1 Das Fragealter Fragen geben Orientierung in der Welt. 15 B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Briefe INHALT „Wohin gehen die Fische schlafen?“ Fragt Ihnen Ihr Kind auch jeden Tag Löcher in den Bauch? Kinder sind neugierig, sie interessieren sich für die Welt. Das ist wichtig und gut so! Im Vorschulalter sind Kinder nämlich besonders wissbegierig. Sie wollen den Dingen auf den Grund gehen. Sie wollen Neues erfahren und mit bereits Gelerntem in Einklang bringen. Ihr Kind fragt und argumentiert inzwischen auf seine ganz eigene Weise und entwickelt sich dabei zu einer kleinen Persönlichkeit. Sie werden es dafür lieben, aber auch manchmal an die Grenzen Ihrer Ge-- duld gelangen. Tragen Sie es mit Fassung! 3 Jahre 3 Monate 4 Im Kindergarten 5 Das sagt man nicht 6 Zeit der Infekte 7 Gesund ernähren 10 Arbeitsteilung in der Familie 12 Allein erziehen 16 Infoadressen Im Alter von drei Jahren beginnt das sogenannte Fragealter. Anfang des zweiten Lebensjahres gab es schon einmal eine Phase, in der Ihr Kind viele Fragen hatte. Aber das waren sogenannte Was- oder Zeigefragen. Es deutete auf einen Gegenstand und wollte von Ihnen wissen, wie er heißt. Manche Experten bezeichnen diese Phase als das „erste Fragealter“. So gesehen ist Ihr Kind jetzt, mit drei Jahren, im zweiten Fragealter. Nun kommen die WarumFragen. Oft werden Sie schmunzeln müssen, wenn Sie hören, worüber sich Ihr Kind so seine Gedanken macht. Aus dem Blickwinkel Ihres Kindes betrachtet sind seine Fragen jedoch keineswegs lustig gemeint. Sie dienen ihm als Orientierung in der Welt.
d nimmt Ihr Kin durch Fragen Kontakt auf. Außerdem ist das Frage-undAntwort-Spiel eine Möglichkeit, mit Ihnen in Kontakt zu sein. Besonders Kinder, die gern und viel reden, haben mit ihren Fragen die Möglichkeit, Sie als Gesprächspartner zu gewinnen. Sie bekommen damit das Interesse und die Aufmerksamkeit ihrer Eltern oder anderer vertrauter Menschen. Und welches Kind würde das nicht wollen? So schön das alles ist, für Sie als Eltern wird es manchmal sehr anstrengend. Gerade bei längeren Zugfahrten oder in Wartezimmern, wenn Sie müde und erschöpft sind, hätten Sie vielleicht lieber Ihre Ruhe. Auch in hektischen Situationen, wenn Sie morgens spät dran sind und sich beeilen müssen, haben Sie weniger Geduld, Fragen zu beantworten. Aber die Wissbegier Ihres Kindes scheint unerschöpflich. Gelegentlich unterhält es mit seinen vielleicht manchmal ulkigen Fragen seine ganze Umgebung. Ihr Kind wird Ihnen manche Fragen immer wieder stellen. „Warum muss ich jetzt ins Bett?“ kann eine Zeit lang jeden Abend kommen. Das liegt nicht daran, dass Ihr Kind so vergesslich ist oder Sie ärgern möchte. Kinder lieben Wiederholungen! Ebenso wie sie ein Bilderbuch immer und immer wieder anschauen möchten, können sie auch von manchen Gesprächsthemen nicht genug bekommen. Dass sie auf die immer gleichen Fragen die immer gleiche Antwort bekommen, stört sie nicht, im Gegenteil: Es ist für sie ein Stück Sicherheit und Verlässlichkeit in einer für Kinder oftmals verwirrenden Welt. 2
Kinder haben einen ganz natürlichen und gefühlvollen Zugang zu ihrer Umwelt. Manchmal sind Kinderfragen geradezu philosophisch. Für uns als Erwachsene sind sie oft ein Anstoß, über manche Hintergründe nachzudenken und auch selbst mal genau hinzuschauen. Und nicht immer werden wir auf Kinderfragen zufriedenstellende Antworten parat haben. • Wenn Sie etwas nicht wissen, können Sie das ruhig zugeben. Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, wie die Antwort wohl lauten könnte. • Kinder möchten über alles r eden, was sie entdecken. Sie müssen nicht alles haargenau beantworten. Im Gegenteil: Die Antwort sollte nicht zu kompliziert und lang sein. • Wenn Sie erschöpft oder in Eile sind, also nicht ständig Fragen beantworten wollen, sagen Sie das Ihrem Kind. Vereinbaren Sie mit ihm eine „Fragepause“. • Grundsätzlich jedoch braucht Ihr Kind das Gefühl, dass sich das Fragen lohnt und seine Fragen freundlich und klar beantwortet werden. • Wenn Sie sich Zeit nehmen und die Fragen Ihres Kindes ernst nehmen, werden Sie einen wunderbar en Einblick in seine Gedankenwelt bekommen. 3
Im Kindergar ten lernt ein Kind andere Dinge als zu Hause. Lernen im Kindergarten Ihr Kind geht jetzt mit drei Jahren wahrscheinlich schon in den Kindergarten. Einen großen Teil des Tages verbringt es nun ohne Sie. Was tut es dort, womit verbringt es seine Zeit, was lernt Ihr Kind im Kindergarten? Ziel der Kindergartenerziehung ist es, Ihr Kind zu einem lebenstüchtigen und glücklichen Menschen heranwachsen zu lassen. Einem Menschen, der beziehungsfähig ist, eine positive Lebenseinstellung hat und hilfsbereit auf andere zugeht. Ihr Kind soll Selbstbewusstsein und Selbst- vertrauen erlernen, aber auch soziales Verhalten und Rücksicht auf Schwächere. Doch nicht nur das Sozialverhalten will gelernt sein: Auch die Kreativität der Kinder wird im Kindergarten gefördert. In den letzten Jahren ist Sprachförderung zunehmend wichtiger geworden. siv auf den Schuleintritt vorbereitet. Ihr Kind wird im Kindergarten viele Möglichkeiten bekommen, sich zu bewegen und an der frischen Luft auszutoben, es wird auch etwas über gesunde Ernährung und Hygiene erfahren. Das Interesse für Natur, Umwelt und Technik wird geweckt und die Grundlagen für einen vernünftigen Umgang mit Medien gelegt. Besonders im Jahr vor der Einschulung wird Ihr Kind im Rahmen der Vorschulerziehung intenKinder sind neugierig. Sie lernen gerne. Mehr als früher geht die Pädagogik heute davon aus, dass ein Kind alles in sich trägt, was es zum Lernen braucht. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Kindergarten verstehen sich deshalb als Lernbegleiter. Sie schauen nicht in erster Linie, was ein Kind nicht kann, sondern setzen bei seinen Fähigkeiten an. Gefördert werden die Neugier, das Interesse und die Fähigkeit von Kindern, sich Wissen anzueignen und neue Erfahrungen zu machen. Ihr Kind wird lernen, Probleme zu lösen, mit anderen Kindern zusammen etwas anzupacken und sich mit ihnen auszutauschen. Was im Kindergarten an Inhalten vermittelt wird, darüber möchten wir Sie in den kommenden drei Jahren, in denen Ihr Kind voraussichtlich den Kindergarten besuchen wird, informieren. Unter der Überschrift: „Lernen im Kindergarten“ können Sie Beiträge zu den Themen Sozialverhal4
Kinder testen die Wirkung von Sprache aus. ten, Kreativität, Sprache, Bewegung und Gesundheit, Vorschulerziehung, Natur, Umwelt und Technik sowie Medienerziehung lesen. Dabei werden Sie viel über den Alltag Ihres Kindes im Kindergarten erfahren, aber auch Tipps und Anregungen bekommen, wie Sie als Eltern Ihr Kind begleiten und unterstützen können. „Das sagt man nicht!“ – schlimme Wörter Kraftausdrücke wie „du Blödmann“, „du Depp“ oder Schlimmeres hören Sie jetzt vielleicht auch von Ihrem Kind. Sehr zu Ihrem Leidwesen haben sich derlei Kraftausdrücke in das Vokabular Ihres Kindes gemischt. Es hat die Schimpfwörter im Kindergarten, bei Freunden oder auf dem Spielplatz aufgeschnappt. Vielleicht kommt aber auch Ihnen selbst ab und zu das eine oder andere Schimpfwort über die Lippen. Und Kinder, die ja durch Nachahmung lernen, plappern interessante Wörter einfach nach und freuen sich über die Reaktion. Aber noch ist nicht viel passiert. Der Gebrauch von Schimpfwörtern oder Flüchen zeigt ja zunächst nur, dass Ihr Kind die Macht der Sprache verstanden hat und kreativ damit umgeht. Und es zeigt, dass es gelernt hat, Wie Sie den Gebrauch von Schimpfwörtern einschränken können • Seien Sie ein gutes Vorbild. Überprüfen Sie Ihren eigenen Sprachschatz. • Ignorieren Sie einmalige Entgleisungen. Denn eine heftige Reaktion macht die Schimpfwörter nur noch interessanter. • Machen Sie klare Ansagen bei häufigem Gebrauch. Sagen Sie Ihrem Kind ganz deutlich, dass Sie diese Art Sprache nicht dulden. • Seien Sie konsequent. Geben Sie Ihrem Kind eine klare Orientierung, was zu Hause erlaubt ist und was nicht. seinen Ärger in Worte zu kleiden. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass Sie sich von Ihrem Sprössling wütend beschimpfen lassen müssen und seinen lockeren Sprachgebrauch tolerieren sollten. Nein, zeigen Sie Ihrem Kind deutlich Ihre Grenzen und sagen Sie ihm, dass Sie so nicht angesprochen werden möchten. 5
Au ch warme Kleidung kann zu Erkältungen führen. Die Zeit der Infekte Viele Eltern haben es schon erlebt: Kaum geht Ihr Kind in den Kindergarten, ist es ständig krank. Kein Wunder, denn durch den Kontakt mit vielen Kindern ist es verschiedensten Keimen und Krankheitserregern ausgesetzt. Meistens sind diese lästig, aber harmlos. Das Immunsystem eines Kindes ist mit drei Jahren noch nicht so ausgereift. Es muss mit unterschiedlichen Erregern in Kontakt kommen, um sich entsprechend zu entwickeln und eine gute Abwehr auszubilden. Dennoch werden Sie als Eltern kaum begeistert sein, wenn Ihr Kind wieder einmal das Bett hüten muss. Es hilft auch wenig, ein Kind zu warm anzuziehen, um eine Erkältung zu verhindern. Im Gegenteil, ein nass geschwitztes Kind ist erst recht anfällig. • Kleiden Sie Ihr Kind am besten im „Zwiebel-Look“, das heißt mehrere dünne Schichten übereinander, die es dann entsprechend an- und ausziehen kann. Das ist besser als ein dicker Wollpullover mit einem kurzärmeligen T-Shirt darunter. • Regelmäßiges Händewaschen hilft, dass Ihr Kind eingefangene Keime nicht über den Mund in seinem Organismus aufnimmt. Auch die Weitergabe von Keimen an andere Kinder wird so verhindert. • Viel Bewegung an der frischen Luft trainiert die Abwehr Ihres Kindes. Gehen Sie bei jedem Wetter nach draußen. Gegen Feuchtigkeit schützen feste Schuhe und eine wasserdichte Regenjacke mit Kapuze. • Eine vitaminreiche und ausgewogene Kost hilft Ihrem Kind ebenfalls, gesund zu bleiben. Viel frisches Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, wenig mageres Fleisch und Fisch bieten die Basis einer gesunden Ernährung. • Bei ansteckenden Krankheiten wie zum Beispiel den klassischen Kinderkrankheiten Masern, Mumps und Röteln ist eine Impfung ratsam. Informieren Sie sich bei Ihrem Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin. 6
Wir ernähren uns gesund © Daria Yakovleva / Pixabay.com Damit Ihr Kind sich gut entwickeln kann und gesund und leistungsfähig bleibt, ist eine gute Ernährung wichtig. Ihr Kind befindet sich im Wachstum, das bedeutet, es muss nicht nur wie wir Erwachsenen einfach die verbrauchten Kalorien und Nährstoffe ersetzen, sondern es muss zusätzlich „Aufbauarbeit leisten“. Das heißt, sein täglicher Bedarf an Nährstoffen entspricht seiner jeweiligen Entwicklungsphase. In starken Wachstumsphasen braucht es also auch mehr gute Nährstoffe. nen. Die ganze Familie sollte also auf eine vernünftige Ernährung achten. Das Ernährungsverhalten eines Menschen wird in den ersten zehn Lebensjahren geprägt: Ob er gerne isst, ob er sich gesund ernährt, ob er weiß, wann er genug hat, all das hat der spätere Erwachsene in seiner Kindheit gelernt. In der Regel ernährt sich ein Kind so gesund wie die Familie, in der es aufwächst. Seit Ihr Kind bei Tisch mitisst und keine Babykost mehr bekommt, passt es sich Ihrem Ernährungsverhalten zunehmend an. Eltern, die sich von Pommes, Fertiggerichten und Süßigkeiten ernähren, werden ihr Kind kaum von frischem und vollwertigem Essen überzeugen könDen gemeinsamen Mahlzeiten kommt dabei eine große Bedeutung zu. Essen Sie sooft es geht gemeinsam. Kein Mensch isst gerne alleine und ein Kind schon gar nicht. Wenn die anderen Familienmitglieder mit am Tisch sitzen und essen, macht es gleich viel mehr Spaß. Wenn dabei auch gute Stimmung herrscht und Sie mit Ihrem Kind ein wenig plaudern, umso besser. Streitigkeiten sollten keinesfalls während der Mahlzeiten ausgetragen werden. Sinnvoll sind drei Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen, Abendes7
Süße Getränke verderben den machen dick . Appetit und sen – mit jeweils zwei kleinen Zwischenmahlzeiten. Das Frühstück sollte reichhaltig, das Abendessen eher leicht sein und wenig belasten. Als Zwischenmahlzeit eignen sich Obst, Rohkoststücke (Karotten, Kohlrabi), Joghurt oder auch Knäckebrot oder Zwieback. Was die Lebensmittelindustrie gern als „gesunde Snacks“ anpreist, ist meist nichts anderes als eine versteckte Süßigkeit und als Zwischenmahlzeit nicht zu empfehlen. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind ausreichend trinkt. Kinder können nicht so viel Flüssigkeit speichern wie Erwachsene, deshalb müssen sie regelmäßiger und reichlich trinken. Als Getränke eignen sich Wasser, ungesüßte Früchte- oder Kräutertees, auch Saftschorlen können angeboten werden. Limonaden, pure Säfte und Fruchtsaftgetränke enthalten sehr viel Zucker und sind zu vermeiden. Cola ist für Kinder mit drei Jahren ohnehin nicht geeignet. schmacksverstärker. Die Grundlage für eine gesunde Ernährung bilden reichlich Obst und Gemüse, ausreichend Brot, Kartoffeln, Reis und Nudeln, Milchprodukte wie Quark, Joghurt, Milch und Käse, wenig Fleisch und Wurst, dafür gelegentlich Fisch oder Eier. Scharf gewürzte Gerichte sowie sehr fette Kost belasten den Organismus Ihres Kindes unnötig. Achten Sie bei der Auswahl Ihrer Lebensmittel darauf, dass diese möglichst frisch und unbehandelt sind. Fertigprodukte enthalten meistens viel Fett, viel Zucker sowie künstliche GeWenn Sie Ihrem Kind Süßigkeiten geben, dann am besten nur nach den Mahlzeiten, wenn es bereits satt ist. Dann ist die Gefahr gering, dass das Kind sich den Appetit auf Gesünderes verdirbt. Auch dass aus Langeweile genascht wird, lässt sich so verhindern. Als Süßigkeiten eignen sich Bio-Gummibärchen, Vollkornkekse oder auch etwas Schokolade. Wenn Ihr Kind nicht essen mag, zwingen Sie es nicht dazu. Vielleicht ist gerade eine Wachstumsphase vorbei und es hat einfach weniger Hunger. Vielleicht hat es auch Kummer, bekommt einen Backenzahn oder brütet gerade eine Kinderkrankheit aus. Umsorgen Sie Ihr Kind und gehen Sie der Sache auf den Grund. 8
Was schön aussieht, schmeckt au ch besser. © congerdesign / Pixabay.com Spatzenappetit? Kein Grund zur Sorge! Wenn Ihr Kind generell ein schlechter Esser ist oder etwas zu wenig Gewicht auf die Waage bringt, hier einige Tipps: • Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, Ihrem Kind Süßigkeiten zu geben, nur damit es überhaupt etwas zu sich nimmt. Das macht den Appetit noch schlechter. • Lassen Sie Ihr Kind bei der Zubereitung der Mahlzeiten mithelfen. So kann es zum Beispiel die Quarkspeise anrühren oder einen Obstteller mit herrichten. • Das Essen sollte schmecken. Jedes Kind hat Lieblingsgerichte. Gehen Sie bei der Planung der Mahlzeiten auch immer wieder einmal auf seine Wünsche ein. • Das Auge isst mit: Eine hübsch hergerichtete, kindgerechte Mahlzeit macht mehr Appetit als ein Fertigmenü aus der Mikrowelle. • Frische Luft und Bewegung machen Hunger. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind sich den Tag über genug austoben kann. 9
den Beruf: rechtWiedereinstieg in zeitig planen. Arbeitsteilung in der Familie Wenn das Kind in den Kindergarten kommt, kehren viele Mütter oder Väter an ihre alte Arbeitsstelle zurück. Bei Inanspruchnahme der Elternzeit gilt die Arbeitsplatzgarantie in der Regel drei Jahre lang. Wenn bisher einer von Ihnen hauptsächlich das Kind betreut und dazu viel Zeit zu Hause verbracht hat, sind ihm oder ihr auch die meisten Hausarbeiten zugefallen. Auch Paare, die mit einer sehr fairen Arbeitsteilung ihre Ehe oder Beziehung begonnen haben, rutschen, sobald das erste Kind da ist, wieder in traditionelle Rollenmuster. Und manchmal bleibt das auch so. Besonders die berufstätigen Mütter neigen oftmals dazu, sich zu überfordern. Insbesondere, wenn ihnen von der Umwelt ein schlechtes Gewissen gemacht wird, möchten sie sich nichts nachsagen lassen und alles möglichst perfekt machen. Doch dabei bleibt so manches auf der Strecke. Der Spaß, die Gelassenheit, die Leichtigkeit im Umgang mit dem Kind, aber auch die Beziehung zum Partner können leiden. Vielleicht waren Sie als Vater oder Mutter in den ersten Lebensjahren Ihres Kindes der „Haupternährer“ der Familie: Sie waren voll berufstätig und tagsüber nicht viel zu Hause. Damit Sie sich nach Feierabend auch noch Ihrem Kind widmen können, hat Ihnen Ihre Partnerin oder Ihr Partner möglicherweise viele Alltagsarbeiten abgenommen. Wenn er oder sie nun ebenfalls wieder mehr Zeit im Beruf verbringt, werden Sie sich umstellen und einige Bequemlichkeiten aufgeben müssen. Das geht oftmals nicht ohne Widerstände und Reibereien. Darum: • Machen Sie sich klar, dass der Wiedereinstieg eines Partners in den Beruf eine große Veränderung im Familiengefüge ist. • Sprechen Sie sich ab, und zwar schon, bevor die neue Situation eintritt. Legen Sie eine neue Arbeitsverteilung fest, die möglichst keinen von beiden überfordert. Am besten, Sie machen einen Plan, an den sich beide Partner halten. 10
Kinder können im Haushalt schon gut mithelfen. • Respektieren Sie, was Ihr Partner bisher für die Familie getan hat, sei es eher die wirtschaftliche Versorgung, sei es mehr die Familienarbeit. • Auch wenn Ihr Kind jetzt länger als bisher außerhalb der Familie betreut wird, ist doch jede Veränderung erst einmal anstrengend. Versuchen Sie, die Übergangszeit so entspannt wie möglich zu gestalten und laden Sie sich nicht noch zusätzliche Arbeiten auf. • Wenn Sie als Eltern beruflich wieder mehr eingespannt sind, sollten Sie auch für Entlastung sorgen. Überlegen Sie, wo sich Arbeit einsparen lässt und nehmen Sie angebotene Hilfe dankend an. • Bedenken Sie auch, dass Ihr Verhalten für Ihr Kind Vorbildcharakter hat. Eine faire Arbeitsteilung und ein harmonisches Miteinander der Eltern – auch bei der Hausarbeit – sind prägend und haben mehr Wirkung als viele Ermahnungen und Gespräche. • Auch Ihr Kind kann nach und nach schon kleine Pflichten übernehmen, etwa beim Tischabräumen oder Abwasch helfen oder seine Schuhe ins Regal stellen. Es wird das umso lieber tun, wenn alle in der Familie zusammenhelfen. © annca / Pixabay.com 11
Kinder sollen ei zu beiden Elternteigutes Verhältnis len haben. n Ein Kind allein erziehen Für Kinder sorgen, einen Beruf ausüben, mit geringem Einkommen auskommen... das hört sich wirklich nicht einfach an. Allein mit Kind, da sind eine gute Portion Fantasie, Wagemut und Einsatz gefragt. Und nicht zu vergessen, ein großer Kreis von Unterstützerinnen und Unterstützern! Allein erziehen ist meist Frauensache. Nur zehn Prozent der Alleinerziehenden sind Männer. Ein Großteil der Mütter oder Ferien bei dem Elternteil, mit dem Väter sind nach Trennung oder sie im Alltag nicht zusammenleScheidung alleinerziehend. Ein ben. Das ist anfangs nicht immer eher geringer Teil von Frauen ist leicht. Viele Auseinandersetzunvon Anfang an alleinerziehend, ein gen der früheren Partner kreisen anderer Teil ist verwitwet. Nach ei- um den Umgang mit den Kindern. ner Trennung oder Scheidung le- Dennoch lohnt es sich, an zufrieben die Kinder meist bei einem El- denstellenden Lösungen zu arbeiternteil, egal ob die Eltern das ge- ten: meinsame Sorgerecht haben oder einem von ihnen das alleinige Sorgerecht zusteht. Der andere Elternteil muss für seine Kinder Unterhalt bezahlen. Zudem kann und soll er den Kontakt zu seinen Kindern pflegen. Im Idealfall bleibt er ihnen als Vater oder Mutter erhalten, ist ihr Ansprechpartner und Unterstützer und nimmt so Verantwortung wahr. Die Kinder verbringen je nach Vereinbarung einzelne Tage, Wochenenden oder • Für die Entwicklung der Kinder ist ein gutes Verhältnis zu beiden Elternteilen wichtig. Je entspannter der Kontakt ist, umso besser. • Für die Alleinerziehenden ist es gut, wenn die Kinder auch mal beim anderen Elterteil sind. Das gibt ihnen Freiräume, um sich zu erholen oder auch mal etwas für sich zu tun. • Männer oder Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, von ihrer Familie getrennt sind, leiden oft sehr darunter. Der Umgang mit den Kindern gibt ihnen die Möglichkeit, Kontakt zu ihren Kindern zu haben und 12
Das eigene Selbstver trauen über trägt sich au ch auf das Kind . weiterhin ihre Aufgabe als Eltern wahrzunehmen. Auch wenn Kontakt zum anderen Elternteil besteht, sind Alleinerziehende im Alltag weitgehend auf sich gestellt. Der Spagat, Geld verdienen zu müssen und gleichzeitig gut für die Kinder zu sorgen, führt bei vielen zu permanenter Überforderung. Die Organisation des Alltags wird oft zur logistischen Meisterleistung. vertrauen haben, dann trauen sie auch ihren Kindern mehr zu. Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit gehören zum Leben ganz selbstverständlich dazu. Mit der Zeit wachsen Alleinerziehende in ihre Rolle hinein. Gefordert sind allerdings Kreativität und Eigenständigkeit. Ist erst einmal der schwierige Neubeginn geschafft, kann sich ein neues Selbstbewusstsein einstellen. Wichtig ist, sich ein eigenes und befriedigendes Leben aufzubauen. Besteht ein guter Kontakt zwischen dem Kind und dem getrennt lebenden Elternteil, entstehen oft Freiräume, die im gemeinsamen Familienleben nicht möglich waren. Alleinerziehende entdecken oft Kräfte und Fähigkeiten an sich, die bisher verborgen waren. Sie entwickeln Mut, wichtige Entscheidungen alleine zu treffen. Sie haben gelernt, ihre Interessen zu vertreten und sich durchzusetzen. Dies wirkt sich auch positiv auf die Kinder aus: Wenn Mütter und Väter ein gutes SelbstSelbstzweifel und Schuldgefühle sind Alleinerziehenden nicht fremd. Sie tragen alles allein. Ein entlastender Partner fehlt. Oft bleibt die vollständige Familie als Wunschtraum innerlich bestehen. Da lohnt es sich, bei anderen Familien genau hinzusehen: Auch dort sieht nicht immer alles rosig aus. Und: Eine gelungene Trennung ist besser als ständig streitende Eltern. Wichtig ist nicht, in welcher Familienform ein Kind groß wird. Wichtig ist, dass zwischen Eltern und Kindern eine sichere Bindung besteht. Ein offener und fairer Umgang mit Konflikten, einfühlsames und unterstützendes Verhalten beider Elternteile sowie eine ausreichende materielle Situation sind weitere Faktoren, mit deren Hilfe sich ein Kind in einer Ein-Eltern-Familie gut entwickeln kann. Meist sind die Kinder schon sehr früh selbstständig. Sie müssen im Alltag öfter und für längere Zeit ohne ihre Eltern auskommen. Das nährt Schuldgefühle und es kommt schon mal das Gefühl auf, zu wenig Einblick in das 13
die Qualität der Wichtig ist gemeinsamen Zeit, nicht die Länge. Leben des Kindes zu haben. Nur: sich austauschen, Neuigkeiten erAlleinerziehende müssen nun ein- fahren und in Ruhe plaudern. mal auch materiell für sich und ihr Kind sorgen. Und es ist ebenfalls notwendig, Zeit für sich selbst zu haben. Sorgen Sie also für ein gesundes Mittelmaß: Entscheidend ist nicht die Quantität, sondern die Qualität der Beziehung. Alleinerziehende Mütter und Väter haben oft eine besonders innige Beziehung zu ihrem Kind. Das ist sehr schön, jedoch darf das Kind kein Partner-Ersatz werden. Sie überfordern Ihr Kind, wenn Sie alle Probleme in der ganzen Tragweite besprechen. Suchen Sie lieber Kontakt zu Freunden und Bekannten. In Gemeinden und Städten gibt es häufig Alleinerziehende, die sich regelmäßig in der Gruppe treffen. Hier kann man © Hasty Words / Pixabay.com Meist ist das größte Problem für Alleinerziehende, Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie befinden sich in einem Dilemma: Die Unterhaltszahlungen sind in der Regel nicht die Haupteinkommensquelle. Die finanzielle Situation ist angespannt, gleichzeitig muss das Kind während Ihrer Arbeitszeit gut betreut sein. Auch wenn ein Krippen- oder Kindergartenplatz gefunden wurde, ist der Organisationsaufwand hoch. Darum ist es für Sie als berufstätige Alleinerziehende unerlässlich, einen großen Unterstützerkreis zu pflegen, der in Notfällen einspringt. Fragt Ihr Kind nach dem Grund der Trennung, erklären Sie sachlich und kindgerecht, warum Sie nicht mehr mit Ihrem Partner zusammen sind. Auch wenn es nicht leicht fällt, mit Respekt vom getrennt lebenden Ex-Partner zu sprechen: Lassen Sie sich nicht hinreißen, ihn abzuwerten. Kinder lieben beide Elternteile. Sind sie gezwungen, sich innerlich für einen von beiden entscheiden zu müssen, kann dies zu einer seelischen Zerreißprobe führen. Wenn es irgendwie möglich ist: Arbeiten Sie im Interesse des Kindes 14
den Ex-Par tner Machen Sie vor Ihrem Kind nicht schlecht . mit dem anderen Elternteil zusammen. Dies ist nicht nur langfristig für die positive Entwicklung Ihres Kindes sehr günstig, es eröffnet auch Ihnen Freiräume. Es fällt natürlich nicht immer leicht, das Kind zum Ex-Partner gehen zu lassen. Vielleicht ist ja in der Zwischenzeit ein neuer Partner aufgetaucht, zu dem das Kind eine Beziehung aufbaut? Denken Sie daran, dass Ihr Kind beide Eltern braucht. Zieht sich der andere Elternteil von sich aus zurück, sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind ein realistisches Bild von ihm bekommt, und zwar ohne zu schimpfen. Trotz aller Belastungen, die entstehen, wenn Sie alleinerziehend sind, können Sie doch stolz auf die Entwicklung Ihres Kindes sein. Sie meistern gemeinsam eine schwierige Lebenssituation. Dafür gebührt Ihnen Respekt und Anerkennung. Wenn Ihnen doch einmal alles zu viel wird oder wenn Ihre finanzielle Situation zumindest vorübergehend problematisch ist, dann scheuen Sie sich nicht, Unterstützung zu suchen und anzunehmen, wo immer sie sich bietet. Dies ist kein Zeichen von Schwäche, sondern der Weg, für sich zu sorgen. Staatliche Hilfen für Alleinerziehende • Laufende oder einmalige Hilfen zum Lebensunterhalt • Wohngeld • Zuschuss zum Betreuungsgeld für Krippe, Kindergarten und Hort • Unterhaltsvorschuss Anderweitige Unterstützung bekommen Sie außerdem, • wenn Ihr Kind krank ist: Mit ärztlichem Attest können alleinerziehende Arbeitnehmer bis zu 20 Arbeitstage pro Jahr bei ihrem Kind (unter 12 Jahren ) zu Hause bleiben. • wenn Sie selbst erkranken: Beispielsweise wird bei einem Krankenhausaufenthalt über den allgemeinen Sozialdienst (beim Jugendamt nachfragen) oder eine Sozialstation Hilfe für Kinderbetreuung und Haushalt organisiert. • wenn Sie nervlich und körperlich am Ende sind: Informieren Sie sich über die Möglichkeit einer Kur. (Informationen über Mütterkuren oder Mutter-Kind-Kuren siehe Elternbrief 12) Ihre Krankenkasse, der Allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes sowie Schwangeren- und Sozialberatungsstellen geben Auskunft und helfen bei der Antragsstellung. 15
ClimatePartner 0 klimaneutral Druck 110: 10822-1-408·1001 IJ FSC www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 Familie hat viele Gesichter: Migranten und bikulturelle Familien !liiy,-inS('.h $ S r ij tsmu1,sier1um rur 1111 h I Arb i l !.lnr l 50,ei.1 1 :,. B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER", www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Verband alleinerziehender Mütter und Väter Auf der Webseite www.vamv-bayern.de finden Sie weitere Informationen. Impfen Infos zum Impfen finden Sie auf der Webseite www.rki.de/impfen des Robert-Koch-Instituts Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung www.impfen-info.de Impf-Hotline des Deutschen Grünen Kreuzes e.V. Tel. 06421 / 293-188 (dienstags 10 bis 12 Uhr) Im nächsten Elternbrief: – Regeln und Grenzen – Die ersten Sandkastenfreundschaften – Familienklima – Lernen im Kindergarten: Sozialverhalten – – U8-Untersuchung – Zahngesundheit – Mit links geht’s auch Die Elternbriefe werden gefördert durch: 15 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202115
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