sie als Vater bemühen sich redlich um Ihren Sohn, aber der will nur von seiner Mutter ins Bett gebracht werden. Als Mutter versuchen Sie, für Ihre Tochter da zu sein und mit ihr etwas zu unternehmen, aber Papa ist einfach der Größte. Seien Sie deswegen nicht gekränkt. Mit dem Eintritt ins Schulalter ändern sich diese Vorlieben allmählich wieder. Die Entwicklungsaufgabe in dieser Zeit ist es, die eigene geschlechtliche Identität zu entwickeln: In der Annäherung an das andere Geschlecht kann ausgelotet werden, worin die Unterschiede bestehen, was einen selbst zum Mädchen oder zum Jungen macht. Am Ende dieses Prozesses ist das Mädchen meist wieder näher bei der Mutter, der Junge wieder stärker beim Vater angekommen. Außerdem lernen Kinder in diesem Lebensalter, die Umwelt aktiv zu erforschen, auf andere zuzugehen, sich durchzusetzen. Dazu braucht es zum einen Rückhalt und Sicherheit, also die Bindung an die Eltern, aber auch Herausforderungen und Ermutigung, Anreize, nach außen zu gehen. Traditionell waren Geborgenheit und Bindung eher der mütterliche, Ermutigung und Konfrontation eher der väterliche Part. Heute sind die Geschlechterrollen sehr viel durchmischter. Wie auch immer Sie Ihre Rollen als Elternpaar oder auch als Alleinerziehende ausfüllen, Sicherheit und Ermutigung können Sie Ihrem Kind bestimmt mitgeben. 2

Ein Kind sollte möglichst früh lernen, was gutes Essen ist . • • • • • Gesundheit und Bewegung Bereits im Alter zwischen drei und sechs Jahren sind viele Kinder übergewichtig. Gründe sind oft falsche Essgewohnheiten und zu wenig Bewegung. Im Kindergarten wird versucht, den Kindern eine gesunde Lebensweise näherzubringen. Kinder lieben es, sich zu bewegen, zu laufen und zu klettern. In der Freispielzeit können sie das draußen an der frischen Luft tun. Außerdem gibt es eine wöchentliche Turnstunde, in der die Kinder unter Anleitung der Erzieherin Sport treiben dürfen. Laufund Tanzspiele sind beliebt, weil sich Ihr Kind auch hier bewegen kann, aber auch zugleich angehalten wird, sich in die Gruppe einzugliedern. Aber nicht nur Bewegung, auch gesunde Ernährung und Hygiene sind wichtig für die Entwicklung. Ihr Kind wird im Kindergarten bereits angeleitet, zwischen gesunden und weniger gesunden Lebensmitteln zu unterscheiden: beispielsweise durch ein gesundes Frühstück, das die Kinder mit den Erzieherinnen zubereiten. Sauberkeit und Hygiene können die Kinder beim Händewaschen vor den Mahlzeiten und beim Zähneputzen danach einüben. Als Eltern können Sie ebenfalls zur Gesundheit Ihres Kindes beitragen: Geben Sie ihm ein gesundes und leckeres Pausenbrot mit. Achten Sie immer auf vitaminund ballaststoffreiche Ernährung: Obst, Gemüse, Milchund Vollkornprodukte bieten die ideale Basis. Zähneputzen und Händewaschen sollten auch zu Hause selbstverständlich sein. Lassen Sie ihr Kind möglichst viel draußen an der frischen Luft spielen. Bleiben Sie selbst in Bewegung! Radfahren, Spazierengehen, Wandern oder Schwimmen sind Sportarten, die ohne viel Aufwand betrieben werden können und bei denen Sie Ihr Kind gut mit einbeziehen können. Ihrem Kind wird dies viel Spaß machen. 3

.. Nur Geduld, irgendwann hat au ch DAS ein Ende... Nachts noch eine Windel? Nicht wenige Kinder im Alter von viereinhalb Jahren tragen nachts noch eine Windel. Andere schlafen bereits ohne Windel, aber nässen noch gelegentlich ein. Bis zum Alter von sieben Jahren ist es nichts Ungewöhnliches, wenn noch manchmal etwas daneben geht. Wenn Ihr Kind bislang nachts noch eine Windel trägt, aber diese morgens immer öfter trocken ist, können Sie versuchen, auch nachts die Windel wegzulassen. Legen Sie eine wasserdichte Unterlage unter das Bettlaken und haben Sie frische Bettwäsche zur Hand, falls es nicht gleich klappt. Wenn Ihr Kind mehrere Nächte hintereinander in einem nassen Bett aufwacht, dann ist es noch nicht so weit. Versuchen Sie es in ein paar Monaten noch einmal. Andere Kinder sind tagsüber und oft auch nachts trocken, weigern sich aber, für das „große Geschäft“ auf die Toilette oder aufs Töpfchen zu gehen, sie möchten es lieber in die Windel machen. Wenn sie dann keine Windel bekommen, gehen sie lieber gar nicht, reagieren wütend oder verzweifelt. Es ist unklar, warum diese Kinder so reagieren. Vielleicht haben sie einfach Angst. Für Sie als Eltern ist es wichtig, keinen Machtkampf daraus zu machen. Lassen Sie Ihrem Kind die Windel und schenken Sie dem Ganzen nicht zu viel Aufmerksamkeit. Fragen Sie nur gelegentlich, ob es nicht doch einmal die Toilette für sein großes Geschäft probieren will. Und loben Sie es, wenn es sich getraut hat. © PublicDomainPictures / Pixabay.com 4

Die Gefahr geht selten von Fremden aus! Kinder dürfen NEIN sagen Oft ist in der Presse zu lesen, dass Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch werden. In der Vorstellung der meisten Menschen ist Missbrauch ein Gewaltverbrechen, das von Unbekannten an einem Kind verübt wird. In Wirklichkeit finden jedoch drei Viertel aller Übergriffe innerhalb der Familie, in der Verwandtschaft oder im engeren sozialen Umfeld statt. Das bedeutet, dass der Täter dem Kind schon seit Längerem bekannt ist und oft sogar eine Art Vertrauensverhältnis zwischen beiden besteht. Das ist eine wichtige Information, wenn Sie überlegen, wie Sie Ihr Kind davor schützen können, irgendwann in seinem Leben zum Opfer zu werden. Die Warnung vor dem bösen Fremden läuft ins Leere, wenn der Täter im näheren Umfeld zu finden ist. Die meisten Täter bauen schrittweise eine Art Beziehung zu den Kindern auf und überschreiten dabei immer mehr die Grenzen des Kindes. Was also braucht Ihr Kind, damit es nicht so leicht zum Opfer wird? Selbstbewusstsein Die beste Vorbeugung ist es, Kinder zu stärken und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Selbstbewusste Kinder haben eher den Mut, NEIN zu sagen und können sich leichter schon im Vorfeld eines Missbrauchs gegenüber Annäherungen abgrenzen. Selbstbestimmung Erklären Sie Ihrem Kind, dass sein Körper ihm gehört und dass es sich von niemandem anfassen lassen muss, wenn ihm das nicht gefällt. Gestehen Sie ihm diese Freiheit auch im engeren Familienkreis zu: Das Küsschen für Oma soll freiwillig bleiben, Ihr Kind muss auch nicht beim Onkel auf dem Schoß sitzen. Vertrauen Ihr Kind sollte wissen, dass es Ihnen alles, wirklich alles anvertrauen kann. Erklären Sie ihm den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen: Ein gutes Geheimnis ist beispielsweise, wenn Ihr Kind Ihnen nicht verrät, was es Ihnen zum Geburtstag gebastelt hat. Ein schlechtes Geheimnis ist etwas, was ein Kind schwer alleine tragen kann, etwas, bei dem es selbst oder jemand anderer leiden muss, etwas, das bedrohlich oder gefährlich ist. 5

ich nicht!“ zu sagen. Üben Sie mit Ihrem Kind, laut „Lass das, das will Information Machen Sie Ihrem Kind keine Angst, aber informieren Sie es. Helfen Sie ihm, Situationen zu erkennen, in denen es sich unwohl oder bedrängt fühlt. Erklären Sie ihm, dass Erwachsene, aber auch Jugendliche und Kinder manchmal Grenzen überschreiten und einen berühren, obwohl man es nicht möchte oder auch an Körperteilen, an denen man es nicht möchte. Ermutigen Sie Ihr Kind, in solchen Situationen „NEIN“ zu sagen, sich zu entziehen und sich den Eltern anzuvertrauen. Glauben schenken Wenn Ihr Kind Ihnen tatsächlich etwas anvertraut, das in die Richtung eines sexuellen Übergriffes gehen könnte, nehmen Sie es ernst. Spielen Sie nichts herunter und tadeln Sie Ihr Kind nicht – auch wenn die Geschichte Ihnen noch so unwahrscheinlich erscheint. Hören Sie Ihrem Kind gut zu und fragen Sie einfühlsam nach. Zwingen Sie es nicht, mit der betreffenden Person wieder Kontakt zu haben. Schützen Sie es vor weiteren Begegnungen. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind sexueller Gewalt ausgesetzt ist oder war, wenden Sie sich an das für Sie zuständige Jugendamt oder an eine Beratungsstelle. Die Mitarbeiterinnen dort wissen am besten, wie Ihrem Kind geholfen werden kann und was es jetzt braucht. Sie können Sie in solch einer schwierigen Situation beraten und unterstützen. 6

Nicht jede Rauferei ist ein Grund zur Sorge. Das aggressive Kind Wurden Sie im Kindergarten auch schon einmal darauf angesprochen, dass Ihr Kind seit einiger Zeit andere Kinder haut, kratzt und beißt? Aggressivität bei Kindern ist keine Seltenheit. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass jedes sechste bis achte Kind überdurchschnittlich aggressiv ist. Eine Grenze zu ziehen ist schwierig: Wo hört das normale Gerangel zwischen Kindern auf und wo fängt das Piesacken an? Wann geht es nur um ein Spielzeug und wann um gezielte Faustschläge und Tritte, die mit dem umkämpften Bagger nichts mehr zu tun haben? Die wahren Gründe für aggressives Verhalten herauszufinden ist nicht einfach, da die Ursachen so vielfältig sind. Es könnte zum Beipiel sein, dass in der Familie Veränderungen wie eine Trennung oder ein Umzug anstehen. Oder ein Geschwisterchen wurde geboren, was das größere Kind aus dem Gleichgewicht bringt. Auch Kinder, die selbst Gewalt erfahren, haben in der Regel eine geringere Hemmschwelle zuzuschlagen. Sie erkennen Grenzen und Regeln nicht an und wissen nicht, wann Schluss ist. Wenn Sie selbst die Ursachen nicht ergründen können, sollten Sie sich an eine Erziehungsberatungsstelle wenden. Dort kann man Ihnen und Ihrem Kind helfen. Sobald Sie jedoch herausgefunden haben, warum Ihr Kind sich so aggressiv verhält, sollten Sie die Bedingungen ändern, die dazu geführt haben, und Ihr Kind dabei unterstützen, sein Verhalten von sich aus zu ändern. Erklären Sie Ihrem Kind, warum Schlagen, Treten und Kratzen kein Weg ist. Scheuen Sie sich nicht vor dem Aufzeigen und Durchsetzen von Konsequenzen. Denn ein Verhalten, das keine erkennbaren Folgen hat, wird auch nicht abgestellt. Kümmern Sie sich um Ihr Sorgenkind, nehmen Sie es in den Arm und zeigen ihm, dass Sie es trotz allem lieben und unterstützen. Zeigen Sie Handlungsalternativen auf, indem Sie ihm vorleben, wie man auch anders an sein Ziel kommen kann. Sein eigenes Verhalten zu verändern, ist ein langwieriger Prozess und erfordert viel Geduld von allen Seiten. Nehmen Sie sich die Zeit, es wird Sie Ihrem Kind wieder näherbringen. 7

den Werken Ihres Schenken Sie Kindes Aufmerksamkeit . Kostbarkeiten aus dem Kindergarten Seit Beginn der Kindergartenzeit häufen sich bei Ihnen die selbst gemalten Bilder und rührend windschiefe Bastelprojekte. Viele Kinder produzieren in dieser Zeit wie am Fließband Überraschungen und kleine Geschenke. Mal sind es Kastanienmännchen, mal beklebte Kerzen oder ein Klorollen-Nikolaus mit weißem Wattebart, die Ihr Kind mit erwartungsvollem Lächeln aus seiner Tasche zaubert und Ihnen verehrt. Grundsätzlich gilt: Alles, was Ihr Kind produziert, sollten Sie würdigen. Nehmen Sie sich Zeit dafür, begutachten Sie das Werk und loben Sie Ihr Kind für die vollbrachte Arbeit. Tun Sie das auch, wenn einmal etwas nicht so gut gelungen ist. Vergessen Sie nicht: Für ein vierjähriges Kind gelten andere Maßstäbe als für Erwachsene! Finden Sie einen geeigneten Platz für das eine oder andere Werk. Hängen Sie die neue Zeichnung an den Kühlschrank oder stellen Sie das selbst gebastelte Boot aufs Fensterbrett. Mit einer Ausstellung machen Sie Ihr Kind glücklich. Natürlich werden die kleinen Kostbarkeiten über die Jahre immer mehr und bald wissen Sie nicht mehr, wohin damit. Wenn sich die dritte Martinslaterne und die zwanzigste Papierblume angesammelt haben, überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, was man damit tun könnte. Vielleicht führen Sie eine kleine Schatzkiste ein, in der man alle Basteleien oder zumindest ein Foto davon gut aufbewahren kann. Diese lässt sich im Anschluss verschließen und wegräumen. Ihr Kind kann seine Schätze aber jederzeit wieder durchstöbern. 8

gerne Mama oder Kein Kind teilt Papa mit jemand Neuem. Stieffamilien Wer eine Trennung hinter sich hat, lebt meist eine Weile allein mit seinem Kind. Eine Trennung ist schmerzhaft und es dauert, bis sie überwunden ist. Doch irgendwann kommt bei vielen Frauen und Männern der Zeitpunkt, an dem sie einen neuen Partner finden. Wie wird wohl das Kind mit der Situation fertig? Wenn Sie sich sicher sind, dass Sie eine neue ernsthafte Beziehung führen möchten, werden Sie wollen, dass Ihr neuer Partner und Ihr Kind sich kennenlernen. Führen Sie ihn oder sie dann behutsam in die Familie ein: Unternehmen Sie zunächst etwas zu dritt oder zu viert. Vermeiden Sie anfangs auch, Zärtlichkeiten vor dem Kind auszutauschen und konfrontieren Sie Ihr Kind nicht zu schnell damit, dass Ihr neuer Partner, Ihre neue Partnerin in Ihrem Bett übernachtet. Führen Sie beide langsam aneinander heran. Geben Sie sich, Ihrem Kind und Ihrem neuen Partner Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind spontan von Ihrem neuen Partner, Ihrer neuen Partnerin begeistert sein wird! Schließlich hat es die Trennung seiner Eltern nicht beschlossen und gewollt. Außerdem vermisst es seinen Vater oder seine Mutter und wünscht sich vielleicht insgeheim, dass die Eltern wieder zusammenkommen. Der neue Partner wird daher oft misstrauisch beäugt, vielleicht sogar abgelehnt. Zeigen Sie Verständnis, schließlich wird Ihr Kind mit einem fremden Menschen konfrontiert. Es hat vielleicht Angst‚ Sie zu verlieren und ist möglicherweise auch eifersüchtig. Denn Sie, seine wichtige Bezugsperson, widmen jetzt einen Teil Ihrer Aufmerksamkeit einem anderen Menschen. Plötzlich fühlt es sich ausgeschlossen, an den Rand gedrängt, nicht mehr wichtig. Die Situation ist für alle Beteiligten schwierig. Die Stieffamilie muss sich erst finden. Natürlich sollte ein vier- bis fünfjähriges Kind nicht bestimmen dürfen, ob und mit wem Sie eine Beziehung eingehen, aber ganz außer Acht lassen können Sie seine Meinung auch nicht. Wenn Ihr Kind den Neuen oder die Neue akzeptiert und Sie überlegen ganz zusammenzuziehen, sollten Sie bestimmte Dinge abklären – für sich und für den Partner. Welche Rechte und welche Pflichten hat der neue Partner? Zahlt er „nur“ für sich oder auch für sein Stiefkind? Inwieweit 9

darf sich die neue Partnerin in die Erziehung einmischen? Diese Fragen müssen geklärt werden. Genauso wie Sie sich darüber im Klaren sein müssen, dass Ihre neue Partnerschaft grundsätzlich etwas anders ist als Ihre alte Familie. Die neue Konstellation kann die alte, getrennte Familie nicht ersetzen. Was braucht Ihr Kind? Ihr Kind braucht vor allem eins: Zeit. Es muss sich erst an die neue Situation gewöhnen. Es muss den neuen Mann oder die neue Frau in seinem Leben erst richtig kennenlernen. Ihr Kind braucht jetzt außerdem viel Zuwendung. Zu keinem Zeitpunkt sollte Ihr Kind das Gefühl haben, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Erst wenn es das Gefühl hat, genauso geliebt zu werden wie vor dem Auftauchen des „Neuen“, kann es sein Gleichgewicht wiederfinden. Ihr Kind braucht auch unbedingt die Sicherheit, dass seine Verbindung zum getrennt lebenden Elternteil unabhängig von der neuen Beziehung bestehen bleiben darf. Ein Kind will und darf seinen anderen leiblichen Elternteil nicht verlieren! Was brauchen Sie als neuer Partner? Sie als „Neue(r)“ brauchen vor allem Geduld. Erwarten Sie nicht, dass Sie das Kind Ihres Partners mit offenen Armen empfängt. Es kennt Sie nicht, es hat Sie nicht ausgesucht. Sie müssen quasi bei Null anfangen, sich langsam an das Kind herantasten. Besprechen Sie sich mit Ihrem Partner, finden Sie heraus, was dem Kind besonderen Spaß macht. Vielleicht geht es gerne in den Zoo oder liebt den Zirkus. Aber erzwingen Sie nichts. Und vergessen Sie nicht, Sie müssen nicht die „bessere“ Mutter oder der „bessere“ Vater sein, Sie werden immer die Nummer zwei bleiben. Das mag zwar eine schmerzhafte Erfahrung sein, aber es bietet auch eine Chance – Sie können nämlich ein Vertrauter oder Freund werden. Was brauchen Sie als Mutter / Vater? Auch für Sie kann die neue Situation schwierig werden. Neben dem Glück, eine neue Liebe gefunden zu haben, liegt Ihnen natürlich auch das Glück Ihres Kindes am Herzen. Sie möchten, dass Ihr Kind sich in die neue Situation hineinfinden kann. Nehmen Sie sich öfter Zeit, die nur für 10

seine Zeit, Es dauer t bis jeder in der Familie gefunden hat . seinen Platz Sie und Ihr Kind reserviert ist. Unternehmen Sie auch etwas mit Ihrem Kind alleine. Es muss sich zu jedem Zeitpunkt Ihrer sicher fühlen. Um dem neuen Partner einen guten Start in der Familie zu ermöglichen, sollten Sie ihn aus den Konflikten, die Sie möglicherweise mit Ihrem Kind haben, heraushalten. Er sollte keineswegs in die Rolle des Buhmanns geraten, sondern sollte eher mit positiven Erlebnissen in Verbindung gebracht werden. Aber was tun, wenn Ihr Kind „die Neue“ einfach nicht akzeptiert? Vielleicht haben Sie Angst, dass es sich dem getrennt lebenden Elternteil zuwendet und lieber dort leben möchte? Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind, hören Sie ihm gut zu. Zeigen Sie auch Verständnis für seine Gefühle, sehen Sie auch seine Not und seinen Kummer. Überlegen Sie gemeinsam, was für alle eine gute Lösung sein könnte. Eine Familien- oder Erziehungsberatungsstelle kann Ihnen Unterstützung geben und in einem solchen Konflikt vermitteln. Was brauchen Sie als getrennt lebender Elternteil? Ganz wichtig: Trotz einer Trennung bleiben Sie der Vater oder die Mutter Ihres Kindes. We- © StockSnap / Pixabay.com 11

Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie immer eine Familie sein werden. © congerdesign / Pixabay.com der Ihre neue Partnerin noch der neue Partner Ihrer Exfrau wird die Elternrolle übernehmen können oder wollen. Für Ihr Kind ist es extrem wichtig, dass es sich Ihrer sicher sein kann. Es muss ohnehin mit der neuen Situation zurechtkommen. Vielleicht wird es von dem oder der „Neuen“ berichten, aber vielleicht auch nicht. Fragen Sie nicht zu viel nach, Kinder empfinden das oftmals als „Aushorchen“ und sind sich unsicher, was sie erzählen dürfen oder was womöglich Ärger zwischen ihren Eltern verursachen könnte. Hören Sie Ihrem Kind zu und zeigen Sie Verständnis für seine Sorgen. Vielleicht findet Ihr Kind die Neue vom Papa auch gar nicht so schrecklich, gerät aber durch Ihr Nachfragen in einen Loyalitätskonflikt. Entlasten Sie Ihr Kind. Sagen Sie ihm, dass es die Neue ruhig nett finden darf, und Sie es trotzdem weiter lieb haben. 12

Seien Sie Vorbild: Tragen au ch Sie einen Helm! Radeln und Schwimmen Jetzt lernt Ihr Kind Dinge, die es nie wieder verlernen wird: Das Fahrradfahren gehört ebenso dazu wie Schwimmen oder Schlittschuhlaufen. Natürlich hat auch hier jedes Kind seine eigenen Begabungen und Vorlieben. Während das eine Kind schon mit vier quer durch den Hinterhof radelt, möchte das andere lieber schwimmen gehen oder Inline skaten. Wann es welche „Sportart“ erlernt, dafür gibt es keine allgemeingültige Regel, überlassen Sie die Entscheidung Ihrem Kind. Fahrrad fahren Irgendwann zwischen vier und fünf Jahren wollen die meisten Kinder vom Dreirad aufs Fahrrad umsteigen. Die Tretbewegung beherrschen die meisten Kinder durch das Dreiradfahren, das sie schon eine Weile können. Damit haben sie auch die nötige Sicherheit gewonnen und kennen den Reiz der Fortbewegung, der alle Kinder magisch anzieht. Der nächste Schritt ist das richtige Fahrrad. Falls Ihr Kind kein Laufrad hatte und das Gleichgewicht noch nicht halten kann, sollte das erste Modell noch Stützräder haben. Diese können Sie für den ersten Anlauf bei der ursprünglichen Einstellung lassen. Aber sobald sich Ihr Kinder sicherer fühlt, können Sie die Stützen entweder abmontieren oder höher stellen, sodass sie nur benutzt werden, wenn das Rad leicht zur Seite kippt. Natürlich verfügt das neue Fahrrad über alle wichtigen Sicherheitsvorkehrungen wie Vorder- und Rücklicht und Katzenaugen. Auch ein Helm gehört zur Standardausrüstung eines Fahrradfahrers! Achten Sie bei einem gebrauchten Helm darauf, dass er noch keine Risse und Bruchstellen aufweist, damit er Ihr Kind auch sicher schützt. Am besten, Sie gehen mit gutem Beispiel voran und tragen auch selbst einen Helm. Ihr Kind wird wenig Verständnis dafür haben, wenn es von Ihnen zum Helmtragen ermahnt wird, aber Sie selbst „oben ohne“ radeln. 13

Nicht vor der 4. Klasse alleine losradeln lassen! Zunächst wird Ihr Kind noch Ihre Unterstützung und Geduld brauchen. Anfangs können Sie es am Sattel halten, mitlaufen und während des Fahrens vorsichtig loslassen. Suchen Sie einen sicheren Platz zum Üben. Der Hinterhof ist dafür ebenso geeignet wie der Spielplatz oder ein offen gelassener Schulhof. Auch eine Spielstraße ist ideal, allerdings sollten Sie sichergehen, dass Ihr Kind nicht auf die „richtige“ Straße hinausfährt. Am besten Sie wählen einen Platz, den Sie gut überblicken können. Hier kann Ihr Kind dann in Ruhe das Fahrradfahren lernen. Sobald es sicher auf seinem Fahrrad sitzt, wird Ihr Kind auch überall mitradeln wollen. Aber Vorsicht, für den allgemeinen Verkehr ist es noch zu früh. Das Fahrrad als Fortbewegungsmittel sollte nicht vor Schulbeginn, und dann auch nur in Begleitung, eingesetzt werden. Erst in der vierten Grundschulklasse können die Kinder eine sogenannte Fahrradprüfung ablegen. Schwimmen Vielleicht ist Ihr Kind ein kleiner Wasserfrosch und liebt es seit jeher, im Wasser herumzuplanschen. Dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt, schwimmen zu lernen. Für Sie als Eltern wird es beruhigend sein zu wissen, dass das Kind nicht mehr so leicht ertrinken kann. Aber bringt man dem Kind das Schwimmen selber bei oder schickt man es lieber in einen Schwimmkurs? Das ist sicher auch eine Frage Ihrer Vorlieben. Wenn Sie selbst gerne und gut schwimmen und auch noch die nötige Portion Geduld mitbringen, sollten Sie sich dieses Erlebnis nicht nehmen lassen. Denn unsere Kinder lernen sowieso schon so viel „außer Haus“, dass das gemeinsame Erleben Ihnen und Ihrem Kind in guter Erinnerung bleiben wird. Die meisten Kinder können sich schon sehr früh mit Paddeln über Wasser halten. Mit Schwimmhilfen abgesichert wissen sie, dass sie nicht untergehen können. Wenn es nun darum geht, sich aus eigener Kraft im Wasser zu bewegen, kommt es auf die richtige Zusammenarbeit von Armen und Beinen an. Das ist die eigentliche Herausforderung beim Schwimmenlernen. Am besten Sie gehen mit Ihrem Kind in ein flaches Becken, wo es noch stehen kann. Legen Sie sich ins Was14

Schwimmneulinge niemals unbeaufsichtigt ins Wasser lassen! © Jan Haerer / Pixabay.com ser und machen die Schwimmbewegungen vor. Wenn Ihr Kind die Schwimmbewegungen übt, stellen Sie sich daneben. Stützen Sie Ihr Kind ein wenig von unten, etwa auf Höhe des Bauches. Wenn Sie merken, dass es sich schon etwas über Wasser halten kann, nehmen Sie Ihre Hand weg. Lassen Sie Ihr Kind dann kleine Abstände von zwei bis drei Metern auf Sie zuschwimmen. Das klappt sicher nicht gleich und erfordert Übung und Geduld. Lassen Sie dem Kind Zeit und loben Sie es immer wieder! Mit der Zeit wird es aus eigener Kraft immer größere Strecken zurücklegen können. Wenn Sie selbst ängstlich sind und nicht gerne schwimmen, sollten Sie Ihr Kind besser in einen Schwimmkurs schicken. Dort geben Sie es in professionelle Hände und können sicher sein, dass Ihr Kind das Schwimmen kindgemäß und technisch korrekt lernt. Damit ist es allerdings nicht getan: Gehen Sie deshalb regelmäßig mit Ihrem Kind zum Schwimmen, üben Sie und ermutigen Sie es, wenn es noch nicht so richtig klappt. Auch wenn Ihr Kind schon ein bisschen schwimmen kann: Lassen Sie es nicht unbeobachtet im Wasser oder auch nur in der Nähe des Wassers spielen. Einen Schwimmneuling dürfen Sie nicht aus den Augen lassen, das gilt für einen Ausflug an einen Badesee ebenso wie im Schwimmbad. 15

ClimatePartner 0 klimaneutral Druck 110: 10822-1-408·1001 FSC www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 IJ Bayerisches Staatsministerium für Famil ie, Arbeit und Sozia les B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim OnlineRatgeber „BAER“ des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen: www.baer.bayern.de Sexueller Missbrauch Sie finden Rat und Hilfe beim zuständigen Jugendamt, bei Erziehungsberatungsstellen sowie Beratungsstellen des Kinderschutzbundes oder pro familia. Weitere Informationen finden Sie auch in der Broschüre „Handeln statt Schweigen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, Winzererstr. 9, 80797 München: www.stmas.bayern.de Wenn Ihr Kind oft aggressiv ist und Sie Hilfe und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich an Ihr zuständiges Jugendamt oder eine Erziehungsberatungsstelle. Im nächsten Elternbrief: – Die neue Selbstständigkeit – Lernen im Kindergarten: Vorschulerziehung – Sag schön „Grüß Gott“! – Wo wohnt der liebe Gott? – Wann kommt der Nikolaus? – Familie hat viele Gesichter: Die Patchworkfamilie – Der volle Terminkalender – Wie viel Lärm darf sein? Die Elternbriefe werden gefördert durch: 19 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202119

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